Die Kirche – ein Schlachtfeld

Der Papst ruft zum Krisengipfel nach Rom, aber allzu viele beschädigen seine Autorität

Kirche und Missbrauch -

München Als Papst Franziskus sein Amt antrat, beschrieb er die Kirche als ein „Feldlazarett“. Offen, voller Barmherzigkeit sollte sie sein für Menschen, die ihre von Welt und Leben (und Kirche) geschlagenen Wunden behandeln lassen wollten. Heute, sechs Jahre danach, gleicht die katholische Kirche dem, was sie eigentlich heilen sollte. Sie ist ein Schlachtfeld geworden. Tief zerfurcht das Terrain von den Granaten immer neuer Missbrauchsmeldungen aus allen Kontinenten, desertierendes Fußvolk, die einst im Kampf gegen eine „feindliche Welt“ so geordnete Schlachtreihen in heller Auflösung. Und wohin gehen? Keiner weiß es.

Zwischen den Truppenteilen hetzen Emissäre mit Strategiepapieren und in verschiedenste Richtungen strebender Besserwisserei hin und her; die Offiziere, wenn nicht diskreditiert, stehen herum. Und gerade diejenigen, die früher immer strenge Folgsamkeit gegenüber dem General als das entscheidend Katholische propagiert haben, sie blasen nun zum Aufstand gegen Franziskus. Dieser Papst übe Hochverrat an der wahren Lehre, führe die Gläubigen in die Irre. Und wenn nicht er vorangehe, dann müssten es andere tun. So steht es ziemlich unverhohlen im „Glaubensmanifest“, das Kardinal Gerhard Ludwig Müller jetzt vorgelegt hat – der frühere Chef der Glaubenskongregation, den Franziskus wegen gravierender Illoyalität im Amt gefeuert hat.

Müller ist nicht der einzige Kardinal, der diesen Papst so schnell wie möglich loshaben will. Und die Rechthaber-Fronde in Rom ist auch nicht die einzige in der Kirche. Von den Schlachten um Franziskus, wie sie derzeit unter amerikanischen Bischöfen toben, hat man in Deutschland schlicht keine Vorstellung. Da hat eine Kirche infolge ihrer fortgesetzten, massenhaften, vertuschten Missbrauchs­taten den Boden unter den Füßen verloren. Immer wieder werden Oberhirten als verstrickt entlarvt. Wem sie wirklich trauen können, wissen oft nicht einmal die eigenen Amtsbrüder. Und so sucht man in der eigenen Desorientierung den Feind außerhalb. Man findet ihn – wohlfeil – in einem Papst, der auch noch die unverzeihliche Sünde begangen hat, scharf gegen das kapitalistisch-neoliberale System zu schießen („Diese Wirtschaft tötet!“). Und in der Nähe von Rom hat bereits Steve Bannon eine Strategiezentrale eingerichtet, wo er auch bereits konservative Kardinäle hofiert. Man darf annehmen, dass der frühere Trump-Stratege mit seinen bewährten Waffen nun auch gegen Franziskus vorgeht: mit gezielter Des- und Falschinformation. Hochprofessionell. Und diabolisch.

Franziskus weiß ja jetzt schon nicht mehr, wem er vertrauen kann. Von den neun Kardinälen, die er 2013 in seinen engsten Beraterkreis zur Kirchenreform geholt hat, mussten drei inzwischen ausscheiden, weil sich herausgestellt hat, dass sie daheim Leichen im Keller haben. Der Australier George Pell ist mittlerweile sogar direkt wegen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt. Von Bischöfen, die tagtäglich die Wahrheit des Evangeliums (laut katholischer Lehre authentisch) predigen, sollte man Ehrlichkeit erwarten dürfen. Wer den Papst belügt oder ihn hintergeht, der übt nicht nur – hier ist das Wort angebracht – Verrat an Franziskus, sondern am Prinzip der katholischen Kirche. Gleiches tut, wer wie Gerhard Ludwig Müller laut alle möglichen „katholischen Wahrheiten“ verbreitet – den Gehorsam gegenüber dem Papst aber zu erwähnen vergisst.

Das also ist die Situation, in der diese Woche der Weltbischofsgipfel stattfindet. Überflüssig zu sagen, dass er nicht einmal das Problem lösen wird, für das Franziskus ihn einberufen hat: den klerikalen Missbrauch von jungen Leuten.https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.katholische-kirche-lernen-aus-einem-debakel.529bcc74-caf7-4074-bfa6-3ed5ee0d921a.htmlhttps://www.stuttgarter-nachrichten.de/thema/Papst_Franziskus

paul.kreiner@stzn.de

Zum Artikel

Erstellt:
19. Februar 2019, 03:04 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen