Herzgarten auf städtischer Fläche
Artenschutz vor der Haustür Wer beispielsweise keinen eigenen Garten hat, kann für eine Grünfläche der Stadt Backnang eine Patenschaft übernehmen. Dirk Jerusalem hat dies vor fast vier Jahren getan und das Grundstück in einen Naturgarten verwandelt.
Von Lorena Greppo
Backnang. Die Brombeeren beschäftigen Dirk Jerusalem noch immer. Als er 2019 die Patenschaft für die städtische Grünfläche nahe Sachsenweiler beantragt hat, sei das Grundstück noch völlig zugewuchert gewesen. Im Auftrag der Stadt wurde die Fläche gerodet, „dann haben wir den Boden mehrfach durchgepflügt, um alles an Wurzelwerk zu entfernen“, berichtet er. Doch so leicht lassen sich Brombeeren nicht entfernen, weshalb sie auch heute noch immer neue Pflanzen bilden. Dennoch: Auf dem Grundstück hat sich eine grundlegende Wandlung hin zu einem Naturgarten vollzogen.
Das war schließlich auch das Ziel: Die Grünfläche solle zu einem geeigneten Biotop für viele Pflanzen- und Tierarten mit Schwerpunkt auf Insektenfreundlichkeit werden, gleichzeitig aber auch einen Erholungswert für den Menschen sowie einen Beitrag zur Ernährung bieten. Sein Vorhaben hat Jerusalem den Verantwortlichen der Verwaltung im Vorfeld geschildert, von dort habe er keine Steine in den Weg gelegt bekommen, erzählt er. Im Gegenteil: Die Bäume, welche er auf dem Grundstück gepflanzt hat, habe die Stadt bezahlt.
Aktuell registriert die Stadt Backnang 164 Grünpflegepatenschaften
Die Regeln für die Gestaltung der Grünflächen erklärt Pressesprecher Christian Nathan: „Die vorhandene Pflanzung ist zu erhalten und der öffentliche Charakter der Fläche beizubehalten. Eine Neupflanzung ist mit der Grünflächenabteilung abzustimmen. In der Regel werden die Pflanzen dann gestellt und die Paten pflanzen diese selbst ein. Die Pflege und Verkehrssicherungspflicht für Bäume bleibt überdies die Aufgabe der Grünflächenabteilung.“ Das zuständige Tiefbauamt unterstützt Interessierte auch gerne beratend (siehe Infobox).
Derzeit hat die Stadt Backnang 164 registrierte Grünpflegepatenschaften, wie Nathan mitteilt. Sie unterstützen ehrenamtlich den Baubetriebshof damit, zum Beispiel Beete entlang der Straßen und Plätze zu pflegen. Jährlich kämen weitere dazu, bei der Stadt gehen aber auch Kündigungen ein – meist altersbedingte Rückgaben.
„In der Vergangenheit wurden vor allem in Neubaugebieten die Anlieger von Grünzügen beziehungsweise angrenzenden straßenbegleitenden Grünflächen direkt angeschrieben. Außerdem werden die Grünpatenschaften im Rahmen von ‚Backnang blüht auf‘ beworben“, führt Nathan weiter aus. Mitmachen können Backnanger Hobbygärtnerinnen und -gärtner sowie Firmen, öffentliche Einrichtungen und Institutionen. Dirk Jerusalem erzählt auch von einer Samenbörse unter den Patinnen und Paten und berichtet: „Man schaut schon auch, was die anderen machen.“
Pflanzaktion im Frühjahr 2020 fand coronabedingt nicht statt
Dirk Jerusalem hat bei der Gestaltung seiner etwa 180 Quadratmeter großen Patenfläche Hilfe von seinen Nachbarn erhalten. Perspektivisch solle die Fläche dem BUND als Paten übergeben werden, zu dessen Vorstand Jerusalem gehört, und als Vorzeigegarten für den Naturgartenwettbewerb dienen.
Coronabedingt habe die gemeinsame Pflanzaktion im Frühjahr 2020 zwar nicht wie geplant stattfinden können, dennoch hätten sich verschiedene Haushalt zu verschiedenen Zeitpunkten engagiert. Als erstes wurden Apfel-, Quitten-, Mirabellen- und Kirschbäume gepflanzt (heimische Sorten aus der lokalen Baumschule) sowie Schwarze Johannisbeeren und Kletterrosen. „Die Hundsrose war schon drin, die habe ich gelassen, zusammen mit der Hagebutte“, so Jerusalem. Im ersten Jahr wurden zudem eine Totholzhecke, der lebende Weidenzaun (hierfür biegt man die Äste) sowie eine erste Blühfläche angelegt.
Anfangs, räumt der Backnanger ein, sei das Anlegen des Gartens richtig viel Arbeit gewesen. „Aber das hat ganz gut gepasst, denn im ersten Coronajahr konnte man ja sonst nicht viel unternehmen“, sagt er schmunzelnd. Nach der Erwerbsarbeit habe er deshalb regelmäßig auf der Grünfläche gewerkelt. In der Folgezeit sind verschiedene Neuerungen hinzugekommen: ein Stein-/Sandbiotop für Eidechsen, ein Bienenhotel, Nistkästen für Vögel und Fledermäuse und – ein optisches Highlight – ein aus Weiden geformtes Herz. Dieses wurde auch namensgebend: Aus dem Coronagarten wurde der Corazongarten (Corazon ist Spanisch für Herz). Passend gewählt, das merkt man im Gespräch mit Dirk Jerusalem: Der Beitrag zur Artenvielfalt ist ihm eine Herzensangelegenheit.
Inzwischen ist der Aufwand zur Pflege deutlich geringer geworden. Zwei Tage im Frühjahr und zwei im Herbst reichten aus, versichert er. Am Ende der Möglichkeiten ist Jerusalem aber noch nicht. „Das Projekt entwickelt sich weiter. Mal schauen, was funktioniert und was nicht“, sagt er gelassen. Eine kleine Wasserfläche wünscht er sich noch, „dafür sind die Ideen aber noch nicht so weit gediehen“, fügt er hinzu.
Kontakt Die Interessenten melden sich bei der Grünflächenabteilung im Tiefbauamt. Elke Hanvi (Telefon: 07191/894-273 , E-Mail: tiefbauamt@backnang.de) ist die zuständige Mitarbeiterin.
Pläne Nach der Kontaktaufnahme wird geklärt, welche Absicht die potenziellen Paten mit der Fläche verfolgen, ehe eine Patenschaftsvereinbarung getroffen wird. So ist es etwa nicht gestattet, dass die Fläche in den eigenen Garten „einverleibt“ oder ein privater Stellplatz darauf angelegt wird. Dafür müsste ein Pacht- oder Gestattungsvertrag abgeschlossen werden.
Laufzeit Die Patenschaft wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, ist aber jederzeit kündbar. Eine Anmeldung ist jederzeit möglich.