Die Zahl der Beschwerden nimmt in den Rems-Murr-Kliniken nicht ab
Die Leitung der Rems-Murr-Kliniken ist bestrebt, auf Kritik der Patienten und Angehörigen adäquat zu reagieren. Die Beschwerdequote aller stationären Patienten ist relativ niedrig, doch zugleich hagelt es schlechte Rezensionen auf Google.

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Lange Wartezeiten in der Notaufnahme werden in Google-Rezensionen oftmals angeprangert. Archivfoto: Alexander Becher
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. 2,7 von fünf Sternen auf Google – wäre es ein Restaurant, würde man sich wohl zweimal überlegen, hier essen zu gehen. Diese Bewertung – ermittelt durch deutlich mehr als 800 Rezensionen – hat jedoch kein Lokal erhalten, sondern sie betrifft die Rems-Murr-Kliniken. Doch kann man hiernach gehen? Die Verantwortlichen des Beschwerdemanagements sagen: Nein. Google-Rezensionen hätten immer öfter den Charakter einer Schmähkritik und nicht einer ernst gemeinten Beschwerde, sagte Christian Schliep, Leiter des Erlös- und Medizinmanagements, im Rahmen des Tätigkeitsberichts in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses des Kreistags. 2,7 sei natürlich nicht toll, aber für ein Krankenhaus nicht ungewöhnlich – vor allem, wenn dieses eine 24-Stunden-Notaufnahme habe. Die Kommentare seien meist sehr allgemein gehalten, man könne sie keinen konkreten Fällen zuordnen. Biete man den Kommentatoren an, sich mit ihren Anliegen an das Beschwerdemanagement zu wenden, werde dies nur in den wenigsten Fällen wahrgenommen. Gerade die Notaufnahme sei ein schwieriges Feld, denn nicht alle Patienten seien dort richtig, gleichzeitig sei die Anspruchshaltung sehr hoch.
Erhoben wurde eine Beschwerdequote aller stationären Patienten, diese liege auf gleichbleibend niedrigem Niveau. „Das ist nicht zufriedenstellend, aber beruhigend.“ Denn in der Coronapandemie sei die Situation besonders herausfordernd gewesen. „Das hätte auch ganz anders aussehen können“, sagt Schliep daher und bewertet die Lage als „okay“. Auch der Erfahrungsbericht der Patientenfürsprecher, vorgetragen von Paul Hug, fällt recht gut aus: Sie konstatieren eine „äußerst geringe Beschwerdequote“. Allerdings räumt Hug auch ein, dass das ehrenamtliche Team im vergangenen Jahr 61 Fälle betreut hat. Das seien zu wenige, um Schlüsse für das gesamte Krankenhausgeschehen zu ziehen. Man sei nur ein kleines Rädchen, aber kein unwichtiges – denn die Patientenfürsprecher sind unabhängig, sie stehen in keinem Arbeitsverhältnis zu den Kliniken (siehe Infotext).
Die Kommunikation mitder Ärzteschaft wird oft bemängelt
Festzuhalten bleibt, dass die Kliniken bei der Patientenzufriedenheit mit 78,4 Prozent in Schorndorf und 75,8 Prozent in Winnenden unter dem Landesdurchschnitt von 82 Prozent liegen. Erhoben wurden die Zahlen durch die Auswertung einer Patientenbefragung, an der in Schorndorf etwa 20 Prozent, in Winnenden knapp zehn Prozent der Patienten teilgenommen haben. Der Landesschnitt gelte als Ziel, heißt es in der Sitzungsvorlage. „Das ist unser Ansporn, denn wir sind mit den Werten nicht vollkommen zufrieden“, führt Schliep aus.
Doch was genau wird bemängelt? Eine Auswertung des Feedbacks gibt Aufschluss darüber. 973 Beschwerden sind in den Rems-Murr-Kliniken im vergangenen Jahr eingegangen. Das entspricht einer Quote von 2,2 Prozent im Hinblick auf die Zahl der stationären Entlassungen – tatsächlich war die Quote in den Jahren 2018 bis 2021 mit nur kleinen Abweichungen auf dem gleichen Niveau. Die Klinik in Schorndorf weist eine geringere Quote auf als das Winnender Klinikum, außerdem ist diese sinkend, während das in Winnenden nicht der Fall ist. Den mit 19 Prozent größten Anteil an den Beschwerden hat der Bereich „Sonstiges“. Die Verantwortlichen verzeichnen hier beispielsweise Unzufriedenheit mit den Zimmern oder Hinweise auf Mängel bei deren Ausstattung. An zweiter Stelle steht die Kommunikation, also beispielsweise das Gesprächsangebot oder die Verständlichkeit. Zwölf Prozent aller Beschwerden hatten dies zum Inhalt. Weitere Kritikpunkte waren die ärztliche und pflegerische Versorgung, die Freundlichkeit, die Wartezeiten sowie die Reinigung. Bei den Patientenfürsprechern ist die mangelnde Information und Kommunikation der am häufigsten genannte Beschwerdegrund.
Christian Schliep weiß, dass an vielen Stellen Nachbesserungsbedarf herrscht. Man sei aber auch schon in einigen Bereichen aktiv geworden. Nach der berechtigten Kritik an der Reinigung, habe man den Dienstleister hierfür gewechselt. Rückruflisten in den Stationen sollen die Erreichbarkeit der Ärzteschaft verbessern. Zudem gibt es in verschiedenen Bereichen Fortbildungsangebote.
Klafft das Niveau derbeiden Standorte auseinander?
Horst Reingruber (CDU) bezeichnete die Beschwerden bei den Patientenfürsprechern als „wichtige Indikatoren“ für eventuelle Missstände. Sein Fraktionskollege Jörg Schaal regte an, die Wartezeiten in der Notaufnahme mithilfe einer Infotafel zu kommunizieren, um so Unmut vorzubeugen. Bernhard Bühler (Freie Wähler) wies auf die Diskrepanz zwischen Winnenden und Schorndorf hin. „Kann es sein, dass das Niveau auseinanderklafft?“, fragte er. Das sei als Alarmsignal zu werten. Er höre als Bürgermeister Oppenweilers in seiner Gemeinde immer wieder Kritik am Klinikum – vor allem im Bezug auf die Notaufnahme. „Es gibt Dinge, die nicht gut laufen. Ich kann nur dazu animieren, die Themen aufzugreifen.“ Landrat Richard Sigel verwies auf schwierige Rahmenbedingungen: „Wir haben ein Problem in der Gesundheitsversorgung in der Fläche und das bügeln wir in den Kliniken aus.“ Denn immer mehr Patienten, die keinen Termin beim Facharzt bekommen, schlagen im Klinikum auf. „Trotzdem ist jeder Fall einer zu viel, wenn etwas schiefläuft bei uns“, räumte er ein.
Rolle Seit Januar 2016 sind die Patientenfürsprecher in den Kliniken in Schorndorf und Winnenden tätig. Sie stehen Patienten und Angehörigen als Gesprächspartner zur Verfügung, wenn sie ein Problem haben oder sich über ihre Rechte im Unklaren sind. Sie sind nicht bei den Rems-Murr-Kliniken beschäftigt und daher unabhängig in ihrer Arbeit und nur dem Wohl der Patienten verpflichtet. Darüber hinaus kommt ihnen eine Mittlerrolle zwischen Patienten und Klinikpersonal zu, die zur Entschärfung von Konflikten beiträgt. Alle Patientenfürsprecher unterliegen der Schweigepflicht.
Rahmenbedingungen In einigen Bundesländern ist jedes Krankenhaus zu einem unabhängigen Patientenfürsprecher verpflichtet, in Baden-Württemberg jedoch nicht. Die Arbeitsgemeinschaft (AG) der Patientenfürsprecher in Baden-Württemberg bemängelt daher, dass die Ehrenamtlichen nicht ausreichend finanziell unterstützt werden – etwa durch eine Übernahme der Verwaltungskosten der AG.
Nachfolger Die aktuellen vier Patientenfürsprecher, die dieses Ehrenamt bereits seit sieben Jahren ausfüllen, haben sich 2022 für zwei weitere Jahre zur Verfügung gestellt, wollen aber hiernach nicht weitermachen. Nachfolger werden gesucht.