Endspurt auf der schwierigsten Baustelle in Backnang
In zwei Wochen wird die neue Fußgängerbrücke am Backnanger Bahnhof eingeweiht. Das Projekt war von Anfang an voller Tücken, die Kosten haben sich mittlerweile fast verdoppelt. Und von der angestrebten Barrierefreiheit ist man noch weit entfernt.
Von Kornelius Fritz
Backnang. Zuerst die gute Nachricht: Die neue Fußgängerbrücke am Backnanger Bahnhof wird pünktlich ab Anfang November begehbar sein. Damit kann der alte Steg wie geplant in der Zeit vom 10. bis 13. November abgerissen werden. Für die Abrissarbeiten muss der Bahnverkehr am Backnanger Bahnhof ein komplettes Wochenende lang ruhen. In dieser Zeit fahren stattdessen Ersatzbusse.
Die entsprechende Sperrpause hatte die Stadt bereits vor zwei Jahren bei der Deutschen Bahn beantragt. Wäre man mit den Bauarbeiten in Verzug geraten, hätte man eine neue Sperrpause beantragen müssen. Die wäre laut Stefan Setzer aber wohl frühestens 2027 genehmigt worden, denn wegen Stuttgart 21 gestatte die Bahn vorher keine weiteren Gleissperrungen.
Der Baubürgermeister ist deshalb gottfroh, dass der Zeitplan eingehalten wurde, auch wenn es manchmal Spitz auf Knopf stand: „Ich schlage drei Kreuze, wenn diese Baustelle abgeschlossen ist“, gesteht Setzer. Denn obwohl der schlichte Stahlsteg nicht allzu spektakulär aussieht, sei dies die komplizierteste Baustelle, die er bisher erlebt habe, sagt der Erste Bürgermeister. Selbst der Neubau der Karl-Euerle-Sporthalle sei im Vergleich dazu einfach.
Kostenschätzung liegt jetzt bei bis zu 8,85 Millionen Euro
Dabei ist nicht die Brücke selbst das Problem, sondern die Tatsache, dass diese bei laufendem Betrieb über Bahngleise führt. Das erforderte aufwendige Abstimmungen mit der Deutschen Bahn und ihren diversen Tochterunternehmen. Außerdem sei immer klar gewesen, dass sich die Stadt als privater Bauherr den Interessen der Bahn unterordnen müsse. „Ein geregelter Bahnverkehr hat für die Deutsche Bahn absoluten Vorrang“, erklärt der Erste Bürgermeister.
Dass die Baustelle unter keinem guten Stern steht, zeichnete sich bereits ab, bevor es überhaupt losging. Im vergangenen Dezember, etwa einen Monat vor Beginn der Arbeiten, teilte die Deutsche Bahn der Stadt mit, dass die nächtlichen Sperrpausen von fünf auf drei Stunden pro Nacht verkürzt werden. So konnte immer nur zwischen 1 und 4 Uhr an den Gleisen gearbeitet werden. Um trotzdem bis November fertig zu werden, mussten die Baufirmen deshalb zusätzliches Personal einsetzen.
Es sollte nicht die einzige Überraschung während der Bauzeit bleiben: „Es hat sich gezeigt, dass das Bauen an Bahngleisen extrem aufwendig ist“, berichtet Stefan Setzer. So gestattet die Bahn überhaupt nur wenigen Firmen, in Gleisnähe zu bauen. Zusätzlich müssen alle Arbeiten von speziell ausgebildeten Personen kontrolliert werden. „Sobald wir nur eine Schubkarre über die Gleise heben wollten, musste ein zugelassener Bauüberwacher danebenstehen“, berichtet Projektleiterin Inka Föll.
Erschwerend kam hinzu, dass der Istzustand am Bahnhof nur unzureichend dokumentiert war. So stellte sich zum Beispiel erst während der Bauarbeiten heraus, dass dort, wo der Aufzug zum Büttenenfeld geplant war, wichtige Kabel für die Leit- und Sicherungstechnik der Bahn verliefen. Diese mussten also verlegt werden, was zunächst aber daran scheiterte, dass entsprechende Kabel gar nicht lieferbar waren.
„Jede Planänderung zieht einen Rattenschwanz nach sich“, fasst Stefan Setzer die Erfahrungen zusammen. Fast in allen Fällen waren damit auch zusätzliche Kosten verbunden. Seit dem Baubeschluss im Juli 2020, als von 4,5 Millionen Euro die Rede war, musste der Baubürgermeister deshalb mehrfach im Gemeinderat um zusätzliche Mittel bitten. Ein weiterer Gang ins Gremium steht ihm noch bevor: Am Donnerstag wird Setzer im Ausschuss für Technik und Umwelt eine weitere überplanmäßige Auszahlung von 835000 Euro beantragen. Damit liegen die Gesamtkosten aktuell bei 8,4 Millionen Euro, aus denen wegen ausstehender Arbeiten an der Leit- und Sicherungstechnik noch 8,85 Millionen werden können. Rund zwei Millionen werden als Zuschuss vom Land erwartet.
Dass das für einen 62 Meter langen Steg ein stolzer Preis ist, bestreiten die Verantwortlichen nicht. Letztlich gehe es aber nicht nur Backnang so, sagt Stefan Setzer. Als Beispiel nennt er die „Buga-Brücke“ in Heilbronn, die ursprünglich zur Bundesgartenschau 2019 fertig sein sollte, tatsächlich aber erst vor zwei Wochen eingeweiht wurde und mit fast 19 Millionen Euro mehr als doppelt so viel kostete wie geplant.
In Backnang hofft man, sich zumindest einen Teil der zusätzlichen Millionen zurückholen zu können. „Wir werden versuchen, Mehrkosten, die durch die Versäumnisse Dritter zustande gekommen sind, vor Gericht geltend zu machen“, kündigt Stefan Setzer an. Gegen wen sich diese Forderungen konkret richten werden, will der Erste Bürgermeister aber nicht verraten.
Von vier geplanten Aufzügen ist noch keiner da
Nun könnte man die Kostenexplosion sicher leichter verschmerzen, wenn der Backnanger Bahnhof nach der Eröffnung der Stadtbrücke endlich barrierefrei wäre. Denn das war einer der Hauptgründe für den Bau des neuen Stegs. Doch davon ist man noch immer weit entfernt. Tatsächlich wird zur Einweihung der Brücke von vier geplanten Aufzügen noch kein einziger in Betrieb sein. Zwei davon, nämlich der vorderste und der hinterste, fallen in die Zuständigkeit der Stadt und sollten eigentlich schon da sein. Allerdings macht die beauftragte Firma Lieferschwierigkeiten geltend. „Das ärgert uns wahnsinnig“, sagt Stefan Setzer, der auch noch kein verbindliches Datum nennen kann. Spätestens Anfang 2024 werden diese beiden Aufzüge aber wohl in Betrieb gehen. Damit gibt es aber immer noch keine barrierefreie Verbindung zu den Bahnsteigen. Denn die beiden mittleren Aufzüge baut die Deutsche Bahn und die hat bereits angekündigt, das Projekt erst ab 2025 im Zuge der geplanten Bahnhofsmodernisierung anzugehen.