Die Uhr für den Brückenabriss am Backnanger Bahnhof tickt
In der heutigen Nacht hat der Abriss des alten Stegs begonnen, der 63 Jahre über die Bahngleise am Backnanger Bahnhof führte. Um die Brückenteile auszuheben, wird ein riesiger Mobilkran eingesetzt, der bis zu 700 Tonnen tragen kann.
Von Anja La Roche
Backnang. Gestern noch standen Jung und Alt munter nebeneinander. Doch über Nacht hat der alte Steg, der über die Gleise am Bahnhof in Backnang führt, das Zeitliche gesegnet. Wie viele Füße wohl in den 63 Jahren seines Bestehens über seinen Rücken gelaufen sind? Nachdem die neue Brücke am Montag feierlich eingeweiht wurde, war schlicht und einfach die Zeit gekommen, ihren unbrauchbar gewordenen Vorgänger zu entfernen.
Für die Verantwortlichen bedeutet der Abriss eine heikle Angelegenheit. Wie schon beim Bau der neuen Brücke darf nichts schiefgehen: Schon vor zwei Jahren hat die Stadt eine Sperrpause bei der Deutschen Bahn beantragt, damit die Oberleitungen abgestellt und in und über den Gleisbetten gearbeitet werden kann.
Sperrpause muss eingehalten werden
55 Stunden stehen nun zur Verfügung, um die Brücke abzubauen. Der Bahnhofsbetrieb ist von Freitag, 22 Uhr bis Montag, 5 Uhr eingestellt (siehe Infotext). „Die oberste Priorität ist, dass die Sperrpause eingehalten wird“, sagt Bauleiterin Katharina Bart von dem für den Abriss beauftragten Bau- und Logistikunternehmen Max Wild. Deshalb wird seit gestern Abend rund um die Uhr daran gearbeitet, den alten 52 Meter langen Steg in drei Teile zu trennen und diese nacheinander auszuheben.
Dafür wird ein Mobilkran mit einer maximalen Tragkraft von 700 Tonnen eingesetzt, der von der Firma MSG Krandienst aus dem Ortenaukreis (Baden-Württemberg) kommt und bereits gestern Nachmittag aufgebaut wurde. „Wir bräuchten eigentlich gar nicht so einen großen Kran“, sagt Inka Föll vom städtischen Hochbauamt. Doch aufgrund des beengten Standorts am oberen Ende der Brücke im Büttenenfeld und wegen der dortigen Hanglage müsse der Kran beim Ausheben der Brückenteile weiter auslagern – und das mache eine größere Vorrichtung notwendig.
Extra Fundament für schweren Kran gebaut
Und damit nicht genug: Damit der Kran sicher eingesetzt werden kann, musste am oberen Standort extra ein Fundament gebaut werden. Nur so kann die große Last ideal an den Hang abgegeben werden. Für das Fundament wurden mehrere kleine Pfähle in den Boden gebohrt. Um das Gewicht des alten Stegs überdies etwas zu reduzieren, hat die Firma Max Wild vorab den Asphalt vom Steg entfernen lassen.
In der Nacht von Freitag auf Samstag stand der Kran aber zunächst dort, wo einst die Treppe von der Bahnhofstraße hoch zum Steg führte. Nachdem die Handwerker die Brücke mit Betonsägen in drei Abschnitte getrennt sowie die Einzelteile mit Löchern und Ketten versehen hatten, wurden die ersten zwei Bauelemente des Stegs ausgehoben, die jeweils etwa 40 Tonnen wiegen. Abgelegt wurden die Betonteile auf dem Parkplatz bei den Taxiständen.
Abriss kostet die Stadt rund 350.000 Euro
Heute Morgen soll der Kran in zwei Stunden abgebaut und in vier Stunden oben im Büttenenfeld wieder aufgebaut werden, um von dort aus das letzte Brückenstück auszuheben, welches etwa 46 Tonnen wiegt und auf dem Parkplatz vor der Stadthalle abgelegt werden soll. Drei Bagger zerkleinern die drei ausgehobenen Bauelemente noch vor Ort, sodass die Materialien abtransportiert werden können. Der Abriss kostet die Stadt mit allen Nebenkosten rund 350.000 Euro und wird zu 60 Prozent durch die Städtebauförderung, also von Bund und Land, bezuschusst.
Wie vielleicht bereits klar geworden ist, zieht der Abriss einer Brücke in beengter Umgebung einen Rattenschwanz an Problemen nach sich. Und so ist den Planern auch aufgefallen, dass der etwa 20 Meter lange Mobilkran im Büttenenfeld nicht um die Kurve kommen würde. Die Lösung: Eine Rampe über den Parkplatz vor der Stadthalle ermöglicht ihm, querfeldein bis zu seinem Ziel zu fahren.
Platzproblem ist eine Herausforderung
Für Bauleiterin Katharina Bart sind solche Herausforderungen nicht unüblich. Sie arbeitet bei Max Wild in der Abteilung für Brückenabbruch. Und Brücken führen naturgemäß über schwieriges Gelände, beispielsweise über Flüsse, große Straßen oder eben Bahngleise. „Die Dimension in Backnang ist nicht ungewöhnlich“, sagt Bart. Den 700-Tonnen-Kran hat sie zuletzt im September in Mühlacker (Enzkreis) einsetzen lassen. Dort wurde eine Brücke, die über die Enz führt, in zwölf Abschnitten ausgehoben. Im Dezember werde sie in Schnelldorf (Landkreis Ansbach) sogar einen Raupenkran einsetzen, der eine maximale Tragkraft von 1600 Tonnen hat. Bei jedem Projekt gelte es, die verschiedenen Gegebenheiten zu beachten, und in diesem Fall seien das neben dem Platzproblem die Sperrzeiten. Nachvollziehbar, dass Bart ihre Arbeit vor allem als eines bezeichnet: abwechslungsreich.
Inka Föll ist jedenfalls erleichtert darüber, dass der Zeitplan für den Bau der neuen Brücke so weit aufgegangen ist, dass der Abriss rechtzeitig begonnen werden konnte. „Wir haben alles so hinbekommen, dass wir in den Sperrpausen anfangen können“, sagt sie. Einzig und allein das Wetter könnte den Abbrucharbeiten jetzt noch in die Quere kommen. „Bei Sturm darf der Kran nicht arbeiten“, sagt Föll. Aber für so einen Fall ist mit den 55 Stunden auch etwas Puffer eingeplant. „Wir drücken alle die Daumen, dass es klappt.“
Ersatzverkehr Von Freitag, 22 Uhr bis Montag, 5 Uhr werden keine Bahnen im Backnanger Bahnhof verkehren. Ersatzbusse werden vom Busbahnhof abfahren. Nächstes Wochenende wird der Bahnhof abermals gesperrt, weil Arbeiten an der neuen Brücke durchgeführt werden. Weitere Infos gibt es unter www.s-bahn-stuttgart.de.
Weitere Sperrungen Die neue Brücke ist während des Abrisses zwei bis drei Tage lang gesperrt. Wer schnell von der Bahnhofstraße zur Maubacher Höhe gelangen will, kann aber die hintere Fußgängerbrücke am Bahnhof nutzen. Das Büttenenfeld wird zudem bis Mittwoch gesperrt sein.