Donnerschlag im 45-Millionen-Fall
Geldwäscheprozess um einen Schorndorfer: Staatsanwalt fordert für die vier Angeklagten insgesamt 35 Jahre Gefängnis

© Pressefotografie Alexander Beche
Foto: A. Becher
Von Peter Schwarz
SCHORNDORF/STUTTGART. „Dies ist eines der größten Geldwäschekartelle, die jemals aufgedeckt wurden“: Bereits der erste Satz im Plädoyer von Oberstaatsanwalt Michael Wahl war ein Donnerschlag, weitere Hämmer folgten, als er am Ende seine Strafforderungen erhob:
13 Jahre Gefängnis für einen Pakistani, 51, aus Dubai: Er soll „Spiritus Rector“ gewesen sein beim Versuch, Unmengen schmutzigen Drogengeldes zu waschen.
12 Jahre Gefängnis für einen Schorndorfer türkischer Herkunft, 45: Er soll mit seiner Firma Noble Glitter (Name geändert) die Details organisiert haben.
3,5 Jahre Gefängnis für die Ehefrau, 44, des Schorndorfers: Sie soll für die Buchhaltung zuständig gewesen sein.
6,5 Jahre Gefängnis für einen weiteren Schorndorfer, 34: Er soll als Geldkurier mitgewirkt haben.
Von Mitte 2017 bis Januar 2018 schafften die vier Angeklagten fast 45 Millionen Euro von Schorndorf nach Dubai, Vereinigte Arabische Emirate. Die Barausfuhren waren ordnungsgemäß beim Zoll angemeldet. Das Geld aber stammte aus Holland, aus dem Drogenhandel, glaubt Wahl.
Indizien: Nachweislich war der Kurier oft in Holland, aufwendige Recherchen im Nachbarland haben das offenbart. Es gibt Bilder aus Überwachungskameras und Strafzettel, weil der Noble-Glitter-Firmenwagen in eine Radarfalle rauschte. Im Januar 2018 wurde ein Geldtransport abgefangen: Die deutsch-holländische Grenzpolizei hielt bei einer Routinekontrolle den Kurier an und fand im Kofferraum des Autos in der Reserveradmulde versteckt 1,5 Millionen Euro.
Direkt nach den Hollandfahrten wurde Bargeld nach Dubai geflogen
Direkt vor der Kontrolle hatte der Kurier sich mutmaßlich zur Geldübergabe auf einem niederländischen Parkplatz mit einem Mann getroffen, der wegen Drogendelikten vorbestraft ist. Jeweils genau einen Tag nach den belegbaren Hollandfahrten wurde Bargeld nach Dubai ausgeflogen.
Diese Holland-Connection aber, argumentiert Wahl, verschleierten die Angeklagten, indem sie eine raffinierte Alternativlegende rund um das Geld strickten, einen angeblichen Goldhandel konstruierten: Laut Buchhaltungsunterlagen verkaufte Noble Glitter regelmäßig große Mengen Feingold an die rumänische Firma Goodcash (Name geändert). Damit sah es aus, als gäbe es legale Einnahmen in enormer Höhe, als stamme also das Geld, das nach Dubai wanderte, nicht aus schmutzigen Machenschaften in Holland, sondern aus sauberen Geschäftsbeziehungen mit Rumänien.
Um die Mär vom Goldhandel zu erhärten, legten die Angeklagten nicht nur buchhalterische Trugspuren: Die Dubaier Firma des angeklagten Pakistani schickte tatsächlich regelmäßig Goldbarren nach Schorndorf. Damit sah es aus, als hätten die hohen Barausfuhren von Noble Glitter einen legalen Grund. Das Geld ging als Bezahlung in die Emirate, um von dort im Gegenzug Edelmetall zu bekommen.
Wieder aber recherchierten die Ermittler international und fanden Ungereimtheiten: Die rumänische Firma Goodcash dieses Unternehmen, das angeblich so liquide war, dass es Millionen und Abermillionen in bar für regelmäßige Goldlieferungen aus Schorndorf hinblättern konnte, entpuppte sich laut rumänischem Handelsregister als Miniklitsche, die Sperrholzplatten baute, Umzugstransporte machte und bereits 2016 Insolvenz angemeldet hatte! Das roch nach Strohfirma.
Auch mit dem Feingold, das aus Dubai nach Schorndorf geliefert wurde, stimmte etwas ganz und gar nicht. Einmal begann am Flughafen ein Zollbeamter an einem der Barren Reinheitsgrad angeblich 99,9 Prozent zu kratzen; die dünne Goldschicht blätterte ab, darunter kam billiges Silber zum Vorschein.
Weitere Recherchen offenbarten: Das aus Dubai eingeführte „Feingold“, das laut Buchhaltung nach Rumänien weiterverkauft wurde, kam nie dort an. Sondern wanderte stattdessen wohl nach London und von dort zurück nach Dubai! Es wechselte womöglich nie den Besitzer. Wahls Folgerung: Die Barren wurden auf Rundreise geschickt, um den Anschein eines Goldhandels zu erwecken.
„Man muss nicht die hellste Leuchte am Christbaum sein“
„Gewerbs- und bandenmäßig begangene Geldwäsche“ im großen Stil, sagt Wahl. Die geringste Strafe fordert er für die Ehefrau, sie sei eher „Getriebene“ als Treiberin gewesen. Wenn sie nachhakte, habe ihr Mann geantwortet: „Frag nicht. Es geht dich nichts an.“ Allerdings: Sie hätte durchaus etwas ahnen können, findet der Ankläger. „Man muss nicht die hellste Leuchte am Christbaum sein, um zwei und zwei zusammenzuzählen: Da ist was oberfaul.“
Ja, dies ist ein „Indizienprozess“, räumt Wahl ein, aber das sei nichts Ungewöhnliches bei Verfahren um organisierte Kriminalität. „Es sind nicht die Dümmsten, mit denen man da zu tun hat.“ Derlei lasse sich nur aufklären, wenn Ermittler mit „Geduld, Erfahrung, Fleiß“ so viele „Puzzleteile“ in halb Europa zusammentragen, bis sich ein Gesamtbild ergebe.
Das Verfahren wird nächste Woche mit den Plädoyers der Verteidiger fortgesetzt.