Die Schwaben stehen auf Berge

Deutscher Alpenverein wird 150 Jahre alt – Sektion Schwaben in Stuttgart ist Gründungsmitglied

Jubiläum - Wandern und Klettern liegen im Trend, auch im Verein: Der Deutsche Alpenverein (DAV) hat rund 1,2 Millionen Mitglieder, die Sektion Schwaben in Stuttgart ist der zweitgrößte Verein in Stuttgart nach dem VfB. 2019 feiert der DAV sein 150-jähriges Bestehen.

Stuttgart Man sagt den Schwaben ja eine gewisse Entdeckerlust nach, und in diesem Jahr rückt ein Beleg dafür in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Der Deutsche Alpenverein, am 9. Mai 1869 zunächst in München gegründet, feiert sein 150-jähriges Bestehen, und die Sektion Schwaben gleich mit. Die hat sich wenige Monate später am 28. Oktober im damaligen Damencafé an der Olgastraße zusammengefunden und gilt damit als eine von fünf Gründungssektionen des Dachverbands. Mitmachen durften wie bei so vielen Unternehmungen freilich zunächst mal nur Männer, zumal „wir damals wohl so eine Art Honoratiorenclub waren“, sagt der heutige, der 20. Vorsitzende Frank Boettiger. Auf Einladung des Alpinisten Theodor Harpprecht gründete ein Runde von elf Richtern, Professoren und anderen bedeutenden Bürgern die Sektion, beseelt nicht nur von den Bergen, sondern auch vom Drang, das Unbekannte zu entdecken. „Unter starken Leitsätzen wie ,Sturm auf die Alpen‘ ging es darum, Berge zu besteigen, auf denen noch keiner war“, sagt Boettiger.

Den Eroberern folgten viele andere mit der Liebe zu den Bergen – und sie errichteten Wanderwege, Klettersteige und Schutzhütten. Das ist ein Angebot, das auch im 150. Jahr des Bestehens rege genutzt wird. Mit rund 32 000 Mitgliedern ist die DAV-Sektion Schwaben die drittgrößte im Dachverband und der zweitgrößte Verein in Stuttgart – vor der DAV-Sektion Stuttgart mit rund 28 000 Mitgliedern. Wie bitte? Ja, in Stuttgart gibt es tatsächlichzwei Abteilungendes Alpenvereins, da sich im Jahre 1904 aus dem Sportverein MTV heraus ein Kletterverein gründete, der sich ebenfalls der Vorgängerorganisation des DAV anschloss. „Die Sektion Stuttgart hatte eher einen sportlichen Touch, die Schwaben hielten mehr auf Tradition“, nennt Boettiger einen Unterschied, „aber heute machen wir im Wesentlichen das Gleiche.“ Zum Beispiel betreiben die beiden Sektionen gleichberechtigt das DAV-Kletterzentrum auf der Waldau. Ein Zusammenschluss sei allerdings noch nie ernsthaft erwogen worden, so Boettiger, „aber eigentlich wäre das ein konsequenter Schritt“. Interessanterweise gibt es auch in München zwei Sektionen, die etwa gleich viele Mitglieder haben: München hat rund 139 500, Oberland nur ein paar Hundert weniger.

Den Jubilaren kommt entgegen, dass ihr Betätigungsfeld schwer im Trend liegt – und das nicht erst seit gestern. „Der Klettersport in all seinen Facettenboomtschon seit Jahren unglaublich“, sagt Boettiger, der gar nichts anderes als steigende Mitgliederzahlen kennt. „Immer mehr Menschen erkennen, dass das ein guter und gesunder Weg ist, sich bis ins Alter fit zu halten“, so Boettiger. Florian Mönich, als Geschäftsführer einer von zwölf Festangestellten der Geschäftsstelle neben der Eishalle in Degerloch, weiß auch, warum viele selbst dann im Verein bleiben, wenn sie dessen Angebote weniger nutzen: „Für 70 Euro im Jahr haben Sie eine Unfallversicherung, ein breites Angebot an Kursen und Vergünstigungen auf den Hütten auch unserer Partnerverbände.“ Der Bergsport ist zum Breitensport geworden.

Im 150. Jahr des Bestehens sind längstnicht mehr nur Hochalpinistenbeim DAV am Start. Es gibt eine Skiabteilung für Alpinfahrer, eine für Skitourengeher, eine für Freerider, eine Wandergruppe, eine für naturkundliche Exkursionen – der DAV versteht sich auch als Umweltorganisation –, aber eben auch eine für Wettkampfkletterer. Bei diesem Thema wird Boettiger selbstkritisch: „Den Kletterboom hat der DAV jahrelang verschlafen“, sagt der Vorsitzende. Beim Bouldern etwa, dem Sportklettern ohne Absicherung in geringer Höhe, habe man erst in jüngerer Zeit verstanden, dass „wir unseren Mitgliedern ein Angebot schaffen müssen“. Deshalb hat die Sektion Schwaben im vergangenen Jahr die privat betriebene BoulderhalleClimbmax in Zuffenhausenübernommen und betreibt sie nun als Rockerei. Auch in Aalen und Kirchheim/Teck hat sie Kletterhallen.

Bei den Hütten aber bleibt es beim aktuellen Angebot: Fünf bewirtete Hütten und eine für Selbstversorger mit 38 bis 180 Schlafplätzen gibt es in Österreich. Das reicht laut Boettiger auch für eine steigende Mitgliederzahl: „Die Alpen sind insgesamt gut mit Hütten versorgt, und die meisten sind ein sehr deutliches Zuschussgeschäft.“ Sprich: Der Verein soll sich auch nicht übernehmen. Außerdem gibt es drei Selbstversorgerhütten auf der Schwäbischen Alb. Österreich lag traditionell im Blick der schwäbischen Bergfreunde, da man in den Gründungsjahren in den wenig besiedelten Gebieten der inneren Alpen noch Gelegenheiten für Erstbesteigungen finden konnte.

Eine Lieblingsgegend will Sektionsgeschäftsführer Mönich nicht nennen. Frisch herausgeputzt ist das im Karwendelgebirge auf 1768 Meter gelegene Hallwangerhaus, das zuletzt modernisiert wurde. „Wenn Sie dort im Sonnenuntergang sitzen“, so Mönich, „und ins Isartal hinunterschauen, ist das einfach traumhaft.“ Das Gefühl, oben zu stehen, es auf den Berg geschafft zu haben – Mönich nennt es „Hoheitsgefühl“ –, das haben die heutigen DAV-Mitglieder wohl ähnlich wie einst die Gründerväter.

ff

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Erstellt:
22. Januar 2019, 09:52 Uhr

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