Nach dem Tod von drei Teenagern

Unter dem Aussichtsturm brennen Kerzen der Trauer

Drei Mädchen werden vergangene Woche tot an einem Aussichtsturm gefunden. Vor Ort herrscht Fassungslosigkeit. Weil das kein Einzelfall ist, werden Forderungen nach mehr Sicherheit und sogar dem Abriss des Turms laut.

Kerzen und Blumen vor dem Absperrgitter.

© STZN/Dürr

Kerzen und Blumen vor dem Absperrgitter.

Von Florian Dürr und Eberhard Wein

Rund um den Aussichtsturm „Hohe Warte“ bei Pforzheim herrscht an diesem Montagmittag Stille. Vier Tage nachdem ein Passant drei Jugendliche tot unter dem Turm gefunden hat, gehen nur wenige den zehn Minuten langen Fußweg vom Wanderparkplatz durch den Wald hinauf. „Man kann es sich einfach nicht vorstellen“, sagt eine Frau und schüttelt den Kopf. Eine andere zündet eine Kerze an.

Die Treppe zu der 40 Meter hohen Aussichtsplattform hat die Stadt Pforzheim durch ein Absperrgitter gesichert, auf dem Boden davor bringen Menschen ihre Trauer mit Blumen und Kerzen zum Ausdruck. „Die gemeinsame Zeit wird immer in meinen Erinnerungen bleiben. Hab euch lieb“, heißt es auf zwei Kerzen.

Eltern von Schülern im Umkreis sind besorgt

Was genau am Donnerstag oberhalb des Stadtteils Hohenwart passiert ist, wird von der Polizei gegenwärtig rekonstruiert. „Wir haben ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet“, sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums in Pforzheim. Bisher gebe es keine Hinweise auf ein Fremdverschulden – ob vorsätzlich oder fahrlässig. Es würden aber „alle objektiven und subjektiven Beweismittel erhoben“, auch in den sozialen Medien. Die Frage, ob Mobbing die drei Jugendlichen in den Suizid getrieben haben könnte, kommentiert er nicht.

Bei den Toten soll es sich um drei Achtklässlerinnen handeln, doch ihr Alter wird von der Polizei nicht bestätigt. Laut einer Mitteilung der Stadtverwaltung besuchten sie dieselbe Schule, offenbar ein Gymnasium. Die Jugendlichen dort würden psychologisch betreut. Ein Trauerraum sei eingerichtet worden. In den meisten Klassen laufe der Unterricht wieder, auch in der betroffenen Klassenstufe soll dies im Laufe der Woche wieder der Fall sein – „soweit dies möglich ist“, wird der Schulleiter zitiert.

Zahlen gibt es nicht, von zwei weiteren Fällen in diesem Jahr ist die Rede

Ein Mann geht eilig um den Turm, schaut immer wieder nach oben, am Ohr das Handy, er telefoniert – und scheint immer wieder Informationen durchzugeben. Am anderen Ende sei seine Frau gewesen, erzählt Fabijan Perkovic nach dem Telefonat. Er ist extra in der Mittagspause hierher gefahren. Er habe selbst einen Arbeitskollegen verloren, der sich mit einem Sprung von dem Turm das Leben genommen hat. Und das Ehepaar hat zwei Kinder im Teenager-Alter, einen 14-jährigen Sohn, eine 15-jährige Tochter, die der Vorfall sehr beschäftigt.

Die Eltern sind besorgt, seit sie davon gehört haben. Um 6 Uhr am Montagmorgen habe ihm sein Sohn geschrieben, dass etwas Schlimmes passiert sei und dass er sprechen möchte, erzählt Petkovic. Der Tod der drei Teenager beschäftige nicht nur die Schule, auf die die Jugendlichen gegangen sind, sondern alle im Umkreis. Nicht das erste Mal komme es zu so einem tragischen Vorfall. Offizielle Zahlen gibt es nicht, doch von zwei weiteren Fällen in diesem Jahr ist die Rede. „Da muss was passieren“, fordert der Vater.

Rede vom „Turm des Todes“

Was das sein könnte, steht für Carsten Stahl schon fest. Von Berlin ist der selbst ernannte Antimobbing-Trainer, Kinderschützer und ehemalige RTL-2-Star angereist. Manche meinen, das diene nur seinem Selbstmarketing, doch Stahl gibt sich betroffen. Schon am Samstag spricht er bei einer spontanen Trauerversammlung am „Turm des Todes“, wie das Bauwerk von manchen genannt wird. Die Verantwortlichen hätten jahrelang versäumt, für Sicherheit zu sorgen. „Wenn Ihr so weiter macht, werden die Bürger ihn selbst abreißen“, droht Stahl in einem Video auf Instagram.

Der Familienvater Fabijan Perkovic hält von einem Abriss nichts. Mit seinen Kindern ist er selbst schon dort oben gestanden und hat die Aussicht über den Nordschwarzwald genossen. Der Hohenwarter Ortschaftsrat hat derweil in einer Sondersitzung beschlossen, das Bauamt mit einer besseren Absicherung zu beauftragen. So lange soll der Turm gesperrt bleiben. Auch Perkovic findet das richtig. „In der jetzigen Form soll der Turm nicht wieder geöffnet werden, das kann nicht gut gehen.“

Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 und unter https://ts-im-internet.de/ erreichbar. Eine Liste mit Hilfsangeboten findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: https://www.suizidprophylaxe.de/

Der Aussichtsturm „Hohe Warte“ ist 40 Meter hoch.

© STZN/Dürr

Der Aussichtsturm „Hohe Warte“ ist 40 Meter hoch.

Wegen der drei tot aufgefundenen Teenager ist der Turm vorübergehend geschlossen.

© STZN/Dürr

Wegen der drei tot aufgefundenen Teenager ist der Turm vorübergehend geschlossen.

Vor dem Absperrgitter wird mit  Blumen und Kerzen an die  Jugendlichen gedacht.

© STZN/Dürr

Vor dem Absperrgitter wird mit Blumen und Kerzen an die Jugendlichen gedacht.

„Die gemeinsame Zeit wird immer in meinen Erinnerungen bleiben“, schreibt eine Trauernde auf zwei Kerzen.

© STZN/Dürr

„Die gemeinsame Zeit wird immer in meinen Erinnerungen bleiben“, schreibt eine Trauernde auf zwei Kerzen.

Der Turm wurde vor 22 Jahren erbaut.

© STZN/Dürr

Der Turm wurde vor 22 Jahren erbaut.

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Erstellt:
2. Dezember 2024, 16:12 Uhr
Aktualisiert:
2. Dezember 2024, 18:55 Uhr

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