Luft- und Raumfahrt
Die Flughöhe der Firmen nimmt zu
Die Unternehmen suchen wieder mehr Mitarbeiter, die Auftragsbücher füllen sich. Und einem Start-up gelingt ein Erfolg mit einer ganz besonderen Rakete.
Von Ulrich Schreyer
Die Luft- und Raumfahrtindustrie in Baden-Württemberg erholt sich nach der Coronakrise. Die Zuversicht wächst.
Bei Recaro Aircraft Seating in Schwäbisch Hall geht es wieder aufwärts. „Wir stellen ein und es gelingt uns auch, alle Positionen zu besetzen“, berichtet Mark Hiller, der Vorsitzende der Geschäftsführung. Der Hersteller von Flugzeugsitzen beschäftigt aktuell 2600 Mitarbeiter, davon die Hälfte an seinem Firmensitz. Vor Corona lag der Umsatz bei rund 720 Millionen Euro, 2023 wurden 510 Millionen Euro erreicht. „Für 2024 rechnen wir mit einem deutlichen zweistelligen Wachstum“, sagt Hiller. Auch die Zahl der Mitarbeiter nimmt zu, liegt aber noch etwas unter dem Wert von vor der Pandemie: Damals waren 2750 Beschäftigte für das Unternehmen tätig. „Sowohl in Europa als auch in Amerika und Asien werden wieder sehr viel mehr Flugzeuge bestellt. Deshalb steigt auch die Nachfrage nach Sitzen“, sagt der Firmenchef. „Spätestens übernächstes Jahr wollen wir beim Umsatz wieder auf dem Niveau von vor Corona liegen“, so der Plan von Hiller.
Tesat Spacecom – Aufträge auf Höhenflug
Auch anderswo werden wieder Mitarbeiter eingestellt: „Wir haben in den letzten vier Jahren 200 neue Stellen besetzt“, sagt eine Sprecherin von Tesat-Spacecom in Backnang. Aktuell beschäftigt der Hersteller von Laser Communication Terminals für Satelliten 1200 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Der Umsatz, vor fünf Jahren noch bei 220 Millionen Euro, hat im vergangenen Jahr 300 Millionen Euro erreicht. Und auch die Auftragseingänge zeigen nach oben: Orders für 350 Millionen Euro konnten 2023 verbucht werden, dieses Jahr wird mit 450 Millionen Euro gerechnet. Zu den Kunden gehören sowohl Flugzeugbauer wie Airbus oder Boeing, aber auch große Satellitenhersteller. Tesat Spacecom gehört zur Airbusgruppe und damit zum Bereich Airbus Defence and Space. In Friedrichshafen sind bei dem Unternehmen 2000 Beschäftigte tätig. Diese entwickeln etwa Satelliten für die Erdbeobachtung, die Navigation oder die Weltraumforschung. Außerdem werden dort militärische Aufklärungs- und Überwachungssysteme hergestellt. Weltweit beschäftigte Airbus Defence and Space 2023 mehr als 35 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, fast 1200 mehr als im Jahr zuvor. Der Umsatz stieg im ersten Halbjahr 2024 von 4,6 auf 4,9 Milliarden Euro. „Aufgrund der aktuellen geopolitischen Konflikte steigt auch bei uns die Zahl der Auftragseingänge“, sagte ein Sprecher.
Hensoldt Optronics – stark im Rüstungsgeschäft
Bei Hensoldt Optronics in Oberkochen auf der Ostalb wurden in den vergangenen Jahren nach den Angaben eines Sprechers ebenfalls neue Stellen geschaffen. Inzwischen sind dort sowie an zwei Standorten in Aalen 800 Beschäftigte tätig. Weitere Einstellungen seien geplant. Der Wettbewerb um Fachkräfte sei allerdings hart. Zum Umsatz des Konzerns mit Hauptsitz in Taufkirchen von 1,85 Milliarden habe der Bereich Optronics wesentlich beigetragen. In diesem werden etwa Nachtsichtgeräte, Sehrohre oder Wärmebildsysteme hergestellt. Für 2024 rechnet das Unternehmen mit weiterem Wachstum. Dazu würden Aufrüstungsprogramme der Nato und die Nachfrage wegen des Kriegs in der Ukraine beitragen. Auch Aufträge aus der Halbleiterindustrie brächten Impulse.
Johann Maier – ein Mittelständler mischt mit
Ein typischer Mittelständler ist die Firma Johann Maier aus Stuttgart. Der Hersteller von Spezialschrauben beschäftigt aktuell 145 Mitarbeiter und plant für 2024 einen Umsatz von 23 Millionen Euro, etwas mehr als im vergangenen Jahr. Die Hälfte des Umsatzes wird mit der Luft- und Raumfahrtindustrie erzielt. Allerdings: „Der Beschaffungsmarkt ist stark angespannt“, sagt Geschäftsführer Florian Maier – weil die Luftfahrtbranche wieder wächst, auch wegen Lieferungen an das Militär. Zudem seien Lieferzeiten und Preise gestiegen.
HyImpulse – Raketen für mehr als einen Start
HyImpulse, ein Start-up aus Neuenstadt am Kocher bei Heilbronn, hat es geschafft: Anfang Mai schoss das Unternehmen von einem Standort in Südaustralien nicht nur eine zwölf Meter hohe Rakete in den Himmel – es gelang auch, diese an einem Fallschirm wieder unversehrt auf die Erde zurückzubringen. HyImpulse setzt auf Raketen, die kleinere Satelliten in den Weltraum transportieren können. Für die Testrakete waren zunächst nur 60 Kilometer Höhe geplant, später sollen einmal bis zu 500 Kilometer erreicht werden. Das 2018 gegründete Start-up benutzt einen besonderen Brennstoff: Paraffin, also Kerzenwachs. Dieser sei wesentlich preisgünstiger als andere Brennstoffe. Dadurch könnten die Transportkosten für die Nutzlast deutlich reduziert werden. Finanziert wird das Unternehmen durch einen Investor, aber auch die Gründer sind mit von der Partie. Beschäftigt werden 65 Mitarbeiter. In den Büchern stehen Aufträge in Höhe von 100 Millionen Euro, wichtige Kunden sind Betreiber von Kommunikationssatelliten. Der erste nennenswerte Umsatz soll 2026 entstehen. „Von 2032 an rechnen wir mit einem Jahresumsatz von 700 Millionen Euro“, meint Geschäftsführer und Mitgründer Christian Schmierer.