„Ein beispielhaftes Leben“
Auf den Spuren Heinrich Schickhardts zum Tag des offenen Denkmals – Durch Backnang führen Bernhard Trefz und Gerald Friese
25 Jahre Tag des offenen Denkmals – 8000 Denkmale öffneten gestern im Jubiläumsjahr in Deutschland. In Backnang begaben sich Interessierte auf die Spuren Heinrich Schickhardts. Durch die Stadt führten Stadtarchivar Bernhard Trefz sowie Gerald Friese, der den literaturhistorischen Part übernahm.

© Pressefotografie Alexander Beche
Gerald Friese streute gestern beim Stadtrundgang Biografisches und Anekdotisches ein. Der Schauspieler ließ einige der Zeitgenossen Heinrich Schickhardts zu Wort kommen. Foto: A. Becher
Von Carmen Warstat
BACKNANG. Mit verschiedenen weitverbreiteten Irrtümern zur Backnanger Architekturgeschichte räumte Stadtarchivar Bernhard Trefz auf und informierte auf einem Spaziergang durch den Ortskern über das Wirken des Landesbaumeisters Heinrich Schickhardt. Schauspieler Gerald Friese streute auf unterhaltsame Art Biografisches und Anekdotisches ein und ließ einige der Zeitgenossen Schickhardts zu Wort kommen. „Ein beispielhaftes Leben“ habe letzterer geführt, so Friese. Er verwies auf die Einführung in das „Inventarium“ des Baumeisters, in der er als sympathisch einfacher Mensch beschrieben wird, als jemand, der den Arbeitern zuhörte und um ihr Befinden besorgt war, als Autodidakt mit „gar nicht akademischem Stil“, als sehr fleißiger Schaffer, der von Baustelle zu Baustelle reiste und mit den Geldern seiner Obrigkeit sparsam umging, als einen Mann mit methodisch-planvoller Herangehensweise, umfassendem Wissen und einer großen Bibliothek.
Schickhardt habe aufgrund all dieser Eigenschaften ein beträchtliches Vermögen anhäufen können. Insgesamt sollen es Besitztümer im Wert von 50 Tausend Gulden gewesen sein, darunter Weinberge und Bauwerke sowie Kapitalvermögen. Aber die Verantwortlichkeit Schickhardts für die Backnanger Architektur hält sich in Grenzen.
Tatsächlich hat man ihm die Pläne für ein Schloss (heutiges Amtsgericht), die nie ganz realisiert wurden, die Erhöhung des Stadtturms, den Bau eines Gefängnisses sowie den Bau der Alten Vogtei zu verdanken. Das Rathaus nannte der Stadtarchivar „heute das schönste Gebäude der Stadt“ und „wirklich ein tolles Bauwerk“, im Übrigen das einzige in Backnang aus seit jeher unverputztem Fachwerk. Insofern sei die Bezeichnung Backnangs als mittelalterliche Fachwerkstadt zwar dem Tourismus zuträglich, aber unzutreffend, beziehungsweise „historisch mitnichten richtig“. Schickhardt wurde das Rathaus lange Zeit irrtümlich zugeschrieben, weil davon eine Skizze aus seiner Feder existiert.
Umbau des gotischen Chors zum Turmschulhaus war eine Sünde
Interessiert lauschten die Gekommenen den Ausführungen des Stadtarchivars zu den Hintergründen für die Planung eines Backnanger Schlosses und betrachteten ein Modell des Entwurfs, den Schickhardt Anfang des 17. Jahrhunderts erstellt hatte. Auch die Nutzungsgeschichte historischer Bauten war ein Thema – Trefz nannte Beispiele für „pragmatische“ Entscheidungen der jeweiligen Stadthäupter und findet’s „manchmal etwas seltsam“. Anzunehmen ist, dass das Historikerherz angesichts gedankenlos zerstörter Details und anderer Sünden in Wirklichkeit blutet. Der Stadtarchivar deutete es maximal an, als er über die Umwidmung des gotischen Chors zu einem Turmschulhaus und den dortigen folgenreichen Einbau einer Treppe sprach. Erst später, mit dem Erstarken eines gewissen Geschichtsbewusstseins, habe man solche Fehlentscheidungen korrigiert und das Treppenhaus entfernt. „Ich bin nur ein Hologramm“, konstatierte indes Gerald Friese, der in die verschiedensten (meist historischen) Rollen schlüpfte und vorwiegend Lyrik von Martin Opitz bis Andreas Gryphius, aber auch Nelly Sachs intonierte.
Der Schauspieler tat dies überaus expressiv und ermöglichte seinen Zuhörern, sich in Schickhardts Zeit einzufühlen. Auch Prosa und Dramatisches kamen zu Gehör. So präsentierte er einen Auszug aus Lessings Ringparabel im Stück „Nathan der Weise“. Er thematisierte damit auch die zeitlose Frage nach der „rechten Religion“ und schlug den Bogen bis hin zu „literarischer Hocherotik“, bevor die Gruppe die Gelegenheit erhielt, das Rathaus auch von innen zu besichtigen.