Die süßen Früchtchen brauchen Sonne
Die perfekte Erdbeere muss appetitlich rot, glänzend und schön aromatisch sein. In diesem Jahr verzögert sich der Verkauf heimischer Früchte aus Freilandanbau rund um Backnang jedoch, was dem kühlen Wetter in April und Mai geschuldet ist.

© Jörg Fiedler
Die Erdbeersaison hat begonnen, wenngleich noch nicht mit richtiger Freilandware. Am Stand von Johannes Schaaf in der Sulzbacher Straße in Backnang verkaufen die Mitarbeiterinnen Marie-Luise Wanner (links) und Elvira Kindermann die süßen Früchte, die unter Folien gewachsen sind. Foto: J. Fiedler
Von Simone Schneider-Seebeck
BACKNANG. Die Nachfrage ist da, allein das Angebot passt noch nicht. „Es fehlen Wärme und Sonne“, heißt es beim Hof Bernd Häußermann in Heidenhof. Die Familie baut ihre Erdbeeren selbst an und wartet darauf, dass die Freilandware erntereif ist, um ihre Verkaufsstellen bestücken zu können, wie etwa das Erdbeerhäusle in Weiler zum Stein. Allerdings sei man in den letzten Jahren durch frühere Wärmeperioden sehr verwöhnt worden, was das Erdbeerangebot betrifft, und durch das fast ganzjährige Angebot im Supermarkt ist dem Verbraucher eigentlich schon fast das Gefühl für die Erdbeersaison abhanden gekommen. Normalerweise beginnt die nämlich erst Mitte oder gar Ende Mai.
Doch es habe sich mittlerweile einiges verschoben, wie es bei Häußermanns heißt. Erdbeeren zuzukaufen, um das Erdbeerhäusle vorzeitig zu öffnen, ergebe jedoch keinen Sinn. Dazu sind die Preise gerade einfach zu hoch. Und wozu solle man sie teuer auf dem Großmarkt einkaufen, um sie noch teurer an den Verbraucher zu bringen? Deshalb setzt man beim Häußermann’schen Betrieb grundsätzlich auf eigene Freilanderdbeeren. Sobald diese dazukommen, sinken auch die Preise. Selbst bei der einheimischen Tunnelware gebe es momentan noch kein ausreichendes Angebot, weiß Petra Häußermann.
Johannes Schaaf aus Aspach hat seinen Backnanger Erdbeerstand schon geöffnet. Das Erdbeerhäuschen leuchtet rot vor der Kreissparkasse in der Sulzbacher Straße und macht Appetit auf die aromatischen Früchte. Eine 500-Gramm-Schale ist für 4,70 Euro zu haben.
Folientunnel ähneln in ihrer Funktion einem Wintergarten.
Noch ist es kaum eigene Ware, er bezieht sie vor allem von einem Kollegen, der im Folientunnel anbaut. Dessen Funktionsweise ähnelt einem Wintergarten, wie er erklärt, die Sonnenstrahlen werden gebündelt. Die Pflanzen sind geschützt und bekommen schon früher als die Freilandpflanzen ausreichend Wärme ab. Doch die Arbeit mit den Folientunneln sei auch aufwendig, die Manpower habe er nicht zur Verfügung. Seit Jahren arbeite er daher mit dem Kollegen zusammen. Allerdings kann nicht nur die Kälte, sondern auch zu viel Sonne schädlich sein: „Am letzten Samstag hatte es minus zwei Grad, am Sonntag darauf bis zu 30“, das stresse die Erdbeeren, Sonnenbrand sei möglich.
Auf Erdbeeren vom Großhandel will auch Schaaf nicht zurückgreifen, denn abgesehen davon, dass das Pfund für unter vier Euro nicht zu haben sei, gebe es schlichtweg nicht genug. „Wir warten noch ab, bis es mehr Erdbeeren gibt, die unseren Qualitätsansprüchen genügen“, betont er zudem, denn er möchte nicht zulasten der Qualität irgendwelche Erdbeeren zukaufen. „Wir nehmen es halt, wie es kommt“, sieht er es pragmatisch und schätzt, dass die Ernte auf seinen Freilandfeldern wegen der kühleren Temperaturen im Frühjahr ab Ende Mai, Anfang Juni richtig losgeht. Deshalb hat auch das Erdbeerhäuschen in Aspach noch nicht geöffnet – es gibt einfach zu wenig Früchte. Er hofft jedoch, dass er diesen Stand im Laufe dieser Woche bestücken und öffnen kann. Den Verkauf übernimmt dann wieder Peter Hanisch, schon seit Jahren arbeiten die beiden Aspacher Gemeinderäte zusammen.
„Der Frost hat einiges kaputt gemacht“, sagt Christian Melzheimer vom Obsthof Eisenmann aus Rielingshausen. Doch auch hier kommen zugekaufte Erdbeeren nicht infrage. Schon vor vielen Jahren habe sich der Chef dagegen entschieden, für den Handel zu produzieren, denn die Erdbeeren, die auch wirklich gut schmecken, halten für gewöhnlich nicht lange. Daher sei hier die Direktvermarktung der beste Weg – die Zeit zwischen dem Pflücken und dem Verzehr werde so kurz wie möglich gehalten. „Es dauert maximal drei Stunden, bis sie an den Ständen sind“, so Melzheimer.
Seit etwa zwei bis drei Wochen sind die 15 Stände geöffnet. Der Preis beträgt momentan 4,90 Euro, was auch daran liegt, dass es sich um frühe Erdbeeren aus dem Folientunnel handelt, die kostenintensiv seien. Um eine Schale zu füllen, müsse man momentan etwa einen Meter Pflanzen abpflücken, das dauert natürlich seine Zeit. Doch sobald die Freilandernte losgehe, sinke auch der Preis. „Die Stände sind oft ausverkauft“, berichtet Melzheimer, und das, obwohl dreimal am Tag nachgeliefert werde.
Auch wenn man momentan etwas tiefer in die Tasche greifen muss – der Griff zu heimischen Beeren lohnt sich, besonders bei Früchten aus Freilandanbau. Denn die Ökobilanz ist wesentlich besser als bei importierter Ware, zudem machen sich die kurzen Wege auch geschmacklich bemerkbar.
Die Erdbeere ist in Deutschland sehr beliebt. Um die 3,6 Kilogramm werden pro Kopf und Jahr verzehrt, der Verbrauch ist seit Jahren relativ konstant.
Dabei steigt die Anbaufläche stetig an, im vergangenen Jahr betrug sie etwa 12900 Hektar deutschlandweit, gut 99000 Tonnen Freilanderdbeeren wurden 2020 geerntet.
Dennoch wurden zuletzt 120000 Tonnen importiert, vor allem aus Spanien, den Niederlanden, Griechenland und Ägypten.
Baden-Württemberg gehört innerhalb von Deutschland zu den führenden Anbauregionen, hier wurden 2019 rund 27000 Tonnen Erdbeeren geerntet.
Die Freilandfläche nimmt hier jedoch leicht ab, während der Erdbeeranbau in Folientunneln und Gewächshäusern ansteigt und mittlerweile etwa 28 Prozent beim Verkauf der heimischen Ware ausmacht.
Die Erdbeeren sind eine Gattung innerhalb der Familie der Rosengewächse.