Ein Stück Ostsee im Schwäbischen Wald
Ein besonderer und vor allem unerwarteter Ort in der Gemeinde Großerlach ist die „Fischerkate“. Etwas versteckt wird hier in maritimem Flair Fisch ganz traditionell über offenem Feuer geräuchert und zu verschiedenen Fischspezialitäten weiterverarbeitet.

© Alexander Becher
Fischwirt Martin Jeromin hat sein Handwerk in der Ostseegemeinde Timmendorfer Strand erlernt. Fotos: A. Becher
Von Kristin Doberer
Großerlach. Das große Holzhaus etwas außerhalb von Großerlach ist schon von außen etwas Besonderes: Es hat Taue anstelle eines Gartenzauns, alte Fischernetze sind im Vorgarten drapiert und vor der Tür stehen zwei kleine alte Fischerboote, die man eigentlich eher in einen Ostseehafen verortet – und eben nicht mitten in den Schwäbisch-Fränkischen Wald. Im Inneren der „Fischerkate“ wird es dann sogar noch maritimer: Fischernetze hängen an den Wänden und der Decke, Flaschen- und Modellschiffe stehen in verschiedensten Variationen herum, Anker hängen an der Wand und alles ist in blauen Meerestönen gehalten. Spätestens an der Menge an verschiedenen Fischen hinter der Auslage ist klar: Hier dreht sich alles um Fisch. Und wenn Martin Jeromin, der hinter der Theke steht, Kunden dann auch noch in seinem typisch norddeutschen Dialekt begrüßt, dann fühlt man sich tatsächlich schon fast in ein kleines Fischerdorf am Meer versetzt.
Martin Jeromin stammt eigentlich aus Hamburg, seit neun Jahren betreibt er mit seiner Familie nun die Fischräucherei „Fischerkate“ in Großerlach. Es gibt geräucherten und frischen Lachs in allen Variationen, auch Makrelen, Forellen und viele weitere Fischarten liegen in der Auslage. Daneben gibt es Matjessalat, Lachsmousse, Garnelendressing und weitere Fischfeinkostsalate und maritime Spezialitäten. Aber wie kommt es dazu, dass eine Fischräucherei ausgerechnet nach Großerlach zieht?
„Das fragen immer alle“, meint Martin Jeromin lachend. „Fürs Fischräuchern ist die Lage in Großerlach sehr gut.“ Denn von Vorteil seien ein ganz bestimmter Luftdruck sowie eine gewisse Höhe, auch der fast immer wehende Westwind und die Lage am Waldrand sorge dafür, dass es keine Probleme mit den Nachbarn wegen den Räucheröfen gebe. Bis das Familienunternehmen allerdings die Erlaubnis für den Bau bekommen habe, habe es ganz schön lange gedauert. „Wir sind schließlich keine Spätzleproduktion. Ich hatte das Gefühl, dass diese Art zu räuchern hier gar nicht bekannt ist“, meint Jeromin.
Traditionell wird über
offenem Feuer geräuchert
Denn: Geräuchert wird noch ganz traditionell über offenem Feuer. Gelernt hat Jeromin das von der Pike auf in der Ostseegemeinde Timmendorfer Strand. Seine Ausbildung zum Fischwirt für Fluss- und Seefischerei hat einige Jahre gedauert, in den ersten Jahren habe er keinen der Räucheröfen bedienen dürfen. Denn beim Räuchern über „lebendiger Flamme“ kommt es auf viele Kleinigkeiten an. „Ganz wichtig ist nicht nur das richtige Holz – Buche und Kirsche –, sondern auch die Art der Holzbeschaffung selbst“, erklärt der Fischwirt. Darum mache er mit seinem Schwager und den Neffen meist selbst Holz. Auch die Lagerung und letztlich die Größe der verwendeten Holzstücke wirke sich auf Geschmack, Haltbarkeit und Färbung der Fische aus.
Auch auf die Art des Räucherns kommt es beim Geschmack an. So wird unterschieden zwischen drei verschiedenen Räuchermethoden: Heißräuchern bei einer Temperatur zwischen 60 und 120 Grad Celsius, Warmräuchern bei 30 bis 50 Grad Celsius und Kalträuchern bei unter 30 Grad Celsius. „Beim Kalträuchern kann es schon sein, dass ein Lachs bis zu 60 oder 70 Stunden braucht“, erklärt der Fischwirt. Deshalb habe er seine Wohnung direkt über der Räucherei bauen lassen. „Da muss man permanent da sein.“
Und was zunächst nur als Produktionsstätte mit kleinem Werkverkauf gedacht war, ist mittlerweile bei Fischliebhabern ein ziemlich beliebtes Ziel. Auch wenn Jeromin zusätzlich auf verschiedenen Wochenmärkten in der Region haltmacht. „Auf dem Wochenmarkt bleibt immer so wenig Zeit. Viele Kunden kommen hier gerne auch zum Schnacken her“, sagt er. Dass der Laden in Großerlach so gut läuft, habe ihn zunächst etwas überrascht, mittlerweile bestehe seine Kundschaft hier aber zu etwa 70 Prozent aus Stammkunden.
Bis zu 100 Tagesessen verkauft das Familienunternehmen beim Mittagstisch
Der Fisch wird zweimal pro Woche frisch geliefert und dann per Hand entgrätet, filetiert und geräuchert. Obwohl Lachs einen Großteil seines Geschäfts ausmacht, bietet Jeromin auch allen möglichen anderen Fisch an. „Oft wollen Leute mal was Besonderes, zum Beispiel einen Hummer oder Garnelenteller, die können sie dann auch bei uns bestellen.“ Ohne seine Familie, da ist sich Martin Jeromin sicher, wäre das Geschäft auch nicht zu leisten. Nicht nur bei der Holzarbeit, sondern auch bei der Verarbeitung der Fische packen alle mit an. So gibt es seit einigen Jahren in der Fischerkate an bestimmten Tagen auch einen Mittagstisch – seit Corona allerdings nur noch zum Abholen. Verschiedene vor Ort gekochte Fischgerichte werden hier angeboten und sehr gut angenommen. „Wir verkaufen bis zu 100 Tagesessen“, erzählt er. Auch hat sich die Familie ein spezielles Gericht ausgedacht, das besonders bei den Jüngeren gut ankommt, und es als Hommage an die Gemeinde „Großerlacher“ genannt. Dabei seien die Einwohner ganz am Anfang noch etwas zurückhaltend gewesen. „Das hat sich aber schnell geändert und alle waren dann unglaublich hilfsbereit“, erzählt Jeromin. „Ich hätte ja nie gedacht, dass ich als Nordlicht hier so gut angenommen werde.“
Als Berufsfischer arbeitet Jeromin nicht mehr, Spaß am Angeln hat er aber immer noch. Ob in den heimischen Seen und Flüssen oder in der dänischen Ostsee.

© Alexander Becher
Schon von außen gibt es so einige Hinweise darauf, dass sich in der Räucherei alles um den Fisch dreht.

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Geräuchert wird ganz traditionell über offenem Feuer, das ist ein Alleinstellungsmerkmal in der Region.
Öffnungszeiten Geöffnet ist die Fischerkate in Großerlach Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 10 bis 18 Uhr, ab etwa 12 Uhr gibt es an diesen Tagen Mittagstisch zum Abholen.
Verkaufsmobil Mit dem Verkaufsmobil ist Martin Jeromin jeden Freitag in Althütte-Sechselberg von 10.30 bis 18 Uhr und jeden Samstag auf dem Wochenmarkt in Backnang von 8 bis 13 Uhr.
Informationen Weitere Infos zum Sortiment und den Bestellmöglichkeiten gibt es unter www.die-fischerkate.de.