Reportage: Ein Tag mit einer ambulanten Pflegerin in Aspach

In der Pflege läuft vieles schlecht und die Herausforderung wird mit dem demografischen Wandel immer größer. Für die junge Altenpflegerin Jana Schwab war der Beruf aber die richtige Wahl. Sie will auch anderen jungen Menschen Lust auf die ambulante Pflege machen.

Um 7 Uhr startet Jana Schwab an der Diakoniestation in Großaspach, von wo aus sie ihre Patienten besucht. Foto: Dietmar van der Linden

© Dietmar van der Linden

Um 7 Uhr startet Jana Schwab an der Diakoniestation in Großaspach, von wo aus sie ihre Patienten besucht. Foto: Dietmar van der Linden

Von Anja La Roche

Aspach. In Großaspach in der Diakoniestation Mittleres Murrtal herrscht um 7 Uhr reger Betrieb. Die Altenpflegerin Jana Schwab bereitet sich auf ihre Tour vor. Zwölf Patienten stehen auf dem Plan, von ordentlich bis Messi sei alles dabei. Die 23-jährige Aspacherin will zeigen: Ihr Beruf als ambulante Pflegerin ist kein leichter, aber ganz bestimmt ein schöner. Auf der heutigen Route sind einige Patienten dabei, die eine Körperwäsche erhalten. Das bedeutet für Jana Schwab, dass sie etwas mehr Zeit pro Person hat. Bei reiner Behandlungspflege hingegen ist die Zeit knapper bemessen. An manchen Tagen müssen die Pfleger 30 Klienten abklappern. Würde mehr Geld für die Behandlungspflege fließen, zu welcher etwa die Wundbehandlung oder das Insulinspritzen zählen, sähe das anders aus. (Zum Interview mit der Geschäftsleiterin der Diakoniestation geht es hier.)

Schwab belädt das kleine weiße Auto der Diakonie mit den nötigen Utensilien, schnallt sich den mit Latexhandschuhen befüllten Bauchbeutel um, dann geht es los. Auf ihrem Tablet startet sie die Tour. Das Programm zeigt an, bei welcher Patientin sie zuerst Station machen soll.

Das Tablet zeigt an, welche Leistungen gebucht sind

7.20 Uhr Jana Schwab parkt das Auto vor dem Haus ihrer Patienten, einem Ehepaar. Das Tablet zeigt ihr an, welche Leistungen das Paar gebucht hat. Den Schlüssel für das Haus hat Schwab in diesem Fall dabei. Im Haus ruft sie laut: „Guten Morgen!“ Sie läuft zu Frau G. ins Wohnzimmer. Die freut sich über den Besuch und fängt sogleich an, zu plaudern.

Schwab geht vor Frau G. in die Hocke und zieht ihr die Thrombosestrümpfe an. Dann richtet sie die Medikamentenboxen her, sie drückt also die vielen Pillen aus den Packungen in die Schächtelchen hinein, die mit den Wochentagen beschriftet sind. Frau G. berichtet nebenher von ihren Urenkeln.

Dann ist der Ehemann dran. Er ist durch einen Sturz zum Pflegefall geworden und sitzt im Rollstuhl. „Wir haben gerade schon mit Ihrer Frau gesprochen, wie schön das ist, dass Sie sich wieder gefangen haben“, begrüßt die Pflegerin Herrn G. freundlich. Während sie ihn mit dem Waschlappen wäscht, plaudern sie weiter, über das Wetter und den Garten. Um 8 Uhr ist Jana Schwab wieder am Auto. „Man kriegt schon viel Privates mit, das ist schön“, sagt sie. „Manchmal kann es aber auch belastend sein“, fügt sie hinzu.

Die Pflegerin misst den Blutzucker und zieht die Thrombosestrümpfe an

8.05 Uhr „Wie gehts Ihnen heute?“, fragt Schwab bei der nächsten Patientin. „Es könnte besser sein, aber bringt ja nix“, sagt die zierliche Frau in der liebevoll eingerichteten Wohnung. Die Pflegerin misst den Blutzucker, hilft Frau H. auf die Waage und zieht die Thrombosestrümpfe an. Auf die Klientin freut sich Schwab immer besonders, erzählt sie nach dem Besuch. Aber das wirklich Interessante seien die vielen verschiedenen Einblicke. „Es ist spannend, zu sehen, wie vielschichtig das Alter ist.“

8.27 Uhr Im Haus riecht es streng. Jana Schwab läuft ins Obergeschoss, in den Keller und wieder raus, ruft laut und sucht nach Frau M., die sie ohne Hörgerät oftmals nicht hört. Im Garten wird die Pflegerin fündig. Die Tochter von Frau M. schaut kurz vorbei. „Die Tabletten sind wegen des Apothekenstreiks nicht angekommen. Soll ich da nachfragen oder wollen Sie das machen?“, fragt Schwab. „Mir wär es recht, wenn Sie das machen“, antwortet die Tochter. Dann richtet die Pflegerin die Medikamente und zieht Frau M. die Thrombosestrümpfe und ihre Hose an.

Im Auto erzählt die Aspacherin, dass sie ihre dreijährige Ausbildung zur Altenpflegerin fast abgebrochen hätte. Denn die Arbeit in einem Pflegeheim habe ihr gar nicht gefallen. Sie sei froh, dass sie in der ambulanten Pflege in ihrem Tempo arbeiten und den Patienten Wertschätzung entgegenbringen könne – auch wenn es nur wenige Minuten sind.

8.44 Uhr Bei Frau K. hat es Jana Schwab mit einer schwer dementen Patientin zu tun, Pflegestufe vier, die vorletzte Stufe. Es riecht sehr streng, mit nackten Händen würde sie nichts in der Wohnung anfassen. Die Frau sitzt zusammengesunken am Tisch, Schwab spritzt ihr das Insulin in den Bauch. „Sie schläft immer ein“, sagt der Sohn. Anschließend hilft Jana Schwab Frau K. auf einen Duschsitz, um sie zu duschen. Sie kündigt stets ihre nächste Handlung an und geht sanft und sorgfältig vor. Als Frau K. angezogen ist, kämmt und föhnt die Pflegerin ihr die Haare. Mit einem Mal sitzt Frau K. aufrecht da. Als hätte ihr die Körperpflege ein stolzes Gefühl verliehen. „Man merkt schon, dass die Leute sich besser fühlen nach dem Duschen, auch wenn sie sich nicht äußern können“, sagt Jana Schwab.

9.46 Uhr Aus einer Schlüsselbox holt Jana Schwab den Schlüssel für das Haus von Frau S., die gerade frühstückt. Schwab zieht ihr die Thrombosestrümpfe an. Sie plaudert laut mir der schwerhörigen Patientin.

10.04 Uhr Herr D. lebt alleine, er ist noch recht fit, das Radio läuft. Jana Schwab richtet ihm seine Medikamente her. Beim Gespräch im Auto erzählt sie: „Ich weiß, dass ich etwas Sinnvolles mache. Du schenkst manchmal nur ein Glas Wasser ein und es kommt so viel Dankbarkeit zurück.“

10.30 Uhr Nach einem kurzen Stopp auf der Station geht es zu Frau R. Eine intelligente und humorvolle Frau, findet Jana Schwab. Sie cremt sie ein und hilft ihr in ein frisches Oberteil. „Im Wohnzimmer liegen Kekse“, ruft ihr Frau R. nach, als es weitergeht. Im Auto ist es mittlerweile sehr heiß geworden, ein Nachteil des Berufs, bei dem man stets unterwegs ist. Die Aspacherin schwärmt aber auch von den schönsten Sonnenuntergängen, die sie von Zeit zu Zeit auf ihren Fahrten erlebt. „Ich liebe das, Zeit für mich zu haben im Auto“, sagt sie.

Ihre Arbeit hilft den alten Menschen auch im seelischen Sinne

11.05 Uhr Zurück zu Frau H., die nun ihre Insulinspritze erhält. Bei manchen Patienten schaut Schwab mehrmals vorbei.

11.30 Uhr Jana Schwab wäscht die demente Frau F. und schaut, dass sie ihre Medikamente schluckt. Frau F. hört mehr auf die Pflegerin als auf ihren Ehemann.

12 Uhr Frau B. wohnt in einem Apartment im betreuten Wohnen. Jana Schwab klebt ihr ein Wärmepflaster gegen Verspannungen in den Nacken und richtet ihre Medikamente.

12.15 Uhr Letzte Station für heute. In dem Haus riecht es extrem streng, alles ist vollgestellt mit Gerümpel. Jana Schwab trifft die Patientin auf dem Sofa liegend an. Sie versorgt ihren offenen Unterschenkel. Frau W. ist redselig, auch wenn sie schwer zu verstehen ist. „Ich bin eigentlich schon spät dran“, sagt Schwab mehrmals, hört ihrer Patientin aber dennoch freundlich zu.

12.45 Uhr Mit 15 Minuten Verzug trifft Jana Schwab an der Diakoniestation ein. Alles ist gut verlaufen am heutigen Tag, kein Notfall ist eingetreten. Ihre Arbeit, das ist klar, hilft den alten Menschen nicht nur im medizinischen, sondern ganz besonders auch im seelischen Sinne. Wenn der Papierkram erledigt ist, geht die Pflegerin in ihren wohlverdienten Feierabend.

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Erstellt:
29. Juni 2023, 06:00 Uhr

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