Endspurt beim frischen Spargel
Noch bis zum Johannistag am 24. Juni ist das Stangengemüse zu haben. Und während man die einen damit jagen kann, ist das „essbare Elfenbein“ für andere das kulinarische Highlight des Jahres.

© Alexander Becher
Auf der Gemarkung Kirchberg sind am Ortsrand von Zwingelhausen lange Spargeldämme zu sehen. Die Felder mit dem edlen Gemüse gehören dem Rielingshausener Obsthof Eisenmann. Fotos: A. Becher
Von Simone Schneider-Seebeck
BACKNANG/KIRCHBERG AN DER MURR. Massenandrang auf dem Parkplatz, die beiden Einweiser haben ganz schön viel zu tun bei Knödlers Obstgarten im Heidenhof. Vor dem Eingang zum Hofladen steht eine lange Schlange Menschen, die mit Abstand und Geduld darauf wartet, eingelassen zu werden. Eine Mitarbeiterin achtet an der Tür darauf, dass alles geordnet abläuft. Ob hier immer so viel lost ist? In der Erdbeer- und Spargelsaison schon. Für ein kurzes Gespräch zum Thema Spargel bleibt da gar keine Zeit mehr. Schade, aber bei der großen Menge an Kundschaft, die sich hier mit dem hofeigenen weißen Stangengemüse eindecken möchte, nur zu verständlich.
Doch der Spargel, der hier im Umkreis verkauft wird, kommt größtenteils gar nicht aus der näheren Umgebung. Der bayerische Heigl-Hof ist mit zwei Ständen in Backnang vertreten. Von Günzburg bis Höchstadt an der Aisch, von Amberg bis Stuttgart-Zuffenhausen wird in Bayern und Baden-Württemberg etwa von Mitte April bis Saisonende an unzähligen Ständen der bayerische Spargel verkauft. Angebaut wird er im schwäbischen Lech-Donau-Tal.
Der Spargelhof Eberhardt aus der Vorderpfalz ist hierzulande ebenfalls gut vertreten. Er beliefert Hofläden und ist auch schon seit Jahren in Backnang auf dem Wochenmarkt vertreten, wie Mitinhaberin Caroline Leopold verrät: „Wir fahren relativ weit.“ Der Hof baut auf gut 250 Hektar Spargel an und hat damit die größte Anbaufläche im Rheinland. „Wir machen Spargelentwicklungshilfe in Backnang“, lacht sie. In diesem Jahr wurde der erste Pfälzer Spargel am 31. März in Backnang verkauft. Dabei wird nicht nur weißer Spargel angeboten, auch der grüne wird von den Marktbesuchern geschätzt. Als Besonderheit und Farbtupfer gilt der violette Grünspargel, „der schmeckt intensiv nussig“, erklärt Leopold. Gemischte grün-violette Pakete sind bei der Kundschaft ebenfalls recht beliebt.
Die krummen Spargelstangen kann man nicht mehr ernten.
Glück gehabt – im Rems-Murr-Kreis findet sich doch noch ein Spargelfeld, wenn es auch zu einem Marbacher Hof gehört. Auf der Gemarkung Kirchberg an der Murr sind am Ortsrand von Zwingelhausen lange Spargeldämme zu sehen. Die Felder gehören dem Rielingshausener Obsthof Eisenmann. Chef Jens Eisenmann lässt es sich nicht nehmen, höchstpersönlich vorzuführen, wie das Spargelstechen funktioniert. Zunächst einmal verwundert es den Laien, dass so viele Spargel krumm in die Höhe wachsen. Die kann man nicht mehr ernten. „Man muss den richtigen Moment für das Stechen abpassen“, erklärt Christian Melzheimer vom Obsthof Eisenmann. Da sich die Saison nun langsam dem Ende zuneigt, werden nur noch die schönen Spargel geerntet. Das sind die Sprossen, die gerade einmal ein paar Zentimeter aus der Erde ragen und noch einen schön geschlossenen Kopf haben. Mit dem Spargeleisen fährt man die Stange entlang in die Erde hinein, dann drückt man das Eisen nach vorne und sofern man über Erfahrung und Übung verfügt, hat man nun eine gerade abgeschnittene Spargelstange in der Hand. Gar nicht so leicht, wie der Selbstversuch zeigt – zu kurz und schräg abgerupft, die ist bestimmt nicht zum Verkauf geeignet. Das machen die vier Saisonarbeiter wesentlich routinierter. „Es braucht Erfahrung, um zu wissen, wie tief das Eisen hinunter muss“, sagt Eisenmann. Man kann bei der Ernte nämlich einiges falsch machen. Die Wurzelanlage der Spargelpflanze erhöht sich jedes Jahr. Deshalb wird der Damm, in dem die Pflanze wächst, auch jedes Jahr etwas höher. Beim Stechen muss man ziemlich aufpassen, damit man nicht die Wurzeln verletzt oder eine Sprosse, die noch nicht sichtbar ist, abschneidet. Auf den Spargelfeldern in der näheren Umgebung um Rielingshausen, insgesamt 2,7 Hektar, arbeitet in der Saison eine feste Mannschaft. „Man braucht ein Gefühl dafür. Das ist ein Arbeitsvorgang, der technisch sehr schwierig ist, weil man nicht sieht, was man tut“, fährt Eisenmann fort, der den Betrieb 2002 von seinen Eltern übernommen hat und nun in der dritten Generation führt.
Auf etwa zwei Hektar wird weißer Spargel angebaut, auf den restlichen etwa 0,7 Hektar wächst grüner Spargel, eine spezielle Sorte, die schön dünn und zart ist. Denn auch weißer Spargel wird grün, wenn er zu lange der Sonne ausgesetzt ist. Die Spargelsaison hat in diesem Jahr nur etwa eine Woche später angefangen als sonst, denn bereits im Februar hatte man die Dämme aufschichten können. Sie werden an kalten Tagen mit der schwarzen, wärmenden Seite der Folie abgedeckt, die weiße Seite hat dagegen einen kühlenden Effekt. „Die Temperatur ist sehr wichtig für die Qualität“, sagt Eisenmann. Ganz überrascht ist er, als er kurz nachrechnet, wie lange die Abdeckfolie bereits im Einsatz ist. Schon seit etwa 15 Jahren wird sie genutzt, man achtet nach dem Saisonende immer darauf, dass sie sorgsam aufgerollt und verwahrt wird, damit sie im nächsten Jahr wieder verwendet werden kann. „Wir kommen in ein Klima rein, in dem das Wetter immer unberechenbarer wird.“
Folientunnel sind hilfreich, um die Wetterkapriolen abzufedern, außerdem müsse viel weniger Pflanzenschutz betrieben werden. „Noch nie hatten wir so ein kaltes Frühjahr wie in diesem Jahr“, erinnert sich Eisenmann, auch auf die Wetterberichte könne man sich nicht mehr verlassen. Doch wenn auch der Spargelertrag in diesem Jahr etwas geringer ausfalle als 2020, so könne man keineswegs von einer schlechten Ernte sprechen.
Nach der Ernte kommt der Spargel in eine Art Waschanlage, in der das harte Ende abgeschnitten wird. Anschließend werden die Stangen sortiert und bis zum Verkauf sehr kühl gelagert. Verkauft wird ausschließlich im Direktvertrieb, sprich im Hofladen oder auf dem Markt. Durch Corona hat diese Art der Vermarktung sogar noch einen Schub bekommen, der Verbraucher habe vermehrt auf regionale Angebote zurückgegriffen, wie Eisenmann beobachtet hat.

© Alexander Becher
Mit dem Spargeleisen fährt man die Stange entlang in die Erde hinein und kappt sie dort.
Der meiste Spargel wird in Niedersachsen gestochen, gefolgt von Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. In Deutschland wird europaweit der meiste Spargel gestochen – 41 Prozent. Weit abgeschlagen folgen Spanien (18 Prozent) und Italien (16 Prozent).
Etwa zehn Jahre lang verbleibt die Spargelstaude im Boden. Frühestens nach drei
Jahren treibt die Pflanze mehrere Sprossen aus. Es sollten nicht mehr als sechs von
ihnen geerntet werden, damit die Pflanze genügend Kraft für die Überwinterung
tanken kann. Bereits Mitte März wurde in diesem Jahr der erste Spargel geerntet – dank Bodenheizung. Am 24. Juni ist Schluss mit der Ernte. Dann beginnt die Regenerationszeit der Staude. Ab dieser Zeit werden verstärkt Bitterstoffe ausgebildet.
Spargel ist sehr gesund: Er enthält entschlackende Asparaginsäure, Kalium, Phosphor, Kalzium, die Vitamine A, B1, B2, C, E und Folsäure – und das bei schlanken 20 Kalorien pro 100 Gramm.
Der hohe Preis für das Stangengemüse erklärt sich durch die Anbauweise. Es wird auch heutzutage noch von Hand geerntet, zudem bedeutet die Pflege der Spargeldämme Zeit und Aufwand.
Deutschlandweit ist die Spargelerntemenge in den vergangenen Jahren zurückgegangen und das bei steigender Nachfrage. 2020 ging der Ertrag im Vergleich zum Jahr 2019 um 19 Prozent zurück, was mit der Coronapandemie und fehlenden Erntehelfern zusammenhing. 2020 wurden in Baden-Württemberg 8200 Tonnen Spargel gestochen, 26 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Die Anbaufläche ist seither um 10 Prozent zurückgegangen.