Enkeltrickser mit fünffacher Beute

Die Zahl der Fälle ist nicht zuletzt aus statistischen Gründen geringer geworden. Dennoch machen Kriminelle, die auf die Arglosigkeit und Hilfsbereitschaft ihrer Opfer setzen, mehr Geld denn je mit ihren Betrugsmaschen – und mittlerweile auch mittels digitaler Technik.

Bislang standen vornehmlich ältere Menschen im Fokus der Trickbetrüger. Das ändert sich zusehends. Foto: polizeiliche Kriminalprävention

© Maik Goering

Bislang standen vornehmlich ältere Menschen im Fokus der Trickbetrüger. Das ändert sich zusehends. Foto: polizeiliche Kriminalprävention

Von Bernhard Romanowski

Rems-Murr. Ein Rekordtief an Straftaten: Das hat das Polizeipräsidium Aalen jüngst mit der polizeilichen Jahresstatistik 2021 vermeldet (wir berichteten). Dennoch legen die Ordnungsschützer nicht die Hände in den Schoß. Neben der Ermittlungsarbeit nimmt auch die Prävention einen großen Raum ihrer Arbeit ein. Denn die Betrüger schlafen nicht, sondern entwickeln immer perfidere Methoden, um an anderer Leute Geld zu kommen. Auch digitale Techniken und die sozialen Medien nutzen sie dazu verstärkt (siehe Infokasten). So kommen die „Klassiker“ der Betrugsmaschen – der falsche Polizist und der Enkeltrick – immer wieder und in immer neuen Formen zur Anwendung.

Falscher Polizist Bei dieser Betrugsmasche täuschen Kriminelle in Telefongesprächen vor, von der Polizei zu sein und veranlassen die Betroffenen, Geld oder Wertsachen einem angeblichen Kriminalbeamten zu übergeben oder bereitzustellen, um diese Dinge – wie sie behaupten – vor einem Einbruch zu sichern, um das Geld auf Fälschungen zu überprüfen oder auch um das Konto des Angerufenen vor Plünderungen vermeintlich zu schützen.

„Bei den Tätergruppierungen handelt es sich oftmals um in Deutschland sozialisierte und aufgewachsene Personen, die in der Regel aus im Ausland ansässigen Callcentern heraus agieren“, so formulieren die Ermittler ihre Erfahrung. Der Anrufer hält dabei mit geschickter Gesprächsführung die enge telefonische Verbindung zum Opfer, ein weiteres Bandenmitglied geht zeitgleich an den Tatort, um den persönlichen Kontakt zu schließen und die Beute entgegenzunehmen und weiterzuleiten. Dabei variieren die Täter ihre Vorgehensweise ständig und passen sie an die jeweiligen Rahmenbedingungen an, was es selbstverständlich nicht einfacher macht für die Polizei.

Der Enkeltrick Als Enkeltrick wird ein betrügerisches Vorgehen bezeichnet, bei dem sich die Täter meist gegenüber älteren oder hilflosen Personen in einem Telefonat als deren nahe Verwandte ausgeben, um unter Vorspielung falscher Tatsachen Bargeld oder Wertgegenstände zu erlangen. Oftmals wird den gutgläubigen Opfern erst nach Übergabe des geforderten Guts bewusst, dass sie einem perfiden Betrug zum Opfer gefallen sind. Die Fallzahlen sind zwar rückläufig. Der durch den Enkeltrick insgesamt entstandene Schaden verfünffachte sich im Präsidiumsbereich Aalen mit den Landkreisen Rems-Murr, Ostalb und Schwäbisch Hall aber von 61000 Euro auf 305250 Euro. Wie dreist manche Betrüger vorgehen, verdeutlicht folgender realer Sachverhalt:

Fallbeispiel Im August 2021 ruft eine jüngere Frau mit weinerlicher Stimme bei einer 79-jährigen Frau aus Auenwald an. Sie gibt sich als deren Enkelin aus und behauptet, ihre Mutter, also die Tochter der Angerufenen, habe einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem eine Radfahrerin getötet worden sei. Das Telefonat wird dann an einen angeblichen Polizeibeamten übergeben, der der geschockten Dame mitteilt, dass eine Kaution bezahlt werden müsse. Ansonsten komme deren Tochter in Untersuchungshaft. Innerlich aufgewühlt und im Glauben, es sei tatsächlich etwas passiert, sagt die ältere Dame zu, 26000 Euro aufbringen zu können. Nur wenige Stunden später erscheint ein junges Mädchen bei der Dame, die das Geld abholen will.

Bei der Dame kommen nun erste Zweifel an der Geschichte auf und sie verweigert die Herausgabe des Gelds. Ohne Beute verlässt das Mädchen das Haus wieder und versucht, ein Taxi zu organisieren, das sie möglichst schnell zum Stuttgarter Hauptbahnhof bringen soll. Da kein Taxi zur Verfügung steht, bietet sich ein Nachbar an, sie nach Stuttgart zu fahren. Dank des inzwischen aufgeflogenen Schwindels wird der Nachbar wieder zurück nach Auenwald beordert, wo die junge Frau vorläufig festgenommen werden kann. Es handelt sich um eine schwangere 15-jährige Polin, die mit der Abholung der Beute beauftragt worden war.

Wegen versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs wurde die dann Hochschwangere, die bis zur Verhandlung in Untersuchungshaft saß, im Januar vom Amtsgericht Waiblingen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Ermittlungen im familiären Umfeld der Angeklagten ergaben, dass sich derzeit auch deren Mutter sowie zwei Brüder wegen Enkeltrickstraftaten in Polen und Deutschland in Haft befinden. Im Jahr 2020 ist im Übrigen in den beiden Phänomenbereichen „Enkeltrick/Schockanruf“ und „angeblicher Polizeibeamter“ eine Änderung der Erfassungsmodalitäten erfolgt, wie man im Polizeipräsidium Aalen erklärt. Demnach erfolgt eine Erfassung dieser Straftaten in der Inlandsstatistik der Polizei nur, wenn ein Auslandsaufenthalt des Anrufers ausgeschlossen werden kann. Da bei einer Vielzahl der Anrufe Agieren aus dem Ausland nicht ausgeschlossen werden kann, vor allem bei Anrufen, bei denen das angerufene Opfer Verdacht schöpft und deshalb kein Schaden eintritt, reduzierte sich die Anzahl der registrierten Fallzahlen in den letzten beiden Jahren für das Inland enorm.

Polizei und WhatsApp klären über Betrugsmaschen bei Messengerdiensten auf

Kooperation Der Messenger-Dienst WhatsApp und die polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bunds klären in einer Kampagne gemeinsam darüber auf, wie man sich vor Betrug in Messengerdiensten schützen kann.

Kampagne Laut Digitalbarometer 2021 – einer Bürgerbefragung zur Cybersicherheit des Bundesamts für Sicherheit und Informationstechnik – wurde schon jeder Vierte in Deutschland einmal Opfer von Kriminalität im Internet. Darunter waren auch Betrugsfälle über Messengerdienste. Angesichts dieser Entwicklung haben WhatsApp und die polizeiliche Kriminalprävention die Aufklärungskampagne „Kontrolle ist besser – Check Deinen Chat“ ins Leben gerufen. Die Kampagne gibt Ratschläge und einfache Tipps zum Schutz vor Betrug auf WhatsApp.

Hilfsbereitschaft Kriminelle geben sich in Nachrichten als Verwandte oder Freunde aus und bitten um persönliche Informationen, Geld oder die sechsstellige PIN für die Verifizierung des WhatsApp-Accounts. Solche Nachrichten spekulieren auf die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft von Freunden und Familienmitgliedern.

Fremd-Accounts In anderen Fällen übernehmen Kriminelle die Accounts von unbeteiligten Dritten und versenden von diesen aus die betrügerischen Nachrichten. In den meisten Fällen behaupten die Betrüger, nahe Freunde oder Verwandte zu sein und bitten dann um Geldzahlungen. Diese Personen behaupten dann, ihr Telefon verloren zu haben oder aus ihrem Whatsapp-Account ausgesperrt worden zu sein.

Meldesystem Solche Betrugsmaschen richten sich besonders oft an ältere Menschen, denn der Enkeltrick findet heute nicht mehr nur am Telefon oder vor der Haustür statt, sondern eben auch in Messengerdiensten via Internet. Durch das Melden verdächtiger Accounts werden
über das System von WhatsApp zur Erkennung von Betrugsmaschen mittlerweile mehr als 100000 Accounts pro Monat dort gesperrt.

Inzwischen sind nicht mehr nur ältere Menschen betroffen – da wir viele der wichtigen Gespräche heutzutage über Messengerdienste geführt werden, ist diese Art von Betrug zu einem generationenübergreifenden Problem geworden.

Online-Aufklärung Weitere Infos zur gemeinsamen Aufklärungsarbeit der Polizei und WhatsApp findet man online unter https://bit.ly/37zd6kg.

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Erstellt:
25. April 2022, 06:00 Uhr

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