Arbeitsplätze im Südwesten

Diese drei Innovationen schaffen Jobs

Neue Ideen und Produkte sind gefragt, um Deutschlands schwaches Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Drei ganz unterschiedliche Beispiele aus Baden-Württemberg zeigen, wie das gehen kann.

Die Idee für diese Hörkontaktlinse kam bei einem Kooperationsprojekt  zwischen dem Fraunhofer-Institut und der Universitäts-HNO-Klinik Tübingen  und weiteren Partnern auf.

© Vibrosonic

Die Idee für diese Hörkontaktlinse kam bei einem Kooperationsprojekt zwischen dem Fraunhofer-Institut und der Universitäts-HNO-Klinik Tübingen und weiteren Partnern auf.

Von Ulrich Schreyer

Der Sachverständigenrat hat seine Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland in diesem Jahr auf 0,2 Prozent heruntergeschraubt. Wie kommt die Wirtschaft wieder aus diesem Tal heraus? „Nur mit neuen Ideen und Produkten made in Germany kann die deutsche Wirtschaft auf Wachstumskurs kommen“, meint Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Berlin. Wie unterschiedlich diese Ideen und Produkte sein können, zeigen drei Beispiele.

Hörkontaktlinse von Vibrosonic

Wer schlecht hört, könnte es bald besser haben: „Das ist der perfekte Lautsprecher für ein Hörsystem“, sagt Dominik Kaltenbacher. Was der Geschäftsführer von Vibrosonic aus Mannheim so lobt, ist eine Hörkontaktlinse. Diese wird vom Arzt auf das Trommelfell des Benutzers gelegt. Somit werden Schallschwingungen direkt auf das Trommelfell übertragen – nach Ansicht von Kaltenbacher besser als bei den handelsüblichen Hörgeräten. Damit das System komplett ist, braucht es noch ein weiteres kleines Gerät, das hinter dem Ohr getragen wird, Mikrofon, Batterie und einen Chip zur Verstärkung von Signalen enthält und vom Hörakustiker eingestellt wird. Auch wenn die Hörkontaktlinse, anders als die Linsen für die Augen, vom Arzt und nicht vom Träger eingesetzt und herausgenommen werden muss - für Kaltenbacher ist sie nicht nur eine Hilfe für Schwerhörige, sondern auch ein Geschäftsmodell. Die Idee für die Hörhilfe kam bei einem Kooperationsprojekt zwischen dem Fraunhofer-Institut und der Universitäts-HNO-Klinik Tübingen und weiteren Partnern auf. Gegründet wurde Vibrosonic 2016, inzwischen sind 30 Beschäftigte bei dem Unternehmen tätig. Finanziert wird die Firma durch Investoren, so etwa einem mittelständischen Hörgeräteunternehmen, seit Anfang 2023 ist auch die Zeiss-Gruppe mit von der Partie. „Teilweise wurde es knapp“, berichtet der Geschäftsführer über die Finanzierung seit der Gründung, „aber das gehört ein Stück weit dazu“.

Dezentrale KI von Aitad

Aitad ist bei Künstlicher Intelligenz gleich doppelt dabei: Das Unternehmen aus Offenburg sammelt nicht nur Daten und trainiert damit KI, sondern stellt auch die Hardwarekomponenten selbst her. „Das ist praktisch wie ein Stück Hirn auf Chips“, sagt Viacheslav Gromov, Gründer und Chef der Geschäftsführung. Die Experten sprechen dabei vom „Embedded KI“ und in Offenburg sieht man darin einen Megatrend – KI, die dezentral in Maschinen und Fahrzeugen eingebaut werden kann, ohne Internet und Server. Damit könnten viel größere Datenmengen verarbeitet werden, „unabhängig von Cloudriesen wie Google“. Aktuell arbeiten schon 30 Beschäftigte bei Aitad. Der Name steht für Artificial Intelligence Test and Design. Geliefert wird etwa an den industriellen Mittelstand, Autozulieferer, Hersteller von Pharmamaschinen. Bei Automotive geht es auch um die Verschleißerkennung von Batterien von Elektrofahrzeugen. In zwei Jahren soll eine Zahnbürste auf den Markt kommen, die erkennt, ob Karies droht. „Wir erzielen seit dem ersten Tag Umsätze und haben keine Investoren, die Risikokapital bereitstellen“, berichtet der Vorstandschef. Obwohl erst 2018 gegründet, sieht Gromov Aitad keineswegs als Start-up an. In dieser Szene werde oft so getan, als sei eine Unternehmensgründung hauptsächlich eine Sache der lockeren Stimmung. Richtig sei das Gegenteil, „harte Arbeit und Durchhaltewillen mit wenigen Mitteln“.

Getriebespezialist Sentimotion

Noch im Sommer will Sentimotion ein Joint-venture mit einem Roboterhersteller gründen. Auch dabei geht es, wie immer bei dem 2021 gegründeten Stuttgarter Unternehmen, um Getriebe. Das Team besteht aus 13 Ingenieuren und Managern.„Wir entwickeln Getriebe für die unterschiedlichsten Branchen“, sagt Mitgründer und Geschäftsführer Steffen Breuninger. Windräder brauchen Getriebe, aber die Luft- und Raumfahrt, Schiffe und Autos ebenso wie der Maschinenbau oder Wärmepumpen – oder eben Roboterhersteller. Das kleinste Getriebe hat einen Durchmesser von nur 25 Millimetern. In der Startphase kam die Finanzierung aus dem Gesellschafterkreis, „kleinere Fördermittel des Landes wurden dankbar angenommen“ berichtet Breuninger. Inzwischen kommt bei dem Unternehmen auch Geld rein, weil Partner für Fortschritte in der Entwicklung von Getrieben bezahlen, die sie später bei den Kunden einbauen wollen. Die von den Stuttgartern entwickelten Getriebe sollen etwa zu einer Verkleinerung und der Integration von Antriebskomponenten in einziges Gehäuse verhelfen, „was zu erheblichen Einsparungen bei Bauraum und Gewicht führt“. Ein von Sentimotion entwickeltes Getriebe für ein Windrad könne dafür sorgen, dass das Rad auch bei Windgeschwindigkeiten von 150 Stundenkilometern nicht abgeschaltet werden müsse. „Am Anfang muss man selbst die Kohlen aus dem Feuer holen“, sagt Breuninger, habe man Erfolg, kämen Investoren auf einen zu. Erste Getriebe werden mit Partnern gefertigt, 2025 soll die Serienproduktion beginnen.

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Erstellt:
30. Mai 2024, 17:30 Uhr

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