Erfrischend unprofessionelles Kicken
Beim Gurkencup des Backnanger Jugendzentrums stehen die Freude und das Gemeinschaftsgefühl von vornherein als Sieger fest
Bei der jüngsten Fußball-Weltmeisterschaft hatten die deutschen Ballkünstler wenig zu lachen. Höchste Zeit für einen Stimmungswechsel. Und was bietet sich da besser an als der Gurkencup des Backnanger Jugendzentrums (Juze), bei dem es nicht im mindesten um sportliche Leistung geht, sondern vielmehr darum, friedlich vereint ein Gaudium zu gestalten und mitzuerleben.

© Pressefotografie Alexander Beche
junge Menschen in Bewegung. Wer gerade spielt und wie das Treffen ausgegangen ist, ist beim Juze-Turnier völlig zweitrangig.Fotos: A. Becher
Von Carmen Warstat
BACKNANG. Alles andere als verbissen und bierernst aufgelegt, sind Teilnehmer, Organisatoren und Zuschauer dem Hopfensaft und weiteren geistigen Getränken nicht abgeneigt; zu essen gibt es neben Gegrilltem natürlich: Gurken. Schnell ist das Reglement des Turniers erklärt, demzufolge jede Mannschaft aus circa sechs Spielern besteht und pro Spiel mindestens eine Frau auf dem Feld sein muss. Die Schiedsrichter werden jeweils von den gerade eben nicht spielenden Mannschaften gestellt. Und Torschützen müssen nach jedem Treffer „ein Bierchen verhaften“, damit dieser auch gilt, dabei muss schnell getrunken werden, denn der Spieler fehlt der Mannschaft vorübergehend, was zu Gegentoren und ausartenden geselligen Treffen außerhalb des Spielfeldes führen kann.
Den Sinn einer solchen Bewitzelung des Alkoholkonsums kann man hinterfragen – die Anwesenden auf dem Großen Alexanderplatz tun es eher nicht, sondern genießen einen erfrischend unprofessionellen Fußballnachmittag. Die Aktiven verweisen darauf, dass der Samstag vieler Fans dem VfB und dem dort reichlich fließenden Bier gehört oder die Leute sich abends in Bars „die Kante geben“. Hier wolle man es nicht so todernst sehen und dazu noch ein wenig Sport treiben.
Juze-Kernteam kommt in die Jahre: Aus „Roter Stern“ wird „Grauer Star“
Zwei Mal acht Minuten lang dauert ein Spiel. Die Mannschaften heißen „Backnang außer Kontrolle“, „Die Autisten“, „Rasenballsportfreunde“, „Völlig gestört“ oder „Montagssport 1 und 2“. Das Juze-Kernteam hat sich aus gegebenem Anlass umbenannt: Aus „Roter Stern“ wurde „Grauer Star“, weil die meisten der Spieler die 40 inzwischen überschritten haben. Bei garstigem Wetter kicken die dennoch Gutgelaunten, bis alles durchnässt ist, und am Spielfeldrand tauschen Zuschauer unter Schirmen und Kapuzen Erinnerungen an legendäre Gurkencup-Erlebnisse aus. Bemerkenswert ist die Bandbreite in Sachen Leistungsvermögen – von der sprichwörtlichen Gurke bis zum professionellen Spieler scheint alles auf dem Platz vertreten zu sein.
Aber ums Gewinnen geht es natürlich nicht wirklich. Elli Schönhals (18) kommt von der TSG Backnang und gehört dem Team „Montagssport 1“ an. Die Schülerin eines Waiblinger Gymnasiums spielt sonst andere Ballspiele und freut sich über die Möglichkeit, beim Juze-Gurkencup mitzumischen. „Voll gut“ findet es ihr Teamkollege, der Student Said Ögüt, dass die Mädels bei dieser Veranstaltung „super integriert“ werden, „eben auch beim Trinken“, wie er sagt. Dass es (noch) keine reinen Frauenteams gibt, führt der junge Mann darauf zurück, dass Fußball und Alkohol „weiterhin männlich dominiert sind.“ Im Falle eines „Unentschieden“ haben die Mannschaften die Wahl: Sie können das Ergebnis auf sportlichem Wege durch Neun-Meter-Schießen oder aber durch Kampftrinken herbeiführen. Beim Stechen in der Gruppenphase ist Bierwetttrinken beispielsweise zwischen den beiden „Montagssport“-Teams angesagt. Das erste Halbfinalspiel hingegen wird, musikalisch unterlegt von Rio Reiser, per Neun-Meter-Schießen entschieden. Kommentator Matze hält Sportler und Publikum bei der Stange und gibt das Mikrofon auch mal aus der Hand, weil jemand ein paar Witze erzählen möchte. „Aber gute Witze, keine sexistischen“, mahnt Matze und meint es keineswegs ironisch.
Für das Siegerteam „Völlig gestört“ gibt’s schließlich eine Kiste Bier und den Pokal. Platz zwei und drei gehen an „Backnang außer Kontrolle“ und „Die Autisten“, die ebenfalls jeweils eine Kiste Bier erhalten. Nach der Siegerehrung lassen die Kicker das Event gemütlich ausklingen. Nicht ohne Stolz merkt Manuel Schaupp, zweiter Vorsitzender des Juze an, dass das Haus-Team „Grauer Star“ als „erfolgreicher Tornehmer“ aus dem Turnier gegangen ist. Es konnte „mit 4:1, 5:0 und 4:0 wieder einmal die meisten Bälle im eigenen Tor fangen und dadurch die anderen Mannschaften auf lange Sicht schwächen.“

© Pressefotografie Alexander Beche
Viel wichtiger als jeder Videobeweis: Eine knackige Bratwurst. Zumindest am Grill und bei der flüssigen Verpflegung legen die Juze-Vertreter großen Wert auf Leistung und Professionalität.