Die Bestattungskultur ist im Wandel
Der Backnanger Stadtfriedhof verändert sein Gesicht. Sven Vollbrecht kennt ihn seit 26 Jahren. 1997 hat er in direkter Nachbarschaft seine Lehre als Steinmetz begonnen. Der 43-Jährige berichtet von den vielen Veränderungen, die er wahrgenommen hat.
Von Florian Muhl
Backnang. Steine zu bearbeiten, ihnen eine Form zu geben und Schönheit zu verleihen, ist die Leidenschaft von Sven Vollbrecht. Nach seiner Ausbildung zum Steinmetz bei der Backnanger Firma Wenzler& Vogt Steinwerkstätte und der Bundeswehrzeit sowie einer anderthalbjährigen Tätigkeit bei einem Bausteinmetzbetrieb in Waiblingen-Hegnach kehrte der heute 43-Jährige 2004 wieder zur Steinwerkstätte in der Stuttgarter Straße 95 zurück. Weitere zwölf Jahre später folgte er dem inneren Drang, etwas Neues auszuprobieren, und übernahm die Verantwortung für die Haustechnik in einem Backnanger Betten- und Wäschehaus. Doch mit der Zeit vermisste er das Bearbeiten von Steinen immer mehr. Und als sein Vater vor zweieinhalb Jahren gestorben ist, hat der Steinmetz beschlossen, nach fünf Jahren Auszeit wieder zurück in die Steinwerkstätte zu gehen.
Was diese fünf Jahre ausmachen können: Bei seinem ersten Gang auf den Friedhof war Sven Vollbrecht überrascht über die Veränderungen dort. Aber der Wandel oder Umbruch, wie er sagt, hat schon Jahre davor begonnen. An die Zeit, als er 1997 mit seiner Ausbildung in dem Betrieb in direkter Nachbarschaft zum Stadtfriedhof begann, kann er sich noch genau erinnern: „Da stand in der Ausstellung alles voll mit Breitsteinen. Es gab früher viel mehr Reihen und Reihensteine. Die Breitsteine gab es für Doppelgräber und Familiengräber. Das war damals die klassische Bestattungsart.“ Aber die sei immer weiter zurückgegangen. „Jetzt haben wir hier keinen einzigen Breitstein mehr stehen“, sagt Vollbrecht und deutet auf die Ausstellung vor der Werkstatt.
Besonders der obere Teil des Friedhofs habe sein Gesicht verändert. Die Stadt Backnang und der Gemeinderat hätten vorbildlich mit Steinmetzen und Gärtnereien zusammengearbeitet. Zahlreiche Reihengräber seien aufgelöst und geräumt worden. Große Rasenflächen machen sich jetzt breit. Das ist Sven Vollbrecht nach seiner fünfjährigen Auszeit direkt aufgefallen. „Als ich letztes Jahr im März zurückkam, bin ich richtig erschrocken, weil so viele Gräber weg waren.“ Auch ein Lapidarium sei entstanden, eine lockere Sammlung von alten und erhaltenswerten Grabsteinen, die man vor der Vernichtung habe retten können und die einst auf Gräbern verdienter und angesehener Backnangerinnen und Backnanger standen.
Sven Vollbrecht: „Es passiert viel auf Gefühlsebene, in dem Beruf sowieso. Wer das ohne Herz macht, der kann’s gleich lassen.“
Auf dem Backnanger Stadtfriedhof ist für den Steinmetz deutlich zu erkennen: Die Bestattungskultur befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Eine der grundlegendsten Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte betrifft die Art der Bestattung: weg von der Erd- hin zur Feuerbestattung. Urnenbestattungen machen inzwischen bundesweit mehr als 70 Prozent der Bestattungen aus. „Wir haben bis jetzt noch keine Urnenwand. Und da sind wir auch froh drüber“, sagt Sven Vollbrecht. Denn ihn erinnere diese Bestattungsform an ein Regal.
Dort, wo früher das Kindergrabfeld war, ist in den vergangenen Jahren ein gepflegter Urnenpark entstanden. In dessen Zentrum liegt der „Achter, die Backnanger Alternative zu den Urnenwänden“, wie der Steinmetz die Urnengrabstätten nennt, die in einer Unendlichkeitsschleife in Form einer Acht aneinandergereiht sind. Etwa alle zwei Jahre werde der Urnenpark erweitert. In einem Bereich befinden sich Wahlgrabstätten, in denen zwei Urnen beigesetzt werden können. Als Gedenkzeichen dürfen Stelen oder Pultsteine aufgestellt werden, „maximal jeweils 30 Zentimeter breit und tief und ein Meter hoch“, weiß Sven Vollbrecht. „Du musst das nicht pflegen.“ Bepflanzungen und Pflegemaßnahmen erfolgen ausschließlich durch die Friedhofsverwaltung beziehungsweise den Gärtner. „Du darfst aber auch nichts hinlegen. Also wenn du jetzt Blumen hinlegst oder Kerzen aufstellst, dann kommt das wieder weg, die räumen das sauber auf.“
Sven Vollbrecht ist mit Leib und Seele Steinmetz. Er liebt seinen Job. „Es passiert viel auf Gefühlsebene, in dem Beruf sowieso. Wer das ohne Herz macht, der kann’s gleich lassen.“ Fertige Produkte zu verkaufen, dass ist nicht sein Ding. Der Kontakt mit dem Kunden fange mit der Beratung an. „Wir sind ja im Prinzip nach dem Bestatter und dem Pfarrer die nächste Anlaufstelle. Das ist dann auch eine Art Trauerarbeit, die wir hier machen.“ Natürlich würde es auch Kunden geben, die kommen und sagen würden: Ich weiß, was ich will, machen Sie das so und so und bis dann und dann. „Und dann gibt es Kunden, die ganz lange nicht wissen, was sie möchten. Einfach weil sie sich nicht sicher sind, ob’s dem Partner gefallen hätte, ob es den Kindern gefällt, ob man selber damit zufrieden ist“, weiß der Steinmetz aus Erfahrung. Er höre dann den Leuten zu, gehe auf sie ein und nehme sich dann auch die Zeit dafür.
Wie Trauer geht, muss man selber herausfinden. Jeder trauert anders
Der 43-Jährige weiß nur zu gut, wie sich das anfühlt, einen geliebten Menschen zu verlieren. „Als mein Vater gestorben ist, konnte ich nicht mit auf den Friedhof zum Grabaussuchen, weil ich in Quarantäne gesessen bin daheim.“ Die Mutter und seine Brüder hätten ihm dann Fotos geschickt. „Mir ist es dann so gegangen: Obwohl man’s schon über 20 Jahre kennt, weiß man selber nicht, ob man das Richtige gemacht hat.“ Er überlegt und sagt: „Ganz komisch.“ Und fügt nach einiger Zeit hinzu: „Keiner kann einem erklären, wie man trauert. Das muss man selber herausfinden. Jeder trauert anders und auf seine Art.“ Das würde sich wiederum in den Grabsteinen widerspiegeln und in der Grabbepflanzung, wenn es die Leute selber machen.
Erst dieses Jahr im Oktober habe er den Stein für seinen Vater fertig gestellt. Ein Jahr lang hätten sie die Geschichte sacken lassen, dann habe ein Stein auf dem Hof gelegen, der ihm auf Anhieb gefallen habe. Auch die Familie fand ihn toll. „Am Schluss ist dann etwas herausgekommen, was absolut stimmig ist und unseren Vater widerspiegelt, aber auch meine Handschrift hat.“
Gedenktag Der Volkstrauertag ist ein bedeutsamer Gedenktag, der in Deutschland und anderen Ländern jährlich am zweiten Sonntag im November begangen wird.
Erinnerung Dieser Tag steht im Zeichen der Erinnerung und des Gedenkens an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.
Frieden Die Bedeutung des Volkstrauertags reicht dabei weit über nationale Grenzen hinaus und unterstreicht die gemeinsame Verantwortung aller Menschen für den Frieden und die Bewahrung der Menschenrechte.
Ursprung Die Ursprünge des Volkstrauertags lassen sich bis in die unmittelbare Nachkriegszeit des Ersten Weltkriegs zurückverfolgen. Der Gedenktag wurde erstmals im Jahr 1919 vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge initiiert und hatte zunächst das Ziel, der gefallenen Soldaten zu gedenken.
Gewaltherrschaft Mit der Zeit erweiterte sich jedoch der Fokus des Volkstrauertags. Heute steht dieser Tag für das Gedenken an alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, unabhängig von ihrer Nationalität.
Gedenkveranstaltungen An diesem Tag finden in vielen Gemeinden und Städten Gedenkveranstaltungen statt, die eine Vielzahl von Menschen ansprechen, von Politikern über Vertreter verschiedener Institutionen bis hin zu Bürgern und Schülern. Diese Veranstaltungen nehmen unterschiedliche Formen an, darunter Gottesdienste, Kranzniederlegungen an Kriegerdenkmälern, Schweigeminuten und Gedenkreden. Die Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist Ausdruck der Solidarität in der Erinnerung und im Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt.