Diskussion um Schulkleidung in Backnang

Pünktlich zum Schulstart entbrennt die Diskussion, ob man Schülern die Wahl der angemessenen Kleidung vorschreiben und nicht akzeptierte Kleidungsstücke verbieten soll. An den Schulen in Backnang geht man unterschiedliche Wege, die zum selben Ziel führen sollen.

Auf dem Schulhof der Mörikeschule dürfen die Schülerinnen und Schüler alles tragen, was „angemessen“ ist. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Auf dem Schulhof der Mörikeschule dürfen die Schülerinnen und Schüler alles tragen, was „angemessen“ ist. Foto: Alexander Becher

Von Carolin Aichholz

Backnang. Immer wieder wird in unregelmäßigen Abständen die Wahl der Kleidung an den Schulen diskutiert. In Frankreich geht es nun um die Einführung von einheitlicher Schulkleidung und auch in Deutschland meldeten sich dazu wieder viele Beteiligte zu Wort. Die Vorsitzende des Bundeselternrats, Christiane Gotte, hat sich ebenfalls für einheitliche Kleiderordnungen an Schulen ausgesprochen. Wer nicht ordentlich angezogen ist, soll nach Hause geschickt werden können, um sich entsprechend umzuziehen.

Karin Moll, die geschäftsführende Schulleiterin der Backnanger Schulen, hat als Rektorin einer Erasmus-Schule viel Kontakt zu Schulen im Ausland und ist darum auch mit vielen Konzepten vertraut, wie diese die Kleiderfrage handhaben. „Wichtig ist immer zu beachten, dass die Wahl der Kleidung im jungen Alter auch immer eine Frage des Lebensstils ist.“

Wenn sie heute durch die Gänge der Mörikeschule geht, sieht sie abgesehen von wenigen Ausnahmen auch keine tiefgreifenden Probleme. „Diese sehr weiten Jogginghosen, die vor einigen Jahren sehr beliebt waren und die ich auch absolut nicht mag, sieht man heute kaum noch.“

Die Empörung der Erwachsenen über die Kleiderwahl der Jugend kennt sie selbst aus ihrer eigenen Schulzeit. „In den 70ern kamen die Jeans auf, da haben auch sehr viele Lehrer despektierliche Bemerkungen darüber gemacht“, erinnert sich Karin Moll.

Der Vorsitzende des Gesamtelternbeirats in Backnang, Torsten Früh, schlägt in die gleiche Kerbe. „Natürlich soll Kleidung in den Schulen angemessen sein, doch letztendlich bringen Schüler damit auch ihre Persönlichkeit zur Geltung.“ Das von höherer Stelle durch Verbote bestimmen zu wollen, sei der falsche Ansatz.

Mit oder ohne Verordnung ans Ziel

Probleme sieht der Jurist auch bei der Definition von „unangemessener, lottriger und zu freizügiger“ Kleidung, von der die Bundeselternrätin Gotte spricht. „Wer entscheidet, wann eine Jogginghose zu lottrig ist, oder wann hat eine modische Jeans zu viele Löcher?“, fragt sich Früh. Er begrüßt jedoch, dass die Schulen sich selbst eine entsprechende Kleiderordnung geben können.

Im Jahr 2018 hat die Gemeinschaftsschule in der Taus genau das getan. Schulleitung, Gesamtlehrerkonferenz und Schulkonferenz haben eine entsprechende „Kleiderklausel“ in die Schulordnung eingebaut.

Nicht akzeptiert werden Jogginghosen, bauch- oder schulterfreier Kleidung und Badeschlappen. Leggins sind nur in Kombination mit einem langen T-Shirt erlaubt. Das gelte nicht nur für die Schüler, sondern für alle „am Schulleben beteiligten Personen“.

Rektor Jochen Nossek hat damit gute Erfahrungen gemacht. Grundsätzlich hält er nichts von Verboten und appelliert stets an den gesunden Menschenverstand. Da das in diesem Fall allerdings nicht zum gewünschten Ergebnis führte, wurden diese Regeln formuliert, um für Klarheit zu sorgen. Er begrüßt es, wenn Schüler ihre Persönlichkeit mit der Wahl ihrer Kleidung unterstreichen. Shirts mit politischen Botschaften, die lediglich provozieren sollen, sieht er jedoch auch kritisch. Und Nossek sagt: „Die Schule ist kein Laufsteg.“ Dabei sieht er besonders die Schülerinnen in der Verantwortung, sich nicht zu freizügig zu kleiden.

Das Argument, den Eltern die Diskussion mit ihren eigenen Kindern ersparen zu wollen, sieht Karin Moll von der Mörikeschule als typisches Zeichen unserer Zeit. „Eltern wollen ihren Kindern nichts verbieten. Wenn ich das allerdings durch schulische Verordnungen ersetze, ist das nicht zielführend. Kinder müssen an die Hintergründe herangeführt werden und dann richten sie sich auch danach.“

Wenn die Eltern diese Erziehungsaufgabe verpasst haben, sieht Jochen Nossek jedoch die Schulen in der Verantwortung. „Dann können wir uns nicht rausziehen. Wir müssen die Schüler eben daran erinnern, dass bestimmte Kleider auch entsprechende Signale senden.“

Rektorin Karin Moll geht an der Mörikeschule einen anderen Weg. „Wir haben uns in unserer Schulordnung bewusst für die vage Formulierung der angemessenen Kleidung entschieden“, sagt sie. „Verbote müssen immer auch durchgesetzt und in irgendeiner Form geahndet werden. Das wollen wir vermeiden und mit unseren Schülern immer wieder auf Gespräche setzen.“

Darin sollen die Beweggründe vermittelt werden, die hinter einem vielleicht gut gemeinten Verbot stehen würden und die im Kern auch ihr Kollege Jochen Nossek vertritt. „Wir möchten am Ende Schulabgänger mit einer vollwertigen Bildung, die Umgangsformen beherrschen und wissen, wie man anderen Menschen respektvoll gegenübertritt. Das äußert sich eben auch in der Wahl der Kleidung und ist auch wichtig für ihr späteres Berufsleben.“

Dahinter steckt ein größeres Problem

Darum spielt die Kleidung an beiden Schulen auch im Zuge der Berufsvorbereitung eine wichtige Rolle. Knigge-Kurse sensibilisieren die Jugendlichen für ein gesellschaftlich konformes Erscheinungsbild.

Nicht außer Acht lassen dürfe man, dass am Ende auch immer soziale Ungleichheiten hinter dem Problem stecken, sagt Karin Moll. „Wir haben auch viele geflüchtete Schüler, die gespendete Kleider tragen, denen kann ich doch nicht den Kauf von anderen Klamotten auferlegen.“

Und diese Ungleichheiten verschwinden nicht mit einer Kleiderordnung. „Selbst wenn wir festlegen, dass wir blaue Hosen und ein Mörike-Shirt tragen, werden manche Markenkleidung tragen und andere eben Kleidung, die weniger kostet. Da darf man sich nichts vormachen.“ Lieber sollte man daran arbeiten, diese Ungleichheiten zu verkleinern, sagt die Rektorin.

Die Leiterin des staatlichen Schulamts, Sabine Hagenmüller-Gehring, sieht im Tragen von einheitlichen Schulklamotten jedoch schon eine Möglichkeit, die Jugendlichen zu überzeugen, dass sie nicht in Schablonen gedrückt werden sollen, sondern etwas Gemeinsames daraus entstehen kann. „Man kann in einem demokratischen Prozess die Farben und Logos gemeinsam gestalten und schafft damit ein Angebot, das angenommen werden kann, aber nicht angenommen werden muss.“

Zudem sei es immer sinnvoll, alle Gremien miteinzubeziehen und eine gute Kommunikation zwischen Eltern, Schülern, Lehrern und der Schulleitung beizubehalten.

Die Meinungen der Schüler

Die Schüler der Mörikeschule sind bei dem Thema sogar fast der gleichen Meinung wie die Erwachsenen. „Wir wollen etwas anziehen, worin wir uns wohlfühlen, aber es sollte schon nicht zu lässig sein“, sagt die 15-jährige Panagiota. In ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen sich die Schüler auch nicht. „In meiner Freizeit laufe ich eigentlich genauso rum wie hier auch“, sagt Lara.

Die Geister scheiden sich beim Thema Schuluniformen. Der 16-jährige Johannes kann der Einführung von Einheitskleidung durchaus etwas abgewinnen, da sie Zusammengehörigkeit und Gemeinschaftsgefühl fördern könnte. Eine andere Schülerin findet es jedoch nicht gut, dass bei solch einer Regelung, die Mädchen gezwungen werden könnten, einen Rock zu tragen.

Dass sie sich im späteren Berufsleben auch an gesellschaftliche Normen halten müssen, ist den Jugendlichen bewusst, darum haben sie auch keine Probleme damit, sich bereits in der Schule damit zu arrangieren. Zum Abschluss bringt Johannes noch ein schlagkräftiges Argument: „Die Diskussion um angemessene Kleidung könnte man mit der Einführung von Schuluniformen zumindest für immer beenden.“

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Erstellt:
16. September 2023, 06:00 Uhr

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