Eine neue Ära für die Energieagentur Rems-Murr
Die Stadt Waiblingen steigt als Gesellschafterin aus, somit verbleibt allein der Rems-Murr-Kreis. Geplant ist eine engere Verzahnung mit dem neu geschaffenen Amt für Klimaschutz. Allerdings ist finanziell längst nicht alles rosig.
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. Vor etwa 15 Jahren wurde die Energieagentur Rems-Murr gegründet. Seitdem berät sie als unabhängige und neutrale Anlaufstelle im Rems-Murr-Kreis zum Energiesparen, zur effizienten Verwendung von Energie und zum Einsatz erneuerbarer Energien. Damit leiste sie unverzichtbare Arbeit, wie auch viele der Kreisräte in der jüngsten Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses klarmachten. Allerdings haben sich die Ansprüche an die Energieagentur und damit auch deren Betätigungsfeld inzwischen wesentlich geändert. Sie sei zur Zeit vor allem als Dienstleister in Sachen Energiewende und Klimaschutz für die Kommunen gefragt, so das Landratsamt. Diesem Prozess wolle man nun Rechnung tragen und so steht im kommenden Jahr ein größerer Umbruch bevor, dessen Folgen Energieagentur-Geschäftsführer Jürgen Menzel und Paula Baumgärtner, Leiterin des in diesem Jahr neu geschaffenen Amts für Klimaschutz, im Gremium aufzeigten.
Bislang beruht die Organisation der Energieagentur auf einem Zweisäulenmodell: Der Rems-Murr-Kreis und die Stadt Waiblingen sind gleichwertige Gesellschafter. Im Prozess der Neuausrichtung kristallisierte sich laut Kreisverwaltung aber immer mehr heraus, dass die Stabstelle Klimaschutz im Landratsamt und somit der Landkreis zum Ansprechpartner der Kommunen für die Belange und Angelegenheiten der Energieagentur wird. Diese Rolle war eigentlich der Stadt Waiblingen als Gesellschafter zugedacht. Man habe es aber als zielführender erachtet, die Gesamtverantwortung auf den Kreis zu übertragen. In der Folge steigt die Stadt Waiblingen zum Jahresende als Gesellschafterin aus, um danach stattdessen als Mitglied mitzuwirken.
Durch verzögerte Stellenbesetzungen wurde bislang gespart
Durch die Neuausrichtung verspreche man sich, die Effizienz und Qualität der Energieagentur zu steigern, führte Paula Baumgärtner aus. „Die Steuerung wird wesentlich einfacher dadurch, dass der Landkreis Alleingesellschafter ist.“ Durch die enge Anbindung an das Amt für Klimaschutz könne man die Kooperation mit dem Landratsamt verbessern und vorhandene Ressourcen besser vernetzen. Künftig sollen profitable Projekte und solche, die einen möglichst großen Klimanutzen haben, priorisiert werden. „Wir wissen alle: Klimaschutz kostet Geld. Dieses wollen wir möglichst effizient einsetzen“, so Baumgärtner. Auch solle sich die Energieagentur noch stärker an den Beratungsbedarfen der Kommunen, Bürger und Unternehmen orientieren und dadurch die Attraktivität ihrer Angebote steigern.
Soweit klingt das vielversprechend. Dass aber auf die Energieagentur viel Arbeit zukommt, zeigte sich, als Jürgen Menzel den Wirtschaftsplan für 2024 sowie einen weiteren Ausblick vorstellte. Auch Landrat Richard Sigel hob hervor, dass er stets aufzeige, wenn es Baustellen gibt. „Das ist hier definitiv der Fall.“ Denn für 2024 ist eine Deckungslücke von etwa 350.000 Euro veranschlagt. Bedenkt man, dass die Energieagentur 2022 und voraussichtlich auch im laufenden Jahr ein vierstelliges Ergebnis erwirtschaftet hat, mag dies verwundern. „Man meint womöglich: Auf einmal so ein Minus! Aber so ganz plötzlich kommt es nicht“, führte Jürgen Menzel aus. Denn 2022 habe man durch verzögerte Stellenbesetzungen etwa 170.000 Euro eingespart, in diesem Jahr liege der Betrag gar bei etwa 230.000 Euro. Das bleibe nicht ohne Folgen. „Wir bekommen es dann zwar gerade so hin, ein ausgeglichenes Jahresergebnis zu erzielen, aber können unsere Aufgaben nicht mehr komplett erfüllen.“
Energieagentur nimmt einen Kassenkredit auf
Eine besondere Schwierigkeit in Sachen Finanzen stellt für die Energieagentur der steigende Forderungsbestand dar. Eigentlich hätte man 2022 von der baden-württembergischen Staatsbank Zahlungen in Höhe von gut 330.000 Euro erhalten sollen. Jedoch: „Die L-Bank ist seit Corona nicht mehr in der Lage, zeitnah Ausschüttungen vorzunehmen“, so Menzel. Das hat zur Folge, dass aus 2022 aktuell immer noch fast 136.000 Euro ausstehen. Hinzu kommen mehr als 140.000 Euro aus dem laufenden Jahr. Um dennoch die Liquidität der Energieagentur zu gewährleisten, habe man einen Kassenkredit aufgenommen.
Im kommenden Jahr sind Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst von 11,5 Prozent zu bezahlen, außerdem solle eine 50-Prozent-Stelle für einen Servicemonteur für das Lastenradprojekt geschaffen werden. Insgesamt ist im Wirtschaftsplan ein Ergebnis von minus 350.000 Euro angesetzt. Als Alleingesellschafter wird der Landkreis die ungedeckten Kosten für das Jahr 2024 allein tragen müssen. Menzel wagte zudem einen Ausblick auf die kommenden Jahre, der deutlich aufzeigte: Ein sechsstelliges Defizit könnte zur Regel werden, „wenn nichts passieren sollte im Hinblick auf zusätzliche Erlöse“.
Angesichts dieser Entwicklung müsse man sich die Frage stellen: „Wie viel ist uns die Energieberatung wert?“, so Jochen Haußmann (FDP-FW). Obwohl auch er die Bedeutung der Energieagentur nicht infrage stellte, so habe er doch ein Problem damit, wenn Ergebnisse mit derlei Verlusten zum Standard werden. Auch Hermann Beutel (CDU) fand es ärgerlich, solche Zahlen zu hören. Er äußerte die Hoffnung, dass mit der engeren Verzahnung mit dem Landratsamt und der damit einhergehenden Prozessoptimierung sowie dem Streichen mancher Projekte Einsparungen möglich werden. Er plädierte dafür, abzuwarten, wie sich alles im kommenden Jahr entwickelt. „Jenseits der Zahlen ist die Energieagentur aber eine sehr gute Einrichtung“, betonte er. Und auch Astrid Fleischer (Grüne) hob hervor: „Wir sind heilfroh, dass wir die Energieagentur haben.“ Bei einer Gegenstimme (AfD) sprach sich das Gremium daher auch dafür aus, die Pläne für das kommende Jahr mitzutragen. Die endgültige Entscheidung trifft dann der Kreistag.
Geschichte Im November 2008 wurde die Energieagentur Rems-Murr gegründet. Seit 2009 bietet sie kostenlose und unabhängige Erstberatungen für Bürgerinnen und Bürger des Kreises an. Das Angebot wurde ständig erweitert.
Struktur Bislang sind der Landkreis und die Stadt Waiblingen Gesellschafter mit jeweils 50 Prozent. Darüber hinaus sind weitere 18 von 31 Landkreiskommunen Mitglieder in der Energieagentur. Ab dem kommenden Jahr ist der Landkreis alleiniger Gesellschafter, die Stadt Waiblingen bleibt Mitglied.
Projekte Die Projekte der Energieagentur haben eines gemein: Sie führen zu mehr Energieeffizienz – bei Bürgerinnen und Bürgern, bei Unternehmen, bei Kommunen, Vereinen und Einrichtungen. Hierfür gibt es Beratungen, Vorträge, Veranstaltungen, Weiterbildungen und Workshops. Eines der neusten Projekte ist der Lastenradverleih „Lara to go“.