Die Gesänge der Wechselkröte
Der Steinbruch Lukas Gläser in Zwingelhausen hat sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem vielseitigen Biotop entwickelt. Verschiedene Vogelarten und die größte Wechselkrötenpopulation im Kreis sind dort zu finden.

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Über 40 Teilnehmer waren der Einladung gefolgt, sich im Steinbruch in Zwingelhausen auf die Spuren der tierischen Bewohner zu machen. Foto: Tobias Sellmaier
Von Simone Schneider-Seebeck
Kirchberg an der Murr. „Er singt wie Caruso“, sagt Gemeinde- und Kreisrätin Gudrun Wilhelm mit einem Augenzwinkern. Die Rede ist nicht von einem Vogel – nein, wer sie mit seinem Gesang in Begeisterung versetzt hat, ist ein vierbeiniger Wasserbewohner, der in Baden-Württemberg als stark gefährdet gilt: Bufo viridis, die Wechselkröte. An sich eher unscheinbar, macht sich diese Amphibie für gewöhnlich in ihrem Verbreitungsgebiet nicht groß bemerkbar. Außer nach dem Ablaichen. Ob sie diese Anstrengung mit Stolz und Freude erfüllt und sie das laut in die Welt hinausposaunen möchte? Man weiß es nicht.
Vor einigen Jahren war Wilhelm zugegen gewesen, als eine Gruppe um den damaligen Landrat Johannes Fuchs ein neu angelegtes Biotop im Steinbruch Gläser in Kirchberg-Zwingelhausen besichtigte. Just zu dieser Zeit liefen die ortsansässigen Wechselkröten zu Hochform auf und bezauberten die Kirchbergerin. Allerdings waren die Tiere damals noch etwas weiter oben im Steinbruch ansässig, beim Rundgang um das Gelände waren sie außerhalb gut zu hören. Doch irgendwann verstummten die Frühlingsgesänge, die Kröten hatten sich einen neuen Platz weiter unten ausgesucht. Kurz entschlossen suchte die Rätin den Kontakt mit den Gesellschaftern, und Cersten Pfisterer sagte spontan zu, eine Besuchsgruppe des Vereins Politik mit Frauen, dessen Gründungspräsidentin Gudrun Wilhelm ist, zu den neuen Laichgewässern zu führen, sobald mit einem neuerlichen Krötenkonzert zu rechnen sei.
Und nun ist es soweit: Über vierzig Teilnehmer sind der Einladung zum Besuch der Wechselkröte gefolgt und marschieren an diesem lauen Frühlingsabend im Juni strammen Schrittes bis in die Tiefen des Steinbruchs. „Richtet euch auf Romantik ein. Das ist etwas ganz Besonderes“, freut sich die Initiatorin. Ganz am Boden des Steinbruchs, über 100 Meter unterhalb der Abbruchkante am Waldrand, liegt das Ziel: ein lang gezogener Tümpel, links steigt ein bewachsener Hang empor, rechts befindet sich eine Begrenzung durch gerade Felswände. An manchen Stellen schimmert das Gestein dunkel. Hier drückt der Wüstenbach durch. Kaum zu glauben, in dieser Höhe. Dieses Wasser werde jedoch wieder zurückgepumpt in den Bach, erklärt Geologe Günter Miksch, seit 14 Jahren bei der Steinbruchfirma Gläser beschäftigt. Fast könnte man sagen, er lebt den Steinbruch. Auf jede Frage weiß er eine Antwort und spricht mit großer Leidenschaft über das Gelände. Dabei kennt er sich nicht nur mit den verschiedenen Gesteinsarten aus, sondern auch mit der Tierwelt: „Der Steinbruch ist ein tolles Zuhause für viele Tierarten.“
Seit 14 Jahren etwa ist hier ein Uhu ansässig, Bussarde und Milane nutzen die Thermik für ihre Suche nach Nahrung. Verschiedene Singvögel geben sich ein Stelldichein, wie man hört, auch Eidechsen sind hier ansässig, Grillen zirpen. Im Pumpensumpf neben dem Krötentümpel ziehen Karpfen ihre Runden. Wildromantisch sieht es hier im Abendsonnenschein aus, die Teilnehmer sind begeistert. Und beginnen zu lauschen.
Mit dem Handy wird das Krötenkonzert aufgenommen
Zunächst ist nur das ausdauernde Gurren einer Taube zu hören, die sich an den hiesigen Steinwänden auch ausgesprochen wohlfühlt. Und dann auf einmal ein zaghaftes Trillern. War das der wasserliebende Caruso? Dann ist es nochmals zu hören und Günter Miksch bestätigt: „Das war sie.“ Eifrig wird nach dem Urheber des Trillerns gesucht, doch der hat sich irgendwo am Ufer gut versteckt. Egal – Mobiltelefone werden gezückt, der Gesang wird aufgenommen. Offenbar haben die Tierchen ihre Scheu vor den Zuhörern verloren. Immer wieder erklingt das Trillern, manchmal sogar mit kunstvollen Variationen. „Die Hauptpopulation im gesamten Landkreis befindet sich hier“, erklärt Betriebsleiter Günter Miksch. „Die Wechselkröte lebt nur in offenen Gewässern ohne Bewuchs, denn da gibt es keine Fressfeinde.“ Allerdings gebe es seit einiger Zeit Waschbären, man habe Handabdrücke gefunden: „Die greifen gern bei den Kröten zu.“ Und sobald es mit Bewuchs losgeht, kommen die Libellen, die sich an Laich und Kaulquappen gütlich tun. Bis sich die Kröte wieder einen neuen Wohnraum erschließen muss.
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Im Steinbruch in Kirchberg-Zwingelhausen ist ein seltener Bewohner zu Hause: Die Wechselkröte. Die Wechselkröte ist das Amphibium des Jahres 2022. stock.adobe/H.P.Eckstein

Ideale Gewässer Die Gesteinsschichten sind kaum wasserdurchlässig, es läuft immer parallel zu den Schichten durch. Baut man nun Gestein ab und hinterlässt eine Ebene mit Gefälle und seitlicher Begrenzung, dann sammelt sich dort das Wasser und bleibt auch stehen, da es nicht weiter abfließen kann. „Kröten brauchen Rohboden und unbewachsene Wasserflächen, die flach auslaufen und etwas Sonne haben, damit sich die Kaulquappen entwickeln können“, so Betriebsleiter Günter Miksch. „Sobald Bewuchs entsteht, kommen Insektenlarven. Diese ernähren sich vom Krötennachwuchs.“ Dann sucht sich Bufo viridis, die Wechselkröte, eine neue Heimstatt.
Nicht nur Kröten Zahlreiche andere Tierarten fühlen sich hier wohl. So wurden neben Eidechsen und verschiedenen Vögeln auch Hasen, Rehe und Füchse gesichtet.
Amphibium des Jahres 2022 Nur alle zwei bis drei Jahre wandert die weibliche Wechselkröte an ihren Laichplatz zurück. Mit dem Laichen ist sie im Vergleich zu anderen Kröten und Fröschen spät dran, etwa Mitte April bis in den Juni hinein. Bis zu zehn Zentimeter wird das Männchen groß, das Weibchen auch größer. Bis zu 15 Jahre alte Wechselkröten sind keine Seltenheit. Vom Farbton her seien sie unverwechselbar, sagt Jochen Schäufele vom Nabu Aspach: „Die hat einen Tarnanzug an.“ Mit grünlichen Camouflageflecken auf weiß-gräulicher Grundfarbe.