Eine Herberge für schmucke Oldtimer

Kraftwagenhallen auf dem Rombold-Areal in Unterweissach sind bezugsfertig – Morgen: Einweihungsfest für geladene Gäste

Die Kalthalle der ehemaligen Tonwarenfabrik Rombold in Unterweissach ist fertig umgebaut. Zahlreiche Young- und Oldtimer haben bereits ihren Stellplatz gefunden. Die fünf Eigentümer aus Waiblingen schnaufen durch. Sie freuen sich auf das interne Einweihungsfest morgen Abend. 250 geladene Gäste haben sich angesagt. Für die Öffentlichkeit ist die Halle am 16. September im Rahmen der Remstal-Klassik 2018 geöffnet.

Oldtimerhalle mit Ziegelei-Ambiente: Die sanierte Kalthalle bietet Platz für über 50 Liebhaberfahrzeuge. Aus dem schmucklosen Bau wurde ein schickes Oldtimerhotel. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Oldtimerhalle mit Ziegelei-Ambiente: Die sanierte Kalthalle bietet Platz für über 50 Liebhaberfahrzeuge. Aus dem schmucklosen Bau wurde ein schickes Oldtimerhotel. Foto: A. Becher

Von Florian Muhl

WEISSACH IM TAL. Einfach ein Traum. Wohin der Blick auch schweift, in jeder Ecke auf Hochglanz polierte Schätze auf vier Rädern. Viele davon durch übergroße Stoffhauben in allen möglichen Farben geschützt, unter denen nur noch die Radkappen hervorblinzeln. Ein lustiges Spiel ist es, das Auto darunter erraten zu wollen. Das müsste ein Porsche911 sein? Das ein Mustang? Und könnte sich darunter vielleicht ein MGB verstecken?

Aber was ist das? Ein Smart neuesten Datums!? Was macht der denn in der Oldtimerhalle? „Da steht normalerweise ein Chevrolet“, klärt Thomas Bauer auf. „Damit ist der Kunde gerade unterwegs.“ Ah, so funktioniert das hier. Man hat seinen in die Jahre gekommenen Schatz hier sicher stehen, zahlt Miete für den videoüberwachten Platz und wenn man Lust auf eine Ausfahrt hat, kommt man vorbei, tauscht sein Alltagsgefährt gegen sein Schnauferl und tuckert los. Oder man schwebt davon, je nach Geldbeutel und Geschmack.

Thomas Bauer ist einer jener fünf Oldtimerfans aus Waiblingen, denen es in kürzester Zeit gelungen ist, eine marode zerfallene Industriehalle vor dem Zerfall zu bewahren, um sie zu einem wahren Schmuckstück für viele mobile Schmuckstücke zu verwandeln. Sein Zwillingsbruder Stefan mit Ehefrau Angelika sowie das befreundete Ehepaar Iris und Jürgen Göhring vervollständigen das Bastler-Quintett.

Viel Herzblut haben die fünf in der Weissacher Halle vergossen, in der einst Blumentöpfe zu Abertausenden, in allen Größen und Formen, zum Auskühlen gelagert wurden. Diese waren zuvor im benachbarten Ringofen gebrannt worden und wurden anschließend auf Loren in die Halle hineingeschoben, wo sie nach dem Auskühlen kommissioniert und für den Versand verpackt wurden. Die Waiblinger hatten es der Gemeinde versprochen, die Halle zu erhalten. „Aber das war ja auch unser ureigenster Wunsch“, beteuert Thomas Bauer.

Zugute kam den Waiblingern dabei, dass sie alle Handwerker sind, die ihre Fähigkeiten beim Ausbau der Halle bestens einsetzen konnten. Iris und Jürgen Göhring sind Schreiner und fertigen in ihrer Firma Holzforum individuelle Möbel. Angelika, Stefan und Thomas Bauer betreiben in Waiblingen das gleichnamige Elektrohaus bereits in der vierten Generation und haben in der Halle Elektrotechnik vom Feinsten verbaut. Diese moderne Technik haben sie allerdings sehr dezent eingesetzt, sie drängt sich nicht in den Vordergrund. Im Gegenteil: Zahlreiche nostalgische Requisiten in der Halle erinnern an die Sammelleidenschaft und Vorliebe der Oldiefans. So steht in einer Ecke eine alte Benzinzapfsäule, an einer Wand hängt ein historischer Luftmesser.

Dieses Ambiente macht selbst vor den Sanitäranlagen nicht halt. Eine uralte Stahlwanne dient in der Damentoilette als Waschbecken, eingelassen in eine Original-Rombold-Werkbank. Ein Hingucker – nicht nur für Herren – ist auch das Männer-WC. Da kommt das Wasser zum Händewaschen aus einer Tankstellenzapfpistole. Das Waschbecken sitzt in einem alten Ölfass. Und was ein echter Oldtimerfan ist, braucht zum Richten keinen großen Spiegel. Da tut’s auch ein Rückspiegel eines Lkw. An den Wänden hängen noch Warnschilder, die Rombold-Beschäftigte ans Tragen eines Schutzhelms erinnert haben.

„Uns war es wichtig, auf das, was hier früher war und gefertigt wurde, hinzuweisen und zu erinnern“, sagt Iris Göhring. Die Waiblinger haben schon vor etlichen Jahren das Gelände und die Hallen durchstreift und geeignete „Erinnerungsstücke“ vor der Müllhalde gerettet. Das ehemalige Meisterbüro beispielsweise wurde zwar modernisiert, sieht aber trotzdem noch so aus wie viele Jahrzehnte zuvor. So erinnern ihre Kraftwagenhallen auch ein wenig an ein Museum, das nachhaltig an die Geschichte der Tonwarenfabrik erinnern will.

Am Sonntag, 16. September, wird die Fahrzeughalle im Rahmen eines Tags der offenen Tür allen Interessierten zugänglich sein. An diesem Tag werden die rund 150 Teilnehmer der 16. Geschicklichkeits- und Zuverlässigkeitsfahrt Remstal-Klassik in den Unterweissacher Kraftwagenhallen Station machen und zu Mittag essen.

Extra Stellplätze für Europäer und für Amerikaner Info Schon im 17. Jahrhundert gibt es außerhalb von Unterweissach eine Ziegelhütte, die 1832 in die Welzheimer Straße umzieht. 1875 heiratet der Ziegler Gottlob Rombold die Tochter des Hüttenbesitzers Ahnherr Bernhard Beckert, Karoline Beckert. Ende des 19. Jahrhunderts wird eine Dampfmaschine eingebaut und ein Ringofen erstellt. 1902 entsteht der 50 Meter hohe Schornstein, vier Jahre später ein Trockenschuppen. 1908 wird der Produktionszweig Blumentopfherstellung begonnen, die Herstellung von Dachziegeln eingestellt. 2006 führt die Konkurrenz aus Fernost und die Veränderung der Marktsituation zum Aus des Traditionsbetriebs. 2011 kaufen Jürgen Göhring sowie Thomas und Stefan Bauer aus Waiblingen aus der Insolvenzmasse eine einzelne Parzelle gegenüber des Rombold-Areals (neben Aldi), reißen einen alten Schuppen ab und erstellen eine 1500 Quadratmeter große Zweckhalle. Im Januar 2013 erhalten die Waiblinger Oldtimerfans die Zusage, dass sie die Kalthalle erwerben können. Vier Jahre später, am 1. März 2017, erfolgt der Notartermin. Im November 2017 ziehen die ersten Autos ein. Der Hallenumbau geht aber weiter. Am morgigen Samstag, 21. Juli, ist die interne Eröffnungsfeier für geladene Gäste. Zum ersten Mal wird die Veranstaltungsfläche an der Stirnseite der Halle genutzt. Die Außenanlagen müssen noch angelegt werden. Die Kalthalle misst 25 mal 90 Meter und bietet Platz für weit über 50 Fahrzeuge. Es gibt Einzelstellplätze für europäische Autos (5,50x3,50 Meter) und für Amerikaner (7,00x3,50 Meter) sowie Doppelparkerstellplätze. Preise: 79 bis 169 Euro/Monat. Jeder Stellplatz ist mit einer Steckdose ausgestattet. Es gibt eine Videoüberwachung der Halle mit Aufzeichnungen über 14 Tage. Die Halle ist für Nutzer rund um die Uhr an 365 Tagen zugänglich. In der Halle gibt es durch den Kreisverkehr keine Sackgassen und damit leichte Zufahrt zu allen Stellplätzen. Es gibt einen separaten Pflege- und Wartungsbereich mit Hebebühne (kostenlos im Online-Kalender buchbar). Ergänzende Freiflächen (insgesamt rund 4200 Quadratmeter) für Veranstaltungen wie Flohmärkte oder Treffen stehen zur Verfügung.

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Erstellt:
20. Juli 2018, 06:00 Uhr

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