Diskussion über Zulage für Personal im Landratsamt Rems-Murr-Kreis
In manchen Bereichen des Landratsamts würde die Kreisverwaltung ihre Beschäftigten gerne übertariflich vergüten. Sie findet nämlich für kundenintensive Tätigkeiten kaum noch Mitarbeiter. Die Städte und Gemeinden befürchten dadurch eine künstliche Konkurrenzsituation.
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. Die Verwaltungen haben zunehmend Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Das gilt vor allem für jene Bereiche „mit teilweise nicht sehr angenehmem Kundenkontakt“, wie Mascha Bilsdorfer, Dezernentin für Klimaschutz, Mobilität und Bürgerservice im Rems-Murr-Kreis, in der jüngsten Sitzung des Verwaltungs-, Schul- und Kulturausschusses ausführte. Sie erinnerte an die Zustände im Stuttgarter Rathaus, als sich im Herbst riesige Schlangen vor dem Ausländeramt bildeten und manche Menschen aus lauter Verzweiflung gar vor der Behörde nächtigten. Das liegt einerseits an steigenden Fallzahlen im Amt, aber eben auch am sich verschärfenden Personalmangel. Derartige Zustände gebe es im Rems-Murr-Kreis bisher nicht. In den kundenintensiven Bereichen habe aber auch das hiesige Landratsamt schon so seine Schwierigkeiten. „Wir finden kaum noch Personen, die diese Stellen ausfüllen wollen“, führte Bilsdorfer aus. Die Auswirkungen des Personalmangels kommen direkt bei der Bürgerschaft an – zuletzt etwa in der Fahrerlaubnisbehörde (wir berichteten).
Die Stadt Stuttgart will dem Problem mit einer Zulage von 150 Euro pro Person und Monat für die Beschäftigten entgegenwirken. Eine derartige Vorgehensweise wurde nun auch den Rems-Murr-Kreisräten vorgeschlagen – sehr zu deren Missfallen. Ähnlich, wie sich Wohlfahrtsorganisationen in Stuttgart beklagt hatten, weil sie befürchteten, dass die Stadtverwaltung ihnen die Beschäftigten abwirbt, so hatten die Kreisräte Sorge, dass der Landkreis eine Konkurrenz zu den Städten und Gemeinden schafft.
In Backnang und Murrhardt werden in wenigen Fällen Zulagen gezahlt
Die Kommunen sind in der Regel tarifgebunden. Die Vergütung bemisst sich nach der Stellenbewertung und der tariflichen Eingruppierung. „Spielräume sind eher gering“, erklärt Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner. Eine Arbeitsmarktzulage kann etwa dann gewährt werden, wenn dies zur Deckung des Personalbedarfs von Fachkräften erforderlich ist – also bei deutlichem Bewerbermangel. Ein weiterer Grund wäre die Bindung von qualifizierten Fachkräften, die anders sonst kaum möglich wäre.
Im Murrhardter Rathaus zeigt sich konkret, dass dies nicht die Regel ist: „Wir haben in sehr wenigen Ausnahmefällen Arbeitsmarktzulagen.“ Laut Auskunft des Hauptamts seien es maximal drei Fälle im technischen Bereich. Auch in Backnang stellt es sich ähnlich dar. Eine Abweichung vom Tarif ist nur in einzelnen Fällen erfolgt, erklärt Oberbürgermeister Maximilian Friedrich. „Die Assistenzkräfte der Amts- und Dezernatsleitungen wurden aufgrund der oft auch außerhalb der regulären Arbeitszeit notwendigen Präsenz um eine Entgeltgruppe angehoben.“ Auch im Landratsamt wurden zuvor schon Arbeitsmarktzulagen gewährt, nämlich im EDV-Bereich und bei den Tunnelwärtern – in beiden Bereichen war es schwierig, geeignetes Personal zu finden und zu binden. Dafür hatte der Ausschuss der Verwaltung 2008 ein Budget von 100.000 Euro bewilligt.
Nun also soll der Einsatzbereich der außertariflichen Zahlungen erweitert werden, geht es nach der Kreisverwaltung. Dafür müsse der Budgetrahmen erhöht werden, die Verwaltung schlug eine Verdopplung vor. Mascha Bilsdorfer führte aus: Man beschränke sich auf die Entgeltgruppen 6 und 7. Denn bei niedriger Eingruppierung und gleichzeitig schwierigen Arbeitsbedingungen finde man sonst kaum noch Personal. Es handle sich um einen begrenzten Umfang, beschwichtigte sie. Auch sah die Dezernentin kein direktes Konkurrenzverhältnis zu den Kommunen. „In den Bürgerämtern ist das Einstiegsgehalt für gewöhnlich in der Entgeltgruppe 8.“
Nun finden sich aber unter den Kreisräten einige (Ober-)Bürgermeister, die über die Lage in ihren Rathäusern bestens informiert sind und dem folglich Kontra geben konnten. „Es gibt in den Bürgerbüros und Rathäusern im Kreis noch etliche EG-6- und EG-7-Stellen. Die Mitarbeiter sind nicht allesamt in EG8 eingruppiert“, sagt Armin Mößner. „Die Tätigkeiten der bürgernahen Schalterdienste sind bei der Stadtverwaltung Backnang grundsätzlich in EG6 eingruppiert“, erklärt Maximilian Friedrich.
Das Anliegen der Kreisverwaltung sei es, eine gewisse Flexibilität zu schaffen, verdeutlichte Landrat Richard Sigel. „Wir möchten nicht das Tarifgefüge aufbrechen“, versicherte er. Aufgrund der großen Fluktuation in manchen Behörden sei es aber aktuell schwierig, Mitarbeiter zu binden. Mascha Bilsdorfer zeigte auf, welches Ausmaß die Zahlung der Arbeitsmarktzulage annehmen würde: „Betroffen wären etwa 60 Mitarbeiter in EG6 und 7.“ Zahle man jeder Person 100 Euro im Monat mehr, so ergebe dies auf das Jahr hochgerechnet Kosten von etwa 70.000 Euro für den Kreis.
Die Kreisräte haben noch Klärungsbedarf
Christine Besa, Fraktionsvorsitzende der Grünen, äußerte deutliche Zweifel an der Vorgehensweise und befand sie als klare Konkurrenz zu den Städten und Gemeinden. Armin Mößner als CDU-Fraktionsvorsitzender sah noch deutlichen Abstimmungsbedarf in der kommunalen Familie – „nicht nur in Richtung Stuttgart geblickt, sondern auch in den eigenen Kreis“. Die Angelegenheit solle in der Bürgermeisterversammlung im Kreis besprochen werden. Maximilian Friedrich, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, sieht eine Arbeitsmarktzulage grundsätzlich kritisch. Sie könne ein großes „Konfliktpotenzial“ für die Belegschaft mit sich bringen. „Konkret zu nennen ist hier die mögliche Konstellation, dass eine langjährige Mitarbeiterin für die gleiche Tätigkeit tatsächlich weniger verdient als eine neu eingestellte Kollegin, die die Arbeitsmarktzulage erhält.“ Die Grundsätze, nach denen sie vergeben wird, sollten insbesondere hinsichtlich der infrage kommenden Berufsgruppen klar definiert und eng begrenzt sein. „Es wäre meines Erachtens nicht zielführend, wenn wir mit kommunalen Mitteln eine umfangreiche, nicht klar abgegrenzte Arbeitsmarktzulage auf Kreisebene finanzieren“, so Friedrich. Lediglich Jürgen Hestler (SPD) signalisierte die Zustimmung seiner Fraktion zum Vorschlag der Kreisverwaltung – allerdings mit Bedenken. Denn auch er sah die Gefahr einer Konkurrenzsituation. Weinstadts Oberbürgermeister Michael Scharmann (Freie Wähler) sprach sich dafür aus, die Entscheidung zu verschieben. Die Formulierung im Beschluss aus 2008, dass eine Zulage in Höhe von bis zu 20 Prozent gezahlt werden könne, war ihm zu weit gefasst. Hier müsse man nachbessern.
Am Ende musste auch der Landrat einsehen, dass keine Entscheidung für den Vorschlag zustande kommen würde. „Ich spüre, dass es Aufklärungsbedarf gibt“, so Sigel. Die Ausschussmitglieder stimmten in der Folge auch mehrheitlich dafür, die Beschlussfassung zu verschieben und erneut über die Angelegenheit zu beraten.