Buchvorstellung in Stadtbibliothek
Ein Kinderbuch überwindet Sprachgrenzen
Mit „Stuttgart, das sind wir! Eine Reise um die Welt“ haben das Forum der Kulturen und vier Vereine ein Spiegelbild der vielfältigen Stadtgesellschaft geschaffen, wie auch die Buchvorstellung in der Stadtbibliothek belegt.
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© /Lichtgut/Ferdinando Iannone
In der Stadtbibliothek wurde das neue Kinderbuch „Stuttgart, das sind wir! Eine Reise um die Welt“ vorgestellt.
Von Heidemarie A. Hechtel
Der zehnjährige Kuni darf zum ersten Mal nach Kamerun reisen. In das Land in Zentralafrika, aus dem seine Eltern stammen, die in Stuttgart eine neue Heimat gefunden haben. Endlich wird er seine Oma umarmen können. Aber dann muss er feststellen, dass er gar nicht mit ihr reden kann, ihre Sprache ist ihm fremd. Es trifft ihn ins Herz, und er erkennt, dass ein Mensch ohne seine Muttersprache wie ein Baum ohne Wurzeln ist. Er wird Fe’efe’e, eine der vielen Sprachen Kameruns, lernen, denn sie „ist ein Schatz und die Brücke zur Familie und Herkunft“.
Der 14-jährige David, ebenfalls aus Kamerun, erzählt diese Geschichte, als in der Stadtbibliothek das neue Kinderbuch „Stuttgart, das sind wir! Eine Reise um die Welt“, vorgestellt wird. Bewusst am Tag der Mehrsprachigkeit, denn das Buch nimmt mit auf die Reise nach China, Kuba, Kamerun und die Ukraine, und holt diese Länder auch in Sprache und Schrift ganz nah heran. Mitten hinein ins Leben in und um Stuttgart, wo die Kinder und Erwachsenen aus diesen Ländern zuhause sind und Angehörige von 180 Nationen 120 Sprachen sprechen. „Wir feiern die wunderbare Vielfalt in Stuttgart“, so Antonio Russo, Initiator und Herausgeber des Buches vor den ebenso vielfältigen und vielsprachigen Mitwirkenden und Gästen.
Muttersprache als Ausdruck der kulturellen Identität
Mehrsprachigkeit: Was für ein sperriges Wort. Aber Russo, beim Forum der Kulturen genau dafür und für Familien und Bildung zuständig, wollte vermitteln, dass polyglotte Kompetenz in unserer multinationalen Gesellschaft den Schlüssel zur Welt bedeutet und die Muttersprache Ausdruck der kulturellen Identität ist. Und erhält dafür Dank, Beifall und Bestätigung.
Die Idee dazu, verrät er, stamme von seiner Oma, die für den fern lebenden Enkel ein Buch mit Gedichten aus neapolitanischer Tradition geschrieben hat. Damit er seine Herkunft nicht vergesse. Nach ihrem Vorbild haben an die hundert Kinder, Eltern und Großeltern persönliche Geschichten, Gedichte und Rezepte jeweiliger Lieblingsgerichte beigesteuert für das Buch, das die Zeichnungen der Kinder obendrein zu einem Vergnügen und einer kleinen Kostbarkeit machen.
Entstanden ist es in Zusammenarbeit mit dem China Kulturkreis, der 2000 als Träger der chinesischen Sprachschule Stuttgart gegründet wurde, der Mission des Puntos de Encuentro für die Förderung der spanischen Sprache und Kultur, der Cameroonian Association of Stuttgart and Environs, kurz Camas, und dem Ukrainische Atelier für Kultur und Sport.
Vielfalt im Buch und auf der Bühne
Die wunderbare Vielfalt, die Russo preist, entfaltet sich nicht nur im Buch, sondern auch auf der Bühne: Björn Wang, 10 Jahre alt und „geborener Schwabe“, wie sein Vater souffliert, führt das Publikum in die Geheimnisse des chinesischen Einmaleins ein: „Die Acht sieht aus wie eine deutsche Zwei, nur quergelegt.“ Weiter geht es mit der Biene Lilo als Reiseleiterin nach Kuba. Luisa (16) erzählt, dass ihre Mutter aus Liebe zu einem Stuttgarter vor zwanzig Jahren nach Stuttgart kam.
Schwer wird das Herz beim nächsten Ziel Ukraine, das vom verzweifelten Verteidigungskrieg gegen Russland überschattet ist: „Unsere Kinder wurden gezwungen, ihre Heimat zu verlassen“, hebt Olena Luzanova, selbst aus Odessa geflüchtet, das Schicksal Tausender Flüchtlinge hervor. „Diese Kinder dürfen die Sprache und Kultur ihrer Heimat nicht vergessen“, betont Kseniya Fuchs und erinnert daran, dass die ukrainische Sprache während der Sowjetunion verboten war: „So etwas darf nie wieder passieren.“ Da wird es ganz still im Max-Bense-Forum, als die siebenjährige Zlatka Nimenko ein Gedicht von Vasyl Symonenko aus dem Jahr 1962 vorträgt: „Weißt Du, dass Du ein Mensch bist?“ In der Muttersprache, die das Mädchen sicher nie vergisst.
Das Buch, das demnächst im Unterricht der Grundschulen verwendet wird, kann gegen eine Spende in der Geschäftsstelle des Forums der Kulturen, Marktplatz 4, 70173 Stuttgart, erworben werden.