Praktikum in Indien: Eintauchen in eine fremde Kultur
Ein Auslandspraktikum ist für viele Studierende ein Traum. Für Felix Koehler ist er wahr geworden. Drei Monate lang war der 22-Jährige in Indien und hatte neben der Arbeit Zeit, Land und Leute kennenzulernen. Dabei sind seine Erfahrungen alle durchweg positiv.

Mittendrin bei einer Hochzeitsfeier in Bangalore: Felix Koehler (vorne, Zweiter von links). Fotos: privat
Von Andreas Ziegele
Sulzbach an der Murr. Das Erste, was Felix Koehler nach seiner Landung in Deutschland wahrnimmt, ist die Temperatur. Zehn Stunden zuvor war er bei tropischem Wetter und Temperaturen von 25 Grad Celsius in Bangalore gestartet und muss nun bei drei Grad frösteln. Aber es ist nicht nur das Klima, das Indien von Deutschland unterscheidet.
Koehler studiert normalerweise Medizintechnik an der Hochschule in Ulm. Für dieses dreimonatige Praktikum hatte er sich bei Bosch Healthcare Solutions in Waiblingen beworben und eine Zusage für das Praktikum erhalten. Nach drei Monaten ging es dann zu Bosch Global Software Technologies im indischen Bangalore, das auch als „Silicon Valley Indiens“ bezeichnet wird. „Softwareentwicklung ist zwar nicht Bestandteil meines Studiums, aber dann muss ich halt etwas erfinden“, so die pragmatische Einschätzung des 22-Jährigen. Zwei Monate lang hieß es dann für ihn, in einem komplett neuen Umfeld zu arbeiten, und er stellte die ersten Unterschiede zu seiner Heimat fest. Dazu später mehr.
Die unfassbare Höhe des Mount Everest beeindruckt
Nach diesen zwei Monaten war dann die Zeit für den ersten Urlaub im fremden Land für den Sulzbacher gekommen und er nutzte ihn für eine Reise nach Kathmandu, die Hauptstadt von Nepal. Von dort ging es für ihn weiter in das Bergdorf Namche Bazar mit Blick auf den höchsten Berg der Welt. „Das Dorf ist als Bergsteigerdorf ziemlich bekannt, weil hier viele Touristen ihren Aufstieg auf den Mount Everest beginnen“, erklärt Koehler. „Trotz der Distanz und der Höhe, auf der ich schon war, hat mich der unfassbar hohe Everest beeindruckt, wie er langsam durch die aufgehende Sonne angestrahlt wurde.“ Und die Höhe macht einem da auch schon zu schaffen: „Mein Gepäck wurde mit der Zeit immer schwerer, obwohl ich von meinen Vorräten gegessen habe.“

Ausgangspunkt für Mount-Everest-Expeditionen: Das Bergdorf Namche Bazar im Himalaya.
Die Rückreise nach Indien lief dann mehr als turbulent für den Studenten. Zunächst wollten die Grenzpolizisten nur Nepali und Inder passieren lassen. Von den anderen Grenzgängern wurde Geld erwartet. Also zurück nach Kathmandu an den Geldautomaten. „Nachdem ich die Gebühr dann entrichtet hatte, bekam ich sogar noch zwei Wasserflaschen als Geschenk“, erzählt er mit einem Schmunzeln. Nach der Landung auf dem Flughafen von Delhi sollte es dann weitergehen nach Bangalore. Nach dem Anrollen des Flugzeugs gab es einen ohrenbetäubenden Knall und man sah Feuer und Rauch aus dem rechten Triebwerk aufsteigen. „Das dauerte dann vier Stunden und als wir im Ersatzflugzeug abheben sollten, war nicht nur bei mir die Nervosität unbeschreiblich“, erinnert sich Koehler.
Bei der „Reception“ nimmt das Paar stundenlang Glückwünsche entgegen
Als große Ehre empfand der Student es dann, dass er zu der Hochzeit eines Kollegen am Stadtrand von Bangalore eingeladen wurde. „Dort stehen eigens ganz viele Hallen für solche Anlässe, damit die Gäste auch genug Platz finden“, berichtet er und spricht bei dieser Eheschließung mit rund 1500 Gästen von einer „für indische Verhältnisse kleineren Hochzeit“. Auch die Hochzeiten laufen anders ab als in Deutschland. „Bei dieser Hochzeit war es so, dass es mehrere Festtage gibt“, erläutert er. „Der Tag, zu dem ich eingeladen war, nennt sich Reception“, so Koehler weiter. Dabei steht das Brautpaar stundenlang auf einer kleinen Bühne und die Gäste gratulieren und überreichen ihre Geschenke. Die eigentliche Hochzeit fand dann um 4 Uhr morgens am Folgetag im Familienkreis statt.
Aber auch der Weg von und zur Arbeit ist nicht mit dem in Deutschland zu vergleichen, erzählt Felix Koehler. Er hat sich vorwiegend zu Fuß bewegt. „Aber ab einem Kilometer Entfernung wird es dann eher schwierig. Man geht immer an der mehrspurigen Straße entlang und Gehwege sind in Indien nicht bekannt.“ Dabei begegnet man auch ab und an einer Kuh, ein Tier, das für die Inder aufgrund der Bedeutung für die Landwirtschaft heilig ist. Für größere Entfernungen gibt es dann den Transportdienst Uber oder aber man fährt mit einem Tuk-Tuk. Was dem Italiener die Vespa und dem Holländer das Fahrrad, das ist dem Inder das Tuk-Tuk. Die Mitfahrt ist dabei immer ein Abenteuer auf drei Rädern.

Alltägliches Straßenbild der Millionenstadt.
Auch die Arbeitsbedingungen unterscheiden sich deutlich von Deutschland. „Man arbeitet nicht acht Stunden und geht dann wieder nach Hause“, erzählt Koehler, „sondern man arbeitet an seinem Projekt oder seiner Aufgabe und versucht diese zu erledigen.“ Es gibt keine Zeiterfassung und morgens wird erst einmal zusammen gefrühstückt. Auch das Mittagessen und ein sogenannter Nachmittagssnack nach Arbeitsende werden gemeinsam eingenommen. An das Essen musste sich Felix Koehler auch erst gewöhnen, was aber nach seinen Worten nach rund einer Woche sehr gut gelungen ist. „Am Anfang war alles megascharf, weil einfach alles scharf ist, und das fängt schon beim Frühstück an“, erzählt er. „Aber alles hat sehr gut geschmeckt.“
Politische Themen sind bei Gesprächen unter Indern durchaus üblich, so die Erfahrung des 22-Jährigen. Das Land wird auch als die größte Demokratie der Welt bezeichnet. „Diese Demokratie macht das Land sehr frei und man kann alles machen, was man möchte“, so sein Eindruck. „Die Regeln, die es gibt, kommen nach meinem Empfinden nicht vom Staat, der sehr viel zulässt, sondern eher von den einzelnen Gesellschaftsgruppen.“
Seine Erinnerungen an die Geschichten, Geschenke und Erinnerungen an die Kollegen und Freunde bleiben. Sollte sich die Chance auf ein weiteres Erlebnis dieser Art geben, wird Felix Koehler diese sicher ergreifen. Das verrät zumindest der Gesichtsausdruck am Ende des Gesprächs, bevor er sich wieder in Richtung Ulm verabschiedet.
Bundesstaat Der offizielle Name seit 2014 lautet Bengaluru. Die Stadt ist die Hauptstadt des indischen Bundesstaats Karnataka im Südwesten des Subkontinents.
Einwohner Bangalore zählte 2020 12,3 Millionen Einwohner und wird bis 2030 ein Bevölkerungswachstum von voraussichtlich 31,6 Prozent aufweisen. Sie ist nach Mumbai und Delhi die drittgrößte Stadt Indiens.
Industrie Bangalore ist ein Zentrum der zivilen und militärischen Luft- und Raumfahrtindustrie und -forschung Indiens. In jüngerer Zeit hat es sich zudem zu einem der wichtigsten IT-Zentren des Landes entwickelt. Wegen der zahlreichen Parkanlagen wird von Bangalore auch oft als der „Gartenstadt“ gesprochen.