Die Debatte ums Weissacher Pflegeheim geht weiter

Den Pflegestandort Weissach im Tal langfristig erhalten, das möchten sowohl die Gemeinde und der Gemeinderat als auch der Heimbetreiber Alexander-Stift. Der Weg dahin steht derzeit auf dem Prüfstand – und löst Diskussionen aus. Eine Lösung ist allerdings noch nicht in Sicht.

Bis 31. Juli 2026 darf die Adresse des Alten- und Pflegeheims in Unterweissach noch Brüdenwiesen 7-9 lauten. Archivfoto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Bis 31. Juli 2026 darf die Adresse des Alten- und Pflegeheims in Unterweissach noch Brüdenwiesen 7-9 lauten. Archivfoto: Alexander Becher

Von Melanie Maier

Weissach im Tal. Was die Entwicklung der Gemeinde Weissach im Tal angeht, gibt es momentan kein Thema, das die Gemüter so sehr umtreibt wie der Weiterbetrieb des Pflege- und Altenheims in Unterweissach nach dem Jahr 2026. In der jüngsten Ausgabe des Nachrichtenblatts hat Bürgermeister Daniel Bogner sich deshalb direkt an die Bürgerinnen und Bürger gewandt. Es sei der Verwaltung „ein Anliegen diese Problemstellung sowie das Handeln der Gemeinde möglichst transparent und nachvollziehbar zu kommunizieren“, heißt es in dem Text, der auch auf der gemeindeeigenen Webseite veröffentlicht worden ist. Er soll die komplexe Situation vermitteln, die den Weg zu einer raschen Lösung im Fall des Pflegeheims erschwert.

Die Eigentümer entscheiden darüber, wie es mit dem Heim weitergehen wird

Die Lage sieht so aus: Das Pflegeheim gehört zwei Eigentümergemeinschaften mit insgesamt mehr als 40 Parteien (darunter auch die Gemeinde Weissach im Tal mit zwei Einzelzimmern). Diese müssen entscheiden, ob das Heim umgebaut werden soll oder nicht. Das Problem: Die Kosten für den Umbau müssten die Eigentümer tragen. Bürgermeister Bogner rechnet dabei mit rund 50000 bis 100000 Euro je Partei – eine Summe, die wohl nicht alle Eigentümer stemmen könnten. Ohne Umbau kann das Heim jedoch nicht weiterbetrieben werden. Das liegt an den Vorgaben der Landesheimbauverordnung (siehe Infotext), die das Heim teilweise nicht erfüllt. Vor allem gehe es dabei um Zimmergrößen, erklärt Bogner. Teils werde die Mindestzimmergröße von 16 Quadratmeter je Einzelzimmer (mit Vorraum) zwar nur um wenige Zentimeter unterschritten. In anderen Fällen sei die Differenz aber so groß, dass wohl keine Ausnahme erwirkt werden könnte. Zudem fehlen etwa 70 Quadratmeter Gemeinschaftsfläche. Und auch weitere Standards, die beispielsweise die Barrierefreiheit betreffen, werden nicht erfüllt.

Theoretisch hätten die Vorgaben bereits bis zum 31. August 2019 umgesetzt werden müssen. Das Alexander-Stift konnte aber eine Verlängerung der Übergangsfrist bis 31. Juli 2026 bei der Heimaufsicht des Landratsamts erreichen. Die Dauer richtet sich im konkreten Fall nach dem längsten Mietvertrag im Gebäude. Das Alexander-Stift könnte sich Pressesprecher Steffen Wilhelm zufolge vorstellen, eine weitere Verlängerung zu beantragen (dafür ist der Betreiber und nicht der Eigentümer zuständig). „Aber nur unter der Voraussetzung, dass zeitgleich ein konkretes Zukunftskonzept vorgelegt wird – entweder für einen Umbau mit der verbindlichen Investitionszusage der Eigentümer oder für einen Neubau an anderer Stelle in Verbindung mit einer konkreten Zeitschiene, bis wann der Betrieb aufgenommen werden könnte und nachgewiesen durch einen Mietvertrag mit dem Investor oder den Investoren.“

Bestimmte Mindeststandards müssen gelten, abgesehen davon ist Kreativität gefragt

Das wäre wohl auch die Voraussetzung dafür, dass der Antrag überhaupt Aussicht auf Erfolg haben könnte. Denn ohne ein neues Kriterium (wie Umbaumaßnahmen) könnte die Heimaufsicht die Frist nicht erneut verlängern, erklärt Roman Böhnke. Er leitet das Ordnungsamt des Landratsamts, zu dem auch der Bereich Heimaufsicht gehört. „In dem Fall ist tatsächlich schon das Äußerste erwirkt worden.“

Eine weitere Möglichkeit, das Heim am selben Standort weiter zu betreiben, bietet Paragraf 6 der Landesheimbauverordnung. Ihm zufolge kann die zuständige Behörde, also die Heimaufsicht, auf Antrag des Betreibers hin ganz oder teilweise Befreiungen von der Verordnung erteilen, solange diese mit den Interessen und Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner vereinbar sind.

Gespräche darüber, was in Weissach machbar wäre, seien mit dem Alexander-Stift schon geführt worden, teilt Böhnke mit. Bestimmte Mindeststandards müssten selbstredend auch dabei eingehalten werden. Abgesehen davon könne man aber kreativ werden. Als Lösung für die fehlenden Gemeinschaftsräume sei zum Beispiel ein Anbau in Form eines Wintergartens ins Spiel gebracht worden. Manche der zu kleinen Zimmer könnten etwa zu Putzräumen umfunktioniert werden, bei anderen wäre es eventuell möglich, Wände zu versetzen und sie so zu vergrößern. Bei ein paar wenigen könnte die Heimaufsicht sogar ein Auge zudrücken, wenn der Unterschied zur gewünschten Mindestgröße nicht allzu groß ausfallen würde. „Es gibt selten Heime, die komplett unrettbar sind“, sagt Böhnke.

Würden die Eigentümer, deren Zimmer wegfallen, einem Umbau zustimmen?

Das große Problem stellt auch in diesem Punkt das Modell dar, das dem Alexander-Stift zugrunde liegt. Dadurch, dass das Heim keinem Einzelinvestor, sondern zwei Eigentümergemeinschaften gehört, ergeben sich wichtige Fragen: Würden diejenigen Eigentümer, deren Zimmer nach einem teilweisen oder kompletten Umbau nicht mehr zur Pflege genutzt werden könnten, diesem überhaupt zustimmen? Und falls ja: Wie würden sie von den anderen Eigentümern für die Aufgabe ihrer Zimmer entschädigt?

Dazu kommt eine weitere Problematik: Der Betreiber braucht eine Mindestanzahl von Zimmern, damit sich der Betrieb für ihn wirtschaftlich lohnt. Das Alexander-Stift geht dabei von mindestens 45 Plätzen aus. Aktuell hat das Heim in Unterweissach noch 50 Plätze, fünf Doppelzimmer sind aufgrund der Landesheimbauverordnung schon weggefallen. Selbst wenn der Ermessensspielraum für einige Zimmer in Betracht käme, würden ohne einen Umbau maximal 23 Zimmer übrig bleiben, weiß Sprecher Steffen Wilhelm. Zu wenige also. Und mit Blick auf den demografischen Wandel würden in Unterweissach ohnehin eher 70 bis 75 Plätze benötigt.

Nicht zuletzt: ein Antrag auf die Befreiung der Vorgaben kann frühestens zwei Jahre vor Ablauf der Übergangsfrist, sprich am 31. Juli 2024, gestellt werden. „Das hängt wohl damit zusammen, dass die Heimaufsicht mit einer Vielzahl von Anträgen konfrontiert ist und priorisieren muss, in welcher Reihenfolge die Anträge bearbeitet werden können“, erklärt Wilhelm. Zwar sei das Alexander-Stift bereit, den Antrag zu stellen. „Voraussetzung wäre allerdings die verbindliche Zusage der Eigentümer, dass sie den Umbau stemmen und in den Standort investieren wollen und ein Zukunftskonzept, in dem genau beschrieben ist, wie die Voraussetzungen zukünftig erfüllt werden sollen“, führt Wilhelm aus. Das Alexander-Stift habe auf jeden Fall großes Interesse, das Heim weiterzubetreiben. Wie es weitergehe, liege an den Eigentümern.

Das betont auch Bürgermeister Bogner. Die Gemeinde könne nur den Rahmen dafür schaffen. Verschiedene Möglichkeiten, den Pflegestandort zu erhalten, würden derzeit geprüft. Eine erste, ein Neubau unterhalb des aktuellen Heims, stieß kürzlich schon auf heftige Kritik, weil das Grundstück im Hochwasserbereich liegt.

Bei dem Hochwasser 2011 stand die Fläche unterhalb des Pflegeheims (Gebäudekomplex rechts) unter Wasser. Foto: Dorothea Seifert

Bei dem Hochwasser 2011 stand die Fläche unterhalb des Pflegeheims (Gebäudekomplex rechts) unter Wasser. Foto: Dorothea Seifert

Die Landesheimbauverordnung: Hintergründe und Kritik

Verordnung Die Landesheimbauverordnung von 2009 regelt die Qualität des Wohnens in stationären Einrichtungen. Sie soll sicherstellen, dass in allen Alten- und Pflegeheimen im Land derselbe Standard gilt.

Umsetzung Für nach 2009 gebaute Heime galt die Verordnung unmittelbar. Für ältere Einrichtungen bestand eine zehnjährige Übergangsfrist. Diese konnte in besonderen Fällen auf bis zu 25 Jahre verlängert werden. Im Mai 2018 wurden außerdem ermessenslenkende Richtlinien zur Landesheimbauverordnung verabschiedet. Sie ermöglichen unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von der Verordnung. Die Entscheidung im Einzelfall liegt bei der Heimaufsichtsbehörde.

Kritik Träger und Pflegeverbände kritisieren, dass die Verordnung in der Form nur in Baden-Württemberg auch für Bestandsgebäude gilt. Auch Jens Steinat wandte sich kürzlich als Hausarzt und Stiftungsratsmitglied der Stiftung Altenheime Backnang und Wildberg an mehrere Amtsträger in der Politik und forderte eine
Anpassung der Verordnung vor dem Hintergrund aktueller Krisen. Der Bedarf an Pflegeheimplätzen werde künftig steigen, pragmatische Lösungen seien gefragt. Da die Verordnung schon in mehreren Fällen zu Schließungen von Heimen geführt hat, hegt Bürgermeister Daniel Bogner allerdings keine große Hoffnung auf eine solche Lösung für die Situation in Weissach.

Zum Artikel

Erstellt:
9. Februar 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen