Die vielen Gesichter eines Weihnachtsfests
Heiligabend und die Feiertage gehören für Pfarrer Steffen Kaltenbach salopp gesagt zum Kerngeschäft und sind wichtige Ereignisse im Kirchenjahr. Weihnachten ist vielleicht das am stärksten von der Familie geprägte Fest und hat insofern emotional viele Facetten.
Von Christine Schick
Murrhardt. Wenn Pfarrer Steffen Kaltenbach an seine ersten als Kind bewusst erlebten Weihnachten zurückdenkt, taucht ein Bild auf. „Da war der Blick durchs Schlüsselloch, aber nicht dorthin, wo der Baum stand, sondern wo die Modelleisenbahn aufgebaut war“, erzählt er und lächelt. Später konnten sein Bruder und er sich dann in die jeweils eigene Strecke vertiefen, auf der die Spielzeugeisenbahnen ihre Runden drehten. „Ich durfte mir auch wünschen, was es an Weihnachten zu essen geben sollte“, sagt Kaltenbach und verrät, dass er sich meist für ein nicht ganz typisches Kindergericht entschieden hat – Ochsenzunge. Damals wusste Steffen Kaltenbach noch nicht, dass er viele Weihnachtsfeste auch als evangelischer Pfarrer in der Kirche, also im beruflichen Gewand, verbringen würde.
Das letzte berufliche Weihnachtsfest
Das Besondere dieses Jahr ist, dass es sein letztes berufliches Weihnachtsfest als Pfarrer in Fornsbach und Kirchenkirnberg sein wird, da er sich im Sommer 2024 in den Ruhestand verabschiedet. Angesichts der in den beiden Kirchengemeinden zu haltenden sieben Feiern an Heiligabend und am 25. und 26. Dezember, hofft er, alles gut und stimmungsvoll hinzubekommen. „Vermutlich werden sich erst ein paar Wehmutstränen bemerkbar machen, wenn ich nach der Predigt in ,Oh du Fröhliche‘ mit einstimme.“
Lässt er Predigten und Feiern in der Kirche zu Weihnachten Revue passieren, ist da eine Szenerie, an die er sich besonders gerne erinnert. Um einmal die Unangepasstheit, das Anecken und das Provokationspotenzial des menschgewordenen Gottessohnes zu thematisieren, hatte Steffen Kaltenbach in einem Jahr entschieden, sich als Motorradfahrer in Ledermontur zu werfen – und zwar mit Überraschungseffekt, nachdem ihm eine extra lang ausgedehnte Gesangspassage mit vielen Strophen die nötige heimliche Umzugspause verschafft hatte, in der er den Talar gegen die Motorradkluft tauschen konnte.
Sein Rollenwechsel hatte gut funktioniert
Als er dann in Rockermanier, mit Sturmhaube und Sonnenbrille durch den Haupteingang der Kirche treten wollte, wurde ihm klar, wie gut sein Rollenwechsel funktioniert hatte. Weil ihn die stehenden Zuhörer am Eingang nicht erkannten, wollten sie ihn eigentlich auch gar nicht durchlassen. Bei der Reaktion auf den seltsamen Gast waren Irritation und aufgestellte Härchen zu spüren. Genau das, was sich Kaltenbach erhofft hatte, um später das Thema theologisch zu vertiefen. „Ich hab mich durchgekämpft“, sagt er. Die Gesichter nach seiner Enttarnung hat er zwar nicht gesehen, geht aber davon aus, dass die Sache gut funktioniert hat.
Sehr verletzlich sind die Menschen, wenn sie eine wichtige Bezugsperson verloren haben, und auch das ist ein Thema, das mit Weihnachten insofern verbunden ist, weil es wie kein anderes ein Familienfest ist. „Das sind dann die schwierigsten Tage“, sagt der 62-Jährige mit Blick auf Betroffene und. Als Seelsorger versucht Steffen Kaltenbach, den Umgang Einzelner mit der Situation schon im Vorfeld anzusprechen, um möglicherweise auf Angebote hinzuweisen oder gemeinsam zu überlegen, was helfen kann. „Es kann auch sein, dass eine Scheidung über Weihnachten liegt oder die Trennung ins Fest platzt“, was er im Rahmen der Konfirmation zum Thema macht.
Mitschwingen bei Trauer und Freude
Als Pfarrer zweier noch ländlich geprägten Kirchengemeinden bekommt er im Vergleich zu einem Geistlichen in der Großstadt mehr von den Menschen mit. Diese Nähe hat genauso seine zwei Seiten – das Mitschwingen bei Trauer und das Teilen der Vorfreude. „Man bereitet sich auch gemeinsam als Dorf vor.“ Neben den Jahresabschluss- oder Adventsfeiern, die aufs Fest hinführen, hat Kaltenbach zwei jüngere Traditionen für sich entdeckt – das Christbaumloben und das Christbaumbesorgen in der Gruppe. Spontan beim Nachbarn oder Bekannten zu klingeln, um bei einem Schnäpsle auf die geschmückte Tanne anzustoßen, hat für ihn genauso viel Charme wie im Verbund den Baum auszusuchen.
Das Weihnachtsfest im großen Kreis in der Kirche mit 200 Menschen, die man kennt, zu feiern, „ist einfach schön“ – mal in der heimeligen Geborgenheit der Fornsbacher Kirche, mal im majestätischer ausgelegten Kirchenkirnberger Gotteshaus. Dafür, dass seine Frau Iris Scheuer, auch Pfarrerin, dieses Immer-im-Dienst-Sein auch an Weihnachten mitträgt, ist Steffen Kaltenbach sehr dankbar. Die Bescherung an Heiligabend findet spät statt, Scheuers beide erwachsenen Kinder kommen zu Besuch. Auch diese ganz privaten Stunden will er nicht missen. Zu den geschätzten Dingen gehört für Steffen Kaltenbach auch das Friedenslicht von Bethlehem, das seit einigen Jahren über die Pfadfinder seinen Weg zu verschiedenen ausgewählten Standorten findet.