Die Stückle sollen neu verteilt werden
In der jüngsten Gemeinderatssitzung befürworten die Gemeinderäte das geplante Flurneuordnungsverfahren in Weissach im Tal. Im Zusammenhang mit dem Hochwasserrückhaltebecken Gruppenbach vor Cottenweiler sollen die Flächen demnächst umgeordnet werden. Das geht vor allem Stückle-Eigentümer etwas an.

Die geplante Gebietsabgrenzung am Rand von Cottenweiler betrifft geschätzte 200 bis 250 Stückle-Eigentümer. Foto: Gemeinde Weissach im Tal
Von Melanie Maier
WEISSACH IM TAL. Ungewöhnlich sei es, dass ein Gemeinderat so lange über die Befürwortung eines Flurneuordnungsverfahrens diskutiere, so Gerd Holzwarth in der jüngsten Gemeinderatssitzung in der Gemeindehalle in Unterweissach. Seit 2012 ist der Diplom-Vermessungsingenieur als leitender Fachbeamter Flurneuordnung im Landratsamt tätig, seit 2018 leitet er dort außerdem das Amt für Vermessung und Flurneuordnung.
Ende Juni präsentiert Holzwarth im Weissacher Gemeinderat, wie sich das Landratsamt das weitere Vorgehen bezüglich des Hochwasserrückhaltebeckens Gruppenbach vor Cottenweiler vorstellt. Die dort geplante Flurneuordnung betrifft nicht nur Weissach, sondern auch Allmersbach im Tal, wo der Gemeinderat bereits seine Zustimmung erteilt hat.
Im September 2020 informierte Claudia Kallning vom Amt für Vermessung und Flurneuordnung den Gemeinderat über das Verfahren, nachdem Bürgermeister Ian Schölzel es als Vorsitzender des Zweckverbands Hochwasserschutz Weissacher Tal in das Arbeitsprogramm der Verwaltung für Flurneuordnung und Landentwicklung 2021 aufgenommen und das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg dem Antrag zugestimmt hatte. Im September und November 2020 fanden zwei Bürgerbeteiligungen statt.
Was die Betroffenen interessiert: Was kostet uns das? Und wie viele Flächen müssen wir abgeben?
An diesen nahmen allerdings nur eine Handvoll Stückle-Eigentümer teil – was bei einem Flurneuordnungsverfahren sehr ungewöhnlich sei, betont Holzwarth. In anderen Gemeinden seien bei solchen Bürgerbeteiligungen 30 bis 40 Betroffene erschienen. Ob das geringe Interesse auf die Pandemie oder auf andere Ursachen zurückzuführen ist – das zu bestimmen ist müßig und bringt nicht weiter. Was jetzt eine Rolle spielt: Im Lauf der vergangenen Wochen habe das Interesse an dem Verfahren doch noch zugenommen, sagt Holzwarth. Was die Betroffenen am meisten interessiert: Was kostet das? Und wie viele Flächen müssen wir abgeben? Der Fachbeamte hat darauf zwei kurze Antworten: Nichts und keine. „Das Ziel ist, dass nach der Flurbereinigung dieselben Nutzer dieselben Flächengrößen bewirtschaften.“ Niemandem solle aus der Umverteilung ein Nachteil entstehen, da die Flächen vom Landratsamt auch hinsichtlich ihrer Qualität beurteilt werden. Auch an der Anordnung solle sich im Großen und Ganzen nur wenig ändern.
Die Gemeinderäte sind von alledem noch nicht komplett überzeugt – nicht, weil sie die Umsetzung nicht gutheißen, wie gleich mehrere betonen, sondern weil sie befürchten, dass die Bürger den Eindruck haben könnten, in dem Prozess nicht richtig mitgenommen worden zu sein. Nach Holzwarths Ausführungen meldet sich Thomas Heller (UBL) zu Wort. Vonseiten der Eigentümer gebe es noch viele Fragen, sagt er: „Die wären einfach gerne besser aufgeklärt worden.“ Die Information im Amtsblatt und das Anschreiben vom Hochwasserschutzverband hält er für nicht ausreichend.
Gerd Holzwarth verweist auf die Aufklärungsversammlung, die stattfinden soll, bevor das Verfahren eingeleitet wird. Die Grundstückseigentümer hätten überdies später noch die Möglichkeit, Widerspruch gegen die Zuteilung einzulegen.
Jan Hutzenlaub (LWB) sieht viele Vorteile in dem Verfahren, aber auch er meint: „Die Flurbereinigung hat ein Imageproblem.“ Die Gemeinde Weissach im Tal sei dafür bekannt, die Bürger mit ins Boot zu nehmen, sagt er. „Wäre es denn nicht möglich, noch eine Runde zu drehen und die Grundstückseigentümer anzuschreiben, bevor wir dem Verfahren zustimmen?“ Er wisse, dass der zeitliche Druck groß sei, könne sich jedoch vorstellen, dass die Zustimmung mit einer „Politik des Gehörtwerdens“ größer sei.
Die Möglichkeit, Fragen zu stellen, sei mit den Bürgerbeteiligungen dagewesen, sagt Holzwarth. „Ich hätte das auch gern in einem größeren Rahmen gemacht, aber ich kann nichts machen, wenn die Leute nicht kommen.“ Vom Gemeinderat wünsche er sich nun eine Richtungsweisung: „Sollen wir weitermachen oder nicht?“ Die Unterstützung der Verwaltung hat er. Man stehe kurz vor dem Baubeginn des neuen Rückhaltebeckens, so Ian Schölzel. „Als Vorsitzender des Zweckverbands Hochwasserschutz Weissacher Tal möchte ich dafür Sorge tragen, dass die Bauzeit nicht unterbrochen wird.“ Es wäre aber möglich, den Stückle-Eigentümer vor der Aufklärungsversammlung zu schreiben, „das wäre doch ein guter Kompromiss.“
Die Diskussion dreht sich noch eine Weile um die Frage, ob eine intensivere Beteiligung der Bürger noch möglich sei. Auf die Bitte von Carl Höfer (CDU/FWV) hin wird die Sitzung kurz unterbrochen, um den Fraktionen die Gelegenheit zu geben, ihre Position festzulegen. Bei der anschließenden Abstimmung stimmen Gunter Sanzenbacher (CDU/FWV) und Thomas Heller dagegen. Jörg Schaal (CDU/FWV) enthält sich. Nachdem das Gros der Gemeinderäte zugestimmt hat, kann es mit dem Verfahren weitergehen.
Das Landratsamt plant, in den Gemeinden Weissach im Tal und Allmersbach im Tal, genauer gesagt auf den Gemarkungen
Cottenweiler und Heutensbach, ein
vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren umzusetzen. Im Rahmen dieses Verfahrens sollen das Hochwasserrückhaltebecken neu vermessen und die Flurstücke in dem
Gebiet neu geordnet werden, da einige
für den Hochwasserschutz benötigt werden. Die betroffenen Stückle-Eigentümer sollen eine gleichwertige Fläche bekommen.
Das Flurbereinigungsgebiet umfasst voraussichtlich eine Fläche von ungefähr
55 Hektar. Für die Gemeinde entstehen durch das geplante Flurneuordnungsverfahren keine Kosten. Für das nunmehr siebte Hochwasserrückhaltebecken im Weissacher Tal selbst wird momentan mit einer Gesamtinvestitionssumme in Höhe von 2,63 Millionen Euro gerechnet.
Das Verfahren gliedert sich in vier Teile. Zur Einleitung des Verfahrens (Teil eins) gehören die frühe Beteiligung der Bürger und der Behörden, die Anordnung des Verfahrens sowie die Wahl des Vorstandes einer Teilnehmergesellschaft. Als Nächstes (Teil zwei) erfolgt eine Bestandserhebung mit ökologischen Untersuchungen auf dem Gebiet, außerdem wird der Wert der Grundstücke ermittelt. Bei der Neugestaltung des Verfahrensgebiets (Teil drei)
findet unter anderem ein Wunschtermin statt, bei dem die Stückle-Eigentümer ihre Wünsche und Vorstellungen äußern
können, eine vorläufige Besitzeinweisung sowie die Ausführung der Planung. Das Verfahren endet mit der Ausführungsanordnung, der Berichtigung der öffentlichen Bücher und einer Schlussfeststellung (Teil vier). Mehr Infos dazu findet man unter https://tinyurl.com/3b2jsywz.
Noch ist nichts in Stein gemeißelt. Vor der Anordnung des Verfahrens sollen die
Bürger im Rahmen einer Aufklärungsversammlung nochmals über das Vorgehen informiert werden. Sollte sich dabei großer Widerstand auftun, könnte Bürgermeister Ian Schölzel als Vorsitzender des Zweckverbands Hochwasserschutz Weissacher Tal den Antrag beim Landratsamt wieder
zurückziehen. Gerd Holzwarth vom Landratsamt geht jedoch davon aus, dass das nicht der Fall sein wird. Das Verfahren, sagt er, habe nur Vorteile für die Bürger. Er
rechnet mit einer großen Zustimmung. Die Karte mit den Eigentumsflächen (Foto)
findet man in hoher Auflösung unter https://tinyurl.com/e4y7uwxp.