Bach-Konzert am Feuersee
Empfindsam, stürmisch, überraschend
Das Internationale Bachfest Stuttgart feiert Bachs Söhne in einem Konzert mit der Gaechinger Cantorey und Hans-Christoph Rademann.

© /Franziska Kraufmann
Bachfest in der Johanneskirche am Feuersee
Von Verena Großkreutz
Bach hatte 20 Kinder, zehn starben bereits im Kleinkindalter. Vier Söhne wurden Komponisten, zwei davon erfolgreiche: Carl Philipp Emanuel in Hamburg und Johann Christian in London. Sie hatten freilich Pech. Ihr Schaffen fiel ins Nirwana zwischen Barock und Klassik. Ihrem Werk nehmen sich mittlerweile zwar Alte-Musik-Ensembles an, im Durchschnittskonzert aber ist in der Regel nichts von ihnen zu hören. Schade, denn es gibt in ihrer Musik viel zu entdecken: Empfindsamkeit und Sturm und Drang, eine Stilvielfalt, die barocke und klassische Elemente in sich vereint.
Lobenswert also, dass die Bachakademie dreien der Bach-Söhne ein Konzert in der Johanneskirche am Feuersee widmete. Es erklangen Sinfonien und Solokonzerte. Hans-Christoph Rademann leitete das Orchester der Gaechinger Cantorey auf historischen Instrumenten. Freilich schien vieles nicht ganz zu Ende gedacht und hätte noch ein bisschen Feinschliff gebraucht. In Wilhelm Friedemanns D-Dur-Sinfonie Fk 64 von 1755, in der man noch den konzertierenden Geist des Barock heraushört, wirkten die Waldhörner und Holzblasinstrumente hinter dem Streichensemble akustisch ungünstig platziert. Sie verhallten im Kirchenraum, wurden deshalb von den Streichern übertönt, wodurch der farbig-konzertante Charakter blass blieb, vor allem im Andante mit seinen schönen Flötenduetten.
Dann wird es extrem unterhaltsam
In Johann Christians g-Moll-Sinfonie op. 6 Nr. 6 aus den 1760ern erfreute der enorme Drive der Außensätze, allerdings war Rademann zum affektgeladenen Mittelsatz nicht viel mehr eingefallen, als es einfach laufen zu lassen. So fehlte ihm die Binnenspannung, er plätscherte so vor sich hin.
Den zwei Solokonzerten von Carl Philipp Emanuel stand dagegen die große Besetzung des Orchesters im Weg: Im Flötenkonzert Wq 22 konnte sich Georges Barthel mit seiner Traversflöte nicht wirklich gegen die 16 Streichinstrumente durchsetzen – so fein und farbig sie sich auch artikulierten. Sein virtuoses Wollen und Können verpuffte. Was hätte gegen eine kleinere Besetzung gesprochen? Dieselbe Frage stellte sich auch im Cembalokonzert Wq 23 mit Arianna Radaelli. Gänzlich überzeugen konnte das Ensemble dann aber in Carl Philipp Emanuels extrem unterhaltender D-Dur-Sinfonie Wq 183 (von 1775) mit ihren klanglichen Raumöffnungen durch exotischste Modulationen. Nie geschieht hier, was die Ohren erwarten.