Landrat Richard Sigel blickt auf seine erste Amtszeit zurück
Am Montag wird in Fellbach der Landrat des Rems-Murr-Kreises neu gewählt. Amtsinhaber Richard Sigel hat keinen Gegenkandidaten – auch weil er parteiübergreifend beliebt ist. Ein Rückblick auf sein Wirken der vergangenen acht Jahre.

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Richard Sigels verbindliches Wesen wird im Kreistag sehr geschätzt. Foto: Alexander Becher
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. Attraktive Jobangebote hat es in seiner ersten Amtszeit durchaus gegeben und Richard Sigel hat sich auch gut überlegt, ob er sie annehmen soll. Am Ende hat er sich immer gegen eine neue Station in seiner Karriere und für den Rems-Murr-Kreis entschieden. „Ich stehe für Verlässlichkeit. Da geht man nicht einfach so“, sagt er rückblickend. Und so stellt sich der Landrat auch für eine zweite Amtszeit zur Verfügung. Seine Wahl am Montag in Fellbach ist eigentlich reine Formsache. Gegenkandidaten gibt es nicht – wahrscheinlich aus einem einfachen Grund: Der 45-Jährige ist überaus beliebt und zwar über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg. Wer seine Weggefährten der vergangenen acht Jahre im Kreistag und in den Kommunen fragt, bekommt vor allem eines zu spüren: Freude darüber, dass der Landrat dem Rems-Murr-Kreis erhalten bleibt.
Es ist ihm gut gelungen, die emotionale Wunde zu schließen
„Er ist ein Netzwerker“, sagt der Freie-Wähler-Kreisrat und Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich über den Kreischef. Besonders spürbar sei dies gewesen, als es um das Klinikthema ging. „Diese emotionale Wunde zu schließen war ihm eine Aufgabe und das ist ihm gut gelungen.“ Der CDU-Kreisrat und Murrhardter Bürgermeister Armin Mößner hebt hervor, dass Sigel „integrierend wirkt, menschlich ist, die Städte und Gemeinden bei den sich stellenden Themen mitnimmt, um Lösungen bemüht und ein Landrat zum Anfassen“ ist. Er versuche immer, den größtmöglichen Konsens zu erreichen. Der SPD-Landtagsabgeordnete und Kreisrat Gernot Gruber sieht es als Sigels wahrscheinlich größte Leistung an, dass er „die Gräben zwischen Rems und Murr überwunden“ hat. Er sei ein „kluger, tüchtiger, den Menschen zugewandter und jederzeit ansprechbarer Landrat“.
Bei seinem Vorgänger Johannes Fuchs hatte es heftige Spannungen gegeben: Die Schließung des Backnanger Krankenhauses nahmen ihm hier viele übel. Sigel habe es insofern leichter gehabt, da die Entscheidung bereits getroffen war, als er das Amt übernahm, erklärt Gruber. Die Versöhnung sei vor allem dadurch gelungen, dass der Landrat eine hohe Präsenz zeigt, auch in den abgelegeneren Gegenden des Kreises. Sigel sei bei Veranstaltungen vor Ort und nahbar für die Bürgerschaft. „Der Brückenschlag, das Verbindende zeichnet ihn aus“, sagt Friedrich. Das zeige sich auch in Details, beispielsweise darin, dass für das Kreisjubiläum in diesem Jahr nicht nur ein großer Festakt in einer der Städte, sondern auch Veranstaltungen in allen 31 Kommunen geplant wurden.
Krisen prägten die erste Amtszeit
Zu Beginn seiner Amtszeit, erinnert sich Richard Sigel, sei zwischen Rems und Murr ein Trennstrich gestanden. Er habe es sich von Anfang an zur Aufgabe gemacht, dass dieser zum Bindestrich wird. Den „Rems-Murr-Spirit“, den er beschwor, habe sogar Backnangs Ex-OB Frank Nopper irgendwann gespürt, berichtet Sigel nicht ohne Stolz und mit einem Augenzwinkern. „Ich habe auch die Region um Backnang und darüber hinaus im Blick“, sagt er dann wieder ernst. Dazu gehöre, viel vor Ort zu sein. Aber nicht nur das: „Die Befindlichkeiten, die es ja zu Recht gab, habe ich immer ernst genommen.“ Diese Wahrnehmung unterstreicht Gernot Gruber. Man merke es Sigels Arbeit an: „Er nimmt Anträge ernst und schaut nicht auf das Parteibuch oder den sozialen Status des Antragstellers.“ Im Gegensatz zu seinem Vorgänger war Sigel auch nicht der Kandidat eines bestimmten politischen Lagers, sondern wird von allen Fraktionen unterstützt.
Dass Sigel sein Amt mit so viel Engagement ausfüllt, hat auch Auswirkungen auf sein Privatleben. „Natürlich gibt es Tage, an denen man sich wünschen würde, weniger weg zu sein von zu Hause“, räumt der Kreischef ein. Er habe sein Amt im Alter von 37 Jahren vergleichsweise früh übernommen, seine Kinder waren damals noch sehr jung. „Mir war klar, dass ich dafür einen Preis zahle, in Form von viel Zeit.“ Diese Entscheidung sei aber von Anfang an von seiner Familie mitgetragen worden.
Von Beginn an im Krisenmodus
Nicht vorauszusehen waren hingegen die verschiedenen Krisen, die Sigels erste Amtszeit prägten. „Landrat Sigel hat seit Beginn seiner Amtszeit beim Rems-Murr-Kreis in den Krisenmodus schalten müssen“, stellt Armin Mößner fest. Angefangen mit der Flüchtlingswelle in den Jahren 2015/16, als zwischenzeitlich mehrere Hundert Personen in der Woche unterzubringen waren. Die Verschnaufpause hiernach war kurz, ehe die Coronapandemie die Verwaltung in Atem hielt. „Da habe ich viele Sonntage im Büro verbracht“, erinnert sich der Landrat. Aktuell sind es der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen, die den Kreis stark beschäftigen. So anstrengend die Krisen waren, boten sie auch Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Und das tat Sigel. Er habe ein Gefühl für virulente Themen und praxisnahe Lösungen, lobt Maximilian Friedrich. Das habe sich in Coronazeiten gezeigt. Auch hier habe die Kreisverwaltung den Schulterschluss mit den Städten und Gemeinden gesucht.
Sigel selbst freut sich, dass die Verantwortlichen im Rems-Murr-Kreis „trotz Dauerkrisenmodus den Zukunftsblick nicht verloren haben“. Als Beispiele nennt er die Medizinkonzeption für die Rems-Murr-Kliniken, das Klimaschutzhandlungsprogramm oder die Wohnbaustrategie, welche in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht wurden. Dass er in alldem vorangeht, wird geschätzt. „Er denkt die Arbeit des Landratsamts fortschrittlich mit neuen Arbeitsformen und dem Bestreben nach Digitalisierung und Klimaschutz“, sagt Armin Mößner.
Herrscht im Kreistag unter Sigel also immer nur eitel Sonnenschein? Maximilian Friedrich sagt hierzu: „Es gab auch Themen, bei denen wir nicht einer Meinung waren, das ist ja auch legitim.“ Diese habe man dann aber immer im direkten Dialog ansprechen können. In den meisten Fällen sei es gelungen, einen Kompromiss zu finden.
„Der Rems-Murr-Spirit soll weiterleben“
Auch Richard Sigel räumt ein: „Klar wird auch gestritten und diskutiert.“ Das sei auch richtig so. „Ich sehe uns als Dienstleister für den Kreistag, da hat man nicht immer nur Recht.“ Er sei auch bereit dazu, die eigenen Position zu überdenken. Unlängst sei dies geschehen, als er sich trotz anfänglichen Widerstrebens für ein Klimaziel ausgesprochen hat. Gernot Gruber würde sich manchmal etwas ergebnisoffenere Diskussionen wünschen – etwa als es darum ging, den Backnanger Recyclinghof zu schließen. „Ich hätte es besser gefunden, die Entscheidung zu vertagen.“ Er glaube aber auch, dass Sigel die Größe hat, Entscheidungen zurückzunehmen, wenn sie sich als falsch erweisen. Er sei keiner, dem deswegen ein Zacken aus der Krone bricht. Auch die CDU-Fraktion hat laut Mößner noch ein paar Wünsche: Etwa dass man die Standards des Kreises in Bezug auf Personal- und Sachkosten mehr hinterfragt, Investitionen mehr am Leistbaren ausrichtet und in Bezug auf den Umweltschutz mehr Pragmatismus an den Tag legt.
Für die zweite Amtszeit wünscht Friedrich sich, dass Sigel „weiter konsensual arbeitet und das Ohr nah an den Bürgern hat“. Der Backnanger OB , der selbst Vater zweier Kinder ist, weiß, welche Opfer man in einem solchen Amt bringen muss. „Daher sollten wir auch ihm die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zugestehen.“ Dazu gehöre, die Anwesenheit des Landrats bei Veranstaltungen nicht immer als selbstverständlich vorauszusetzen.
Sigel selbst will in einer zweiten Amtszeit Projekte weiterhin gut voranbringen. Er möchte den Weg zu einer modernen Verwaltung weiter beschreiten. Einen Wunsch äußert er dahingehend, dass es ein bisschen weniger Krise sein könnte. Und natürlich: „Der Rems-Murr-Spirit soll weiterleben.“
Ausbildung Richard Sigel ist in Münsingen geboren und auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen. Sein Vater war Bürgermeister der Gemeinde Römerstein. Nach dem Abitur in Bad Urach studierte er Jura und promovierte an den Universitäten Heidelberg, Uppsala, Cambridge und Krakau.
Berufliche Stationen Nach dem Studium war Sigel zunächst drei Jahre Syndikusanwalt bei der Landesbank Baden-Württemberg. Ab 2010 arbeitete er als Dezernent, zunächst im Rems-Murr-Kreis, dann im Landkreis Böblingen. Seit August 2015 ist Richard Sigel Landrat des Rems-Murr-Kreises.
Persönliches Richard Sigel ist verheiratet und hat zwei Kinder.