Drogen an Minderjährige weitergegeben
Der 33-jährige Angeklagte wird vom Backnanger Schöffengericht zu einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

© Boonchai - stock.adobe.com
Gegen eine „Provision“ hat der Angeklagte Drogen an Minderjährige vermittelt. Symbolfoto: Stock Adobe/Boonchai
Von Jutta Rieger-Ehrmann
Backnang. Ein 33-Jähriger musste sich vor Gericht verantworten, weil er zwischen März 2017 und März 2019 in Murrhardt monatlich kleine Mengen Marihuana gekauft haben soll, überwiegend für den Eigenkonsum. Um das Verfahren zu vereinfachen, werden eine ganze Reihe ähnlicher Verstöße zusammengefasst und eingestellt, da sie gegenüber den relevanten Straftaten nicht ins Gewicht fallen. Der Richter konzentrierte sich daher auf die Fälle, in denen es um die Weitergabe von Marihuana an einen Minderjährigen und dessen Freund sowie um das Fahren ohne Fahrerlaubnis geht. Diese werden vom Angeklagten gestanden.
Bei dem Jugendlichen handelt es sich um einen ehemaligen Nachbarn. Seine Aussage wird jedoch nicht benötigt. Ein weiterer Zeuge kann wegen einer Coronaerkrankung nicht anwesend sein. Als einziger Zeuge erscheint also ein 53-jähriger Polizeibeamter, der mit der Wohnungsdurchsuchung im Januar 2020 und der Auswertung des Chatverlaufs auf den beschlagnahmten Handys befasst war. Daraus geht hervor, dass der Beschuldigte als Vermittler gegenüber der Dealerin auftrat, gegen eine kleine „Provision“. Um die Übergabe abzuwickeln, war man gemeinsam mit dem Auto unterwegs, der Angeklagte eben ohne besagten Führerschein. Zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt, sagt er aus, dass er 1988 in Leipzig geboren wurde und dort bis zu seinem fünften Lebensjahr bei Mutter und Oma lebte, als Ältester von sieben Halbgeschwistern. Danach zog er nach Murrhardt. Dort besuchte er drei Jahre die Schule, bis er, aufgrund von Konflikten mit seiner Mutter, im Alter von elf Jahren ins Heim musste, wo er ungefähr mit 16 auch das erste Mal Kontakt mit Drogen hatte. Die 9. Klasse verließ er ohne Abschluss. Eine Berufsausbildung hat er nicht.
Angeklagter will Neuanfang in Leipzig
Er übte verschiedene Tätigkeiten aus, meist befristet. „Bis zu der Hausdurchsuchung“, so der Angeklagte. Zu seiner zwölfjährigen Tochter hat er keinen Kontakt. Er lebt von ALG II, repariert gerne Autos und Roller, auch um eine Beschäftigung zu haben und „sich vom Alkohol abzulenken“. Inzwischen habe er keine Drogen- und Alkoholprobleme mehr, beteuert der 33-Jährige. Er möchte auch weg von seinem jetzigen Umfeld und einen Neuanfang in Leipzig wagen, wo er im gleichen Haus wie seine Schwester eine Mietwohnung bekommen kann. Sein größter Wunsch sei es, den Führerschein zu machen, was wegen der verschiedenen Vorstrafen an gewisse Auflagen gebunden sein wird, so der Richter. Eintragungen gibt es einige, vom Fahren ohne Führerschein über Körperverletzung, Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Betrug bis hin zu einer Verurteilung wegen Bedrohung eines Belastungszeugen. Keinen Schulabschluss, keinen Job, keinen Führerschein, etliche Vorstrafen? Da stellt sich die Frage nach der Perspektive. So sieht es auch der Staatsanwalt. Er fordert für die Drogenabgabe an Minderjährige und das Fahren ohne Fahrerlaubnis eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung. Als Begründung führt er die diversen Vorstrafen, die mehrfache Verlängerung der Bewährung und eine nicht sehr positive Zukunftsprognose an.
Der Rechtsanwalt kommt „naturgemäß“ zu einem anderen Schluss. Mit Rücksicht auf seine schwierige Jugend und die ungünstigen Startchancen plädiert er auf zwei Jahre mit Bewährung. Hinzu kommt, dass der Beschuldigte in Sachen Drogen nicht vorbelastet und „ein kleiner Fisch“ sei. Die Sozialprognose schätzt er durchaus positiv ein, da der 33-Jährige in einem neuen Umfeld und in der Nähe seiner Schwester am ehesten die Chance hat, wieder auf die Beine zu kommen.
Gericht entscheidet sich für Bewährung
Das Schöffengericht verhängt eine Gesamtstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung, unter Einbeziehung einer Verurteilung vom September 2020. Die Bewährungszeit umfasst also zwei Jahre und sechs Monate. Der Verurteilte trägt die Kosten des Verfahrens und muss innerhalb von neun Monaten 80 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten (eigentlich 120, aber 40 Stunden wurden schon geleistet). Strafmildernd wirkt sich sein Geständnis aus. Zudem sei er auch eher ein Mittelsmann und nicht der „typische Verführer“ gewesen, so der Richter. Außerdem hege er die Hoffnung, dass der 33-Jährige die Bewährungsauflagen erfüllen werde und er in seinem zukünftigen Lebensumfeld sein Hobby, das Reparieren von Autos, zum Beruf machen könne. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.