Eine ganz besondere Rote für die Roten

Die Wurst, die in der Stuttgarter Fußballarena bei den VfB-Heimspielen auf den Grill kommt, wird ab sofort von der Metzgerei Idler geliefert. Es ist eine spezielle Variante des Klassikers, denn Vertreter der Fans entwickelten sie beim „Wursttüftlertag“ in der Firmenzentrale in Waldrems selbst.

Wursttüftlertag in Waldrems: Die VfB-Fans hatten viel Spaß, waren aber auch mit dem nötigen Ernst bei der Sache. Foto: VfB Stuttgart

© Jonas Hausmann

Wursttüftlertag in Waldrems: Die VfB-Fans hatten viel Spaß, waren aber auch mit dem nötigen Ernst bei der Sache. Foto: VfB Stuttgart

Von Steffen Grün

BACKNANG/Stuttgart. Ein möglichst frisches Weckle, nicht steinhart, aber auch nicht zu lätschig. Eine schmackhafte, weil gut gewürzte und auf den Punkt gegrillte Wurst, weder verkohlt, noch mit einem allzu hellen Teint. Dazu vielleicht Senf oder Ketchup, nicht in rauen Mengen, aber auch nicht in homöopathischer Dosis. Drei Bestandteile, fertig ist die leckere „Stadion-Rote“. Und die gehört für viele Fans zum Fußballspiel dazu. Klar gibt es Alternativen und auch Vegetarier und Veganer sollen nicht hungern müssen, aber die heiße Rote ist der Klassiker.

Das Problem: Passt nur eine dieser drei Komponenten nicht zu 100 Prozent, ist das Geschmackserlebnis zumindest beeinträchtigt. Und das scheint bei den VfB-Heimspielen in der Stuttgarter Arena des Öfteren der Fall gewesen zu sein. „Nix Besonderes“ sei die bislang verkaufte Wurst gewesen, meint Frank Mayer: „Sie war geschmacklich ziemlich neutral.“ Weil der Vorsitzende des VfB- Fanclubs Schwabenfront Backnang mit seiner Meinung offenbar nicht alleine dastand, wollten der Fußball-Bundesligist sowie sein Partner Aramark neue Wege gehen. Sie holten als Teil des neuen Cateringkonzepts „Cannstatt kocht“, das beim morgigen Saisonauftaktspiel gegen Fürth seine Premiere feiert, mit der Idler Fleischwaren GmbH ein regionales Familienunternehmen ins Boot. Damit nicht genug: Um dem Anspruch, die perfekte Stadion-Rote zu kreieren, so nahe wie möglich zu kommen, sollten diejenigen ein gewichtiges Wörtchen bei der Rezeptur mitreden, denen es in der Mercedes-Benz-Arena schmecken soll: die VfB-Anhänger.

Pfeffer, Paprika, Kardamom, Knoblauch, Salz: Die VfB-Fans spielten mit Zutaten

Sieben offizielle Fanclubs entsandten ihre Feinschmecker zum sogenannten „Wursttüftlertag“ in die Metzgerei nach Waldrems, für die Schwabenfront und Feuer&Flamme Backnang war es im südlichen Stadtteil also ein Heimspiel. Auch Vertreter des Fanausschusses und der Fanbetreuung hatten ihre Geschmackssinne geschärft und trugen zum Prozess bei, der die Bedeutung der kleinen kulinarischen Köstlichkeit für ein gelungenes Stadionerlebnis unterstreicht. In drei Gruppen unterteilt gab es für die VfB-Anhänger eine Werksführung und als Einstieg in die eigentliche Aufgabe bekamen alle ein Exemplar von Idlers Ausgangswurst in die Hand gedrückt. „Sie hat schon von Haus aus sehr gut geschmeckt“, urteilt Frank Mayer und gibt die Meinung seiner Gruppe wider: „Wir mussten nicht viel nachjustieren.“ Ein wenig allerdings schon, das war ja auch der Sinn der Übung: „Wir waren der Meinung, dass vor allem noch mehr Pfeffer reingehört und eine Prise mehr Salz und Paprika.“ Den Kardamom ließen sie dagegen links liegen, vielleicht war dieses Ingwergewächs für die Gaumen der Schwaben schon zu exotisch.

Nicht nur die reine Gaumenfreude, sondern auch die Optik spielte für eine andere Gruppe eine herausragende Rolle. „Bei einem Verein in Rot-Weiß muss die Rote eine Spur röter sein als normalerweise“, befand VfB-Anhänger Jürgen Dehn. Was wäre daher naheliegender gewesen, als noch einmal ordentlich Paprika dazuzugeben. Damit nicht genug: „Bums“, also eine ordentliche Schussgewalt, brauche es im Fußball auch. Daher griffen diese Fans anders als Frank Mayer und dessen Mitstreiter zu „einer Spur“ Kardamom. Und darüber hinaus noch zum Knoblauch. „Wenig, aber ein kleines bisschen, das ist der Extrabums“.

Was der Profi von allen Ideen im Detail hält, gab Eberhart Idler nicht preis, aber „es war für uns sehr aufschlussreich“, betonte der Geschäftsführer der Idler Fleischwaren GmbH: „Die Fans hatten die Möglichkeit, die Wurst nach ihren Geschmacksrichtungen zu optimieren.“ Die Entscheidung nahte, nachdem alle Gruppen die Vorarbeit erledigt hatten. Die Gewürzmischungen der Teams wurden mit dem ihnen zugewiesenen Brät vermengt, die Produktion in Gang gesetzt. Den Zeitraum, den die Roten Würste im Rauch verbrachten, überbrückte der Gastgeber mit einem „kleinen Wurstseminar“, wie es Idler nennt, und ein paar Probiererle. Es blieb aber Platz im Magen, um den Wursttüftlertag zum vorgesehenen Ende zu bringen. Die fertigen Roten wanderten auf dem Hof postwendend auf den Grill und von dort in die Mägen der Fans, die mit einer Blindverkostung in die Rolle der Juroren schlüpften. Sie hatten die Würste nach Kriterien wie Geschmack, Aussehen oder Konsistenz zu beurteilen und eine persönliche Reihenfolge zu erstellen. Daraus resultierte die Siegerwurst, von der Frank Mayer sagt: „Sie hat mich sofort abgeholt. Sie hat eine tolle Würze.“ Es war allerdings nicht die Variante, an der er selbst beteiligt war. Die wiederum habe er „sofort erkannt. Die Pfeffernote war für mich zu stark.“ Das Fazit des Schwabenfront-Frontmanns: „Es hat Spaß gemacht und ich finde es toll, dass die Fans in diese Frage eingebunden wurden.“

Zumindest an dem rohen Fleischmaterial sollte es also ab morgen bei VfB-Heimspielen nicht mehr scheitern. Die Verantwortung liegt nun aber wieder in den Händen der Frauen und Männer hinter den Grills. Macht eine Rote Wurst nämlich nur flüchtige Bekanntschaft mit dem Rost oder wartet eine halbe Ewigkeit unter Alufolie auf ihren Verzehr, kann das beste Rohmaterial nur noch Schadensbegrenzung betreiben.

Bei vollem Haus werden mehr als 15000 Würste verkauft

Bestseller Die Palette der Angebote bei VfB-Spielen soll im vegetarischen und veganen Bereich erweitert werden. Verkaufsschlager bleiben aber wohl die Würste. Bislang gingen laut Aramark-Betriebsleiter Torsten Reissig pro Partie 10000 bis 15000 Rote oder Bratwürste über die Theke, der Rest der 25000 bis 30000 Essensartikel verteilte sich auf Pizza, Pommes und Co. Diese Zahlen gelten für etwa 45000 Zuschauer, bei vollem Haus mit 60000 Fans liegen sie höher. Vorerst werden sie dagegen niedriger sein, weil wegen Corona maximal 25000 Zuschauer bei VfB-Heimspielen reindürfen. Zudem macht es laut Reissig einen signifikanten Unterschied, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit ein Spiel angepfiffen wird. Ein Beispiel: Nach dem sonntäglichen Familienessen hält sich der Hunger in Grenzen.

Lieferant „Es erfüllt uns mit Stolz, dass wir aus 6, 7 Metzgereien ausgewählt wurden und damit die Chance hatten, dieser Roten Wurst mithilfe der Fans eine besondere Geschmacksnote zu verleihen“, sagt Eberhart Idler, Geschäftsführer der Idler Fleischwaren GmbH. Zudem freue es ihn, dass die Wurst künftig aus der Region und nicht aus Nordrhein-Westfalen kommt. Außer der Roten wird künftig auch die Bratwurst aus Waldrems geliefert. „Wir haben mit der Firma Idler auch eine Hopfenbratwurst kreiert“, sagt Aramark-Betriebsleiter Reissig.

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Erstellt:
13. August 2021, 06:00 Uhr

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