Die Schulleitung wird zur Teamaufgabe

Kann für eine Schule kein neuer Schulleiter gefunden werden, muss jemand aus dem Kollegium kommissarisch einspringen. In den Grundschulen in Unterweissach und in Kirchberg an der Murr geht man die vielen Herausforderungen als Schulleitungsteam an.

Sabine Brix, Susanne Hermann und Simone Nossek (von links) führen die Schule an der Weissach nun gemeinsam. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Sabine Brix, Susanne Hermann und Simone Nossek (von links) führen die Schule an der Weissach nun gemeinsam. Foto: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Rems-Murr. In ganz Baden-Württemberg macht den Schulen nicht nur der Lehrermangel zu schaffen. Immer häufiger bleibt auch die Leitungsstelle an Schulen unbesetzt. Laut Kultusministerium konnten 225 Schulleiterstellen im Land nicht regulär besetzt werden, das entspricht etwa 5,9 Prozent aller Schulen. Im Vergleich dazu steht der Raum Backnang noch ganz gut da, aktuell sind drei Führungspositionen nicht besetzt, sodass diese kommissarisch geleitet werden müssen: das Heinrich-von-Zügel-Gymnasium in Murrhardt, welches nun schon das zweite Schuljahr in Folge kommissarisch geleitet wird, sowie die Grundschulen Kirchberg an der Murr und die Schule an der Weissach. Hier mussten die dienstältesten Lehrkräfte einspringen.

„Zunächst sah ich der neuen Aufgabe sehr skeptisch entgegen“, gibt Susanne Hermann zu. „Da ich mich aber aus eigenem Antrieb nie für eine Schulleitungsstelle beworben hätte, bin ich sehr froh, dass ich Unterstützung bekomme.“ Denn sie wird die Unterweissacher Grundschule nicht alleine leiten, sondern im Team mit ihren Kolleginnen Simone Nossek und Sabine Brix. Diese übernehmen mit je fünf Stunden pro Woche eigene Aufgabenbereiche. Dabei werden nicht nur Aufgaben aufgeteilt, sondern auch die Verantwortung wird geteilt, wie Simone Nossek betont: „Das Team gibt Rückhalt und Sicherheit beim Finden gemeinsamer Entscheidungen.“

Fluten von E-Mails, Befragungen, Fortbildungen und Organisatorischem

Trotzdem musste das Team sich schon in den ersten Schulwochen um Dinge kümmern, die ihm komplett neu waren. Zum Beispiel fehlten mehrere Lehrkräfte krankheitsbedingt, sodass vieles zusätzlich geregelt werden musste. „Zudem gibt es Fluten von E-Mails zu lesen, auszusortieren, Online-Befragungen wollen beantwortet werden, Fortbildungen, Materialien, neue Lesestrategien... eine Flut, die kaum zu bewältigen ist“, sagt Hermann. Dass die Stelle in Unterweissach nicht besetzt werden konnte, liegt wohl daran, dass die Stelle erst kurz vor den Sommerferien ausgeschrieben wurde, weil die ehemalige Schulleiterin Heike Mang an eine andere Schule gewechselt war. Zuvor habe Mang das kommissarische Leitungsteam aber vorzubereiten versucht, unter anderem mit vielen zusätzlichen Treffen – auch in den Ferien. Außerdem sei die Unterstützung durch das Schulamt sehr gut, meint Hermann. „Unsere Schulrätin führte ein wohlwollendes und ermutigendes Gespräch mit uns. Sie entlastete uns mit der Parole ‚Einfach die Schule am Laufen halten‘ – darum bemühen wir uns und das ist uns bis jetzt auch gelungen.“

Außerdem stehe das Schulamt bei rechtlichen und kniffligen Fragen zur Seite. Eine konkrete Weiterbildung für die Leitungsposition haben die drei bisher nicht gemacht, auch weil niemand erwartet hatte, dass es zu dieser Situation kommen würde. „Die Weiterbildung findet im Alltag statt, in den täglichen Notwendigkeiten“, so Hermann. Auch gebe es für die Stelle in Unterweissach bereits Interessenten. „Und ich gehe davon aus, dass wir sie bald wieder besetzen können“, zeigt sich Schulamtsleiterin Sabine Hagenmüller-Gehring zuversichtlich. Nicht ganz so positiv ist die Situation in Kirchberg an der Murr. Hier gab es schon im vergangenen Schuljahr eine kommissarische Leitung (wir berichteten). Während aber andere offenen Stellen besetzt werden konnten – in Auenwald übernahm zum Beispiel Jutta Fußnegger die Leitungsstelle, die sie im vergangenen Jahr bereits kommissarisch ausgeführt hatte – bleibt die Grundschule in Kirchberg tatsächlich die einzige Schule im Kreis, für die es bislang keine Bewerber gab.

„Weshalb das so ist, können wir uns im Schulamt nicht erklären. Es ist eine sehr attraktive Schule mit einem engagierten Kollegium und einem sehr schulfreundlichen Schulträger“, sagt Hagenmüller-Gehring. Sie hoffe, bald Bewerber zu finden. Bis dahin kümmern sich Christian Engelhard und Moritz Hofstetter um die Leitungsaufgaben. Auch sie haben sich entschieden, die Aufgaben weiterhin im Team anzugehen. Im vergangenen Schuljahr bildeten sie mit Katja Haisch ebenfalls ein Dreierteam. „Das lief hervorragend, wir konnten die Aufgaben gut verteilen. Das war zwar eine Notlösung, hat aber gut funktioniert“, blickt Engelhard zurück.

Regelmäßige Kommunikation im Schulleitungsteam ist besonders wichtig

Trotzdem seien die Zusatzaufgaben nicht zu unterschätzen. Da diese zum Teil unglaubliche Zeitfresser seien, habe sich Haisch wieder aus dem Leitungsteam zurückgezogen. Gespräche und Besprechungen, ständige Evaluationen, Unterrichtsplanung und viele weitere organisatorische Aufgaben rauben Zeit. „Wenn man dazu noch eine Klassenleitung hat, bleibt kaum Zeit für die Unterrichtsvorbereitung“, erklärt Engelhard. Als wichtig hat sich die Kommunikation im Schulleitungsteam herausgestellt. Als Tipp für andere Teams gibt er deshalb: „Regelmäßig treffen und besprechen. Das dient der Rückversicherung und der Kommunikation.“ Gerade auch, weil das Kollegium mit Anliegen immer wieder auf unterschiedliche Personen im Dreierteam zugegangen sei. Ebenso wichtig war für Engelhard auch die Kommunikation mit dem Schulamt. „Da haben wir viel Beratung und Unterstützung erhalten, um die Praxis zu schaffen. Wenn es zum Beispiel um Schulrecht ging oder darum, mit Eltern schwieriger Kinder zu sprechen.“

Wie es in der Kirchberger Grundschule im nächsten Schuljahr weitergehen wird, steht allerdings noch vollkommen offen. Denn Engelhard wird sich zum Endes dieses Schuljahres in den Ruhestand verabschieden und ob sein Kollege Moritz Hofstetter sich dann ganz allein um die kommissarische Schulleitung kümmern will, das bezweifelt er. Deshalb mahnt er auch: „Beim Regierungspräsidium läuft alles immer weiter ganz traditionell mit Rektor und Konrektor. Dabei müssten die sich vielleicht offener zeigen für Teamlösungen und mehr Flexibilität ermöglichen.“

Trotz aller Herausforderungen gibt es aber auch Positives an der Leitungsfunktion: „Es ist eine Möglichkeit, Schule aus einem neuen Blickwinkel zu sehen. Und es ist eine Abwechslung zum Unterrichten“, sagt Sabine Brix. Auch Susanne Hermann freut sich auch darauf, dass man gestalten und schnell etwas in Bewegung bringen kann: „Positiv ist, dass man etwas am Schulklima verändern kann und dass Ecken, die schon lange stören, wieder auffallen und veränderbar sind mit ein wenig Hartnäckigkeit.“

Der Weg in die Schulleitung

Besetzung Schulamtsleiterin Sabine Hagenmüller-Gehring ist zuversichtlich, was zukünftige Stellenbesetzungen angeht, gibt aber auch zu bedenken: „Bei kleinen Schulen ist das schwieriger, weil die Schulleiter viel Unterrichtsverpflichtung haben und dennoch alle Aufgaben erledigen müssen, die auch Schulleiter von größeren Schulen zu erledigen haben.“ Auch die Bezahlung sei hier an weniger attraktiv.

Führungskräfte finden Das Schulamt investiere viel Zeit in die Führungskräfteentwicklung. Bei Infonachmittagen werden beispielsweise die Bewerbungsverfahren vorgestellt und es gibt die Gelegenheit, ganz konkret zu einzelnen freien oder frei werdenden Stellen ins Gespräch zu kommen.

Coaching Wer sich für eine Bewerbung entscheidet, hat viele Möglichkeiten, sich gezielt über Fortbildungen oder ein Coaching darauf vorzubereiten. Zum Beispiel bereitet der ehemalige Schulleiter Klaus Lindner auf das Überprüfungsverfahren vor, das Bewerber durchlaufen müssen, bevor sie eine Schulleiterstelle antreten können. Das sei wichtig, um zu sehen, ob die Bewerber dem Druck im Alltag standhalten, so Lindner. Auch werden Schulleiter zu Beginn eng begleitet.

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Erstellt:
27. September 2023, 06:00 Uhr

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