Ein wenig ertragreiches Jahr
Die Bauernproteste sind vorbei. Doch in der Landwirtschaftspolitik tut sich zu wenig.
Von Rebekka Wiese
Berlin - Was haben wir geerntet? Diese Frage stellen sich die deutschen Landwirte meistens im Spätsommer. Im Jahr 2024 fiel die Antwort bei vielen trüb aus. Es gab Hochwasser im Winter, warme Temperaturen, dann plötzlich Frost im Frühjahr. Die Bilanz: ein wenig ertragreiches Jahr.
Am Wochenende endet die Grüne Woche in Berlin. Und in wenigen Monaten auch die Amtszeit von Grünen-Politiker Cem Özdemir als Bundeslandwirtschaftsminister. Vor einem Jahr war die Grüne Woche von den Protesten überschattet, die Bauern kamen mit Traktoren nach Berlin. Sie wehrten sich dagegen, dass die Ampelregierung ihnen die Subventionen für Agrardiesel und die Befreiung der Kfz-Steuer streichen wollte. Es ging ihnen aber um mehr als das. Es war ein grundsätzlicher Protest gegen die Landwirtschaftspolitik.
Was ist davon geblieben? Die Bilanz, die man nach einem Jahr Bauernproteste und drei Jahren Ampelregierung ziehen kann, fällt ähnlich aus wie das Ergebnis der Jahresernte: wenig ertragreich. Die Bauernproteste bewirkten, dass ein Teil der geplanten Streichungen zurückgenommen wurde. Zufriedener sind die Landwirte deshalb nicht. Ihre Probleme sind geblieben. Auch, weil sich niemand an eine grundlegende Reform traut.
Zum Ende der Grünen Woche zählte Özdemir nochmals auf, was sein Ministerium zur Regierungszeit vollbracht hatte. Doch wer genau hinschaute, merkte schnell: Die Liste dessen, was nicht umgesetzt wurde, ist mindestens so lang. Viele Bauern dürfte das eher erleichtern. Ihr größtes Problem ist eines, das durch neue Gesetze oft größer wird: die Bürokratie, die ihnen Düngebedarfsermittlungen, Stallgenehmigungsverfahren und Stoffstrombilanzen aufhalst. Die Regeln kommen mal von der EU, mal von Bund oder Land, in manchen Fällen sind sie widersprüchlich zueinander. Viele Landwirte wünschen sich deshalb eher weniger als mehr Gesetze.
Allerdings dienen diese Regeln nicht dazu, Landwirte zu schikanieren. Fast immer sollen sie dazu beitragen, etwas zu schützen, was sonst gefährdet wird: das Grundwasser, die Böden, die Artenvielfalt, das Klima. Zum Klima haben die Landwirte ohnehin ein kompliziertes Verhältnis. Sie leiden besonders unter der Erderhitzung und tragen zugleich dazu bei. Und zur Wahrheit gehört auch: Die Bauern leiden nicht nur unter der EU. Sie profitieren auch stark von ihren Subventionen, rund 6,2 Milliarden Euro jährlich.
Es bringt wenig, Landwirtschaft gegen Klima- und Umweltschutz auszuspielen. Genau das ist in den vergangenen Jahren zu oft passiert. Nicht selten wehrte sich die Landwirtschaft mit solcher Vehemenz gegen neue Regeln, dass sie zurückgenommen wurden. So war es zum Beispiel bei der Brachflächenregelung, die vorsah, dass Landwirte vier Prozent ihrer Ackerfläche im Sinne der Artenvielfalt ungenutzt lassen sollten. Sie wurde ausgesetzt, kommt womöglich gar nicht mehr.
Dabei ginge es natürlich anders. Und es wäre falsch den Landwirten zu unterstellen, dass sie per se gegen Klimaschutz seien. 2019 wurde die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ins Leben gerufen, bei der erstmals alle Interessensgruppen zusammenkamen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Die ZKL legte erst 2021, dann 2024 einen Bericht vor. Darin: ein Vorschlag, wie man die Nachhaltigkeit von Betrieben systematischer erfassen könnte – und einfacher.
Passiert ist seitdem wenig. Und ja, es ginge um aufwändige Reformen, die auch die EU-Ebene betreffen. Das wäre schwierig. Aber nicht unmöglich. Wer ernten will, sollte sich eben nicht aufs Säen beschränken. Sondern vorher mal umgraben.