Einzelhandel: In der Backnanger Innenstadt tut sich was
Neue Geschäfte rund ums Rathaus laden zum Verweilen und Einkaufen ein. Andere Läden haben den Stadtkern von Backnang verlassen. Nachfolger sind in Sicht oder werden gesucht. Ein Rundgang mit Wirtschaftsförderer Reiner Gauger.

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Sie fühlen sich in ihren neuen Geschäften gegenüber dem Backnanger Rathaus sehr wohl: Susanne Preget von „La Fissima“ (links) und Beate Kirchherr von „haimisch“. Fotos: Alexander Becher
Von Florian Muhl
Backnang. „Hier diese beiden neuen Geschäfte...“, Reiner Gauger deutet auf das Gebäude „Am Rathaus 6-7“ und kündigt an: „Das Konzept ist hoch interessant!“ Diese Aussage des Wirtschaftsförderers macht neugierig. Der Rundgang durch die Innenstadt verspricht spannend zu werden.
Fast auf den Tag genau vier Jahre ist es her, dass das Wäschehaus Speidel Backnang verlassen hat. Nach mehreren Monaten Leerstand agierte dort der Rizzo Hair Salon rund drei Jahre lang, allerdings an dieser Stelle nicht mit dem erhofften wirtschaftlichen Erfolg. Mit den beiden Modegeschäften „La Fissima“ und „haimisch“ weht nun ein frischer Wind in den Räumlichkeiten, die innen miteinander verbunden sind.
La Fissima „Wir wir fühlen uns sehr wohl hier und kommen bestens an. Pfingsten haben wir eröffnet und haben diese Entscheidung noch keinen Tag bereut“, sagt Susanne Preget. Sie ist die Freundin und rechte Hand der Inhaberin Nicole Rohrweck, die derzeit im Urlaub weilt. „Wir sind viel mehr als ein Bekleidungsgeschäft für Damen. Wir bieten auch liebevoll ausgesuchte Wohnaccessoires an, Interieur, Möbel, Schmuck und Geschenkartikel, aber auch Wein und Gewürze“, so Preget. Sehr gut komme das Angebot „Private Shopping“ an, dass sich an Damengruppen ab fünf Personen richtet. Nach Ladenschluss wird die Tür verschlossen. „Die Frauen sind unter sich. Wir hatten auch schon 10, 12, 15 Mädels hier gehabt, da war Party, Bombe“, begeistert sich die Verkäuferin, die eigentlich selbstständige Mediengestalterin ist.
„Hier ist ein Ort der Kommunikation, wo man gern verweilt und ein Schwätzle hält“, beschreibt Preget das Geschäft La Fissima, das es seit zehn Jahren in Murrhardt gibt, nur bis Anfang Juni noch nicht in Backnang. Dass sich das nun geändert hat, ist Jochen Stroh zu verdanken, der die Immobilie besitzt. „Er hat im November aus heiterem Himmel angerufen und uns das Angebot gemacht, nach Backnang zu kommen“, erzählt die Freundin der Geschäftsführerin.
haimisch Ebenso hat Beate Kirchherr ein Anruf von Jochen Stroh vor rund zehn Monaten ereilt, mit derselben Intention. Die 53-Jährige lebt mit ihrer Familie seit 2015 in Backnang und verkaufte die eigene Kollektion ihres Kinderlabels „Ammerseekids“ bisher in einem kleinen Laden in der Stuttgarter Straße. „Mit viel Handarbeit und Herzblut in Backnang und Umgebung gefertigt und ausschließlich aus kontrolliert biologischen Stoffen“, ergänzt Kirchherr.
Vor einem Jahr ist dann die Idee entstanden, an die erfolgreiche Geschichte der nachhaltigen Kinderbekleidung anzuknüpfen und auch Mode für Erwachsene anzubieten. „Ich bin der kreative Kopf“, sagt die dreifache Mutter, die mit Simone Steinforth eine neue Partnerin im Laden „haimisch“ gefunden hat. Steinforth, zweifache Mutter, kümmert sich um die kaufmännischen Angelegenheiten. „Wir haben lang überlegt und das Angebot von Herrn Stroh schließlich angenommen“, sagt Kirchherr. Eröffnung war am 30. Juli, also vor rund sechs Wochen. „Toll ist die Teilung der Gesamtfläche in die beiden einzelnen Geschäfte.“
„Das ist schon etwas Besonderes und wir sind auch froh darüber, an so prominenter Stelle gegenüber vom Rathaus so was zu haben. Da ist Bewegung drin“, zieht Gauger auf dem Weg Richtung Marktstraße ein erstes Fazit. Der Wirtschaftsförderer kann sich ein fundiertes Urteil erlauben, denn von seinem Arbeitsplatz aus blickt er direkt auf die Häuserzeile zwischen der Gaststätte Zum Löwen und dem Eiscafé Dolomiti. Der Rizzo Hair Salon befindet sich übrigens nun in etwas reduzierten Räumlichkeiten „Am Rathaus 8“ in der ersten Etage.
Adler-Apotheke Einen Leerstand seit vielen Jahren beklagt Gauger an der Marktstraße Ecke Postgasse: „Die Stadt hat bei solchen Immobilien nur bedingt Einfluss.“ Nach vielen Gesprächen sei es der Stadt gelungen, das Gebäude zu kaufen. „Aus zwei Gründen“, wie der Wirtschaftsförderer erklärt: „Zum einen, dass es hier an prominenter Stelle nicht in fremde Hände gerät, und zum anderen, dass wir den Einfluss haben, was passiert.“ Ziel sei es, in den oberen zwei Etagen die derzeitige medizinische Nutzung in der Innenstadt zu halten. „In die eigentliche Apotheke im Erdgeschoss soll im kommenden Jahr die Stadt-Info hineinkommen, die jetzt unten am Gänsebrunnen ist.“ Die Vorteile zählt Gauger kurz auf: prominente Stelle, Haltestelle vor der Tür, Rathaus gegenüber, mitten im Zentrum. Den seitherigen Stadt-Info-Standort behalte man sich als Reserve für Bürolösungen der Verwaltung. „Im Zweifel, wenn wir’s übrig haben, hab ich die Fläche ganz schnell verpachtet an ein kleines Gewerbe.“
Tafelhaus Die Schillerstraße hinunter führt der Weg am schmucken Fachwerkhaus vorbei, in dem Lars Schürer 19 Jahre lang seine Gäste kulinarisch verwöhnte und nebenan in seiner Kochschule Tricks seiner Kochkunst verriet. Jetzt hat das Gebäude den Besitzer gewechselt. Wer der Käufer ist, sei kein Geheimnis: „Riva-Chef Hermann Püttmer“, sagt Gauger. Über Aushänge bietet die Firma Riva-Immobilien Ladenfläche und Gastronomie sowie Wohnungen an. „Am besten wäre es sicherlich, wenn da ein junger Koch käme mit Familie, der oben wohnt und unten bewirtet“, sagt der Wirtschaftsförderer. Für die Räumlichkeiten, in der die Kochschule untergebracht war, habe er bereits einen Interessenten.
Rengin’s Pizza- und Kebabhaus Ein Sorgenkind der Stadt steht in der Schillerstraße zwischen Café Weller und Bäckerei Mildenberger. Der Laden ist wieder leer. Das Gebäude ist in privater Hand, zum Eigentümer bekommt Gauger keinen Kontakt. „Aber übers Stadtplanungsamt werden wir gegen die Beklebung vorgehen. Wir haben eine Werbesatzung in Backnang, die diese Art der Beklebung nicht vorsieht. Wir wollen nicht, dass die Geschäfte ihre Schaufenster in dieser Art zukleben.“

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Jochen Stroh (links) erläutert Reiner Gauger das Konzept seines Geschäfts in der Schillerstraße.
Optik Stroh In den ehemaligen Räumen des Modegeschäfts Kapphan gegenüber der Volksbank wurde in den vergangenen Monaten kräftig saniert und umgebaut. Jochen Stroh hat die Immobilie gekauft und wird sein Geschäft am kommenden Freitag um 10 Uhr eröffnen. „Das Konzept ist wie seither: hohe Qualität gepaart mit Meisterarbeit, ob bei der Augenprüfung oder der Verarbeitung der Brille.“ Lang habe der Augenoptiker den Wunsch gehegt, sein traditionelles Geschäft zu vergrößern. Allerdings wollte der Unternehmer auch von seinem Standort in der Grabenstraße aus „im sichtbaren Umkreis bleiben“ und dann habe sich die Möglichkeit im Gebäude in der Schillerstraße 25 ergeben. Dort sollen der Augenvermessung und der Verkauf von Brillen und Kontaktlinsen auf zwei Etagen stattfinden. Am Standort in der Grabenstraße 7 soll das Handwerk das Sagen haben. Stroh will dort im kommenden Jahr eine gläserne Werkstatt einrichten.
BW-Bank In der Grabenstraße wird es künftig ein Geldinstitut weniger geben. „Die BW-Bank schließt viele Filialen, unter anderem Backnang. Sie wollen allerdings mit Automaten präsent bleiben, suchen jetzt aber nach einem anderen Standort für die Automaten. Das Gebäude soll verkauft werden, dann ist die untere Fläche in 1-A-Lage wieder zu haben“, erklärt Gauger.
Untere Marktstraße mit Burgel-Gebäude Zum Schluss des Rundgangs blickt Gauger noch in die Zukunft. „Die gesamte untere Marktstraße auf der rechten, also auf der Murrseite ab Einmündung Wassergasse, mit Ausnahme des untersten Gebäudes, hat die Stadt erworben, mit dem Ziel, ein komplett neues Konzept mit der Anbindung an die Bleichwiese zu realisieren und das ganze Areal aufzuwerten. Es ist uns bewusst, dass die untere Marktstraße derzeit nicht die schönste Ecke von Backnang ist.“ Auch das Burgel-Gebäude habe die Stadt inzwischen komplett erworben. „Wobei es wirklich ein Sorgenkind ist“, so der Wirtschaftsförderer. Warum? „Auch hier wollen wir natürlich ein neues Konzept in Verbindung mit dem ganzen Viertel.“ Die Stadt möchte das Gebäude allerdings auch nicht noch jahrelang leer stehen lassen. „Deshalb bin ich im Moment auf der Suche nach einer Zwischennutzung, nach jemandem, der dort die Flächen drei bis maximal fünf Jahre nutzt.“ Aber die Sache hat einen Haken: „Das Kernproblem ist, dass das Gebäude an sich, so wie es jetzt da steht, nicht nutzbar ist“, erklärt Gauger, und ergänzt: „Man muss sechsstellig investieren, um es für eine Zwischennutzung nutzbar zu machen.“ Da komme man ganz schnell zu der Frage: Ja lohnt sich das dann noch? „Das ist im Moment der Drahtseilakt.“ – Ende offen.
Über folgende neue Geschäfte beziehungsweise Gastronomiebetriebe hat unsere Zeitung bereits berichtet, deshalb in Kürze:
Café und Bistro Wunderbar „Über das Café mit Außengastro und mit Überdachung vor der Volksbank von der Bäckerei Mildenberger sind wir auch sehr dankbar“, sagt Wirtschaftsförderer Reiner Gauger.
Café Lille Bønne (sprich: bönne) Jens Sengenberger hat an der Treppe über dem Marktplatz ein kleines, aber feines Café eröffnet. Der Name „Lille Bønne“ ist dänischen Ursprungs und heißt „kleine Bohne“.
Onkel Ali „Der hat investiert und hat sich gut entwickelt, auch im Außenbereich. Der hat sein Publikum gefunden und hat auch Speisen im Angebot, die weit über das normale Angebot hinausgehen“, meint Wirtschaftsförderer Gauger zu dem Imbiss am Rathaus Ecke Uhlandstraße.