Erhitzte Gemüter in den Freibädern im Rems-Murr-Kreis

Bundesweit werden immer mehr Freibäder zu Schauplätzen von Massenschlägereien und anderen Straftaten. Die Badbetreiber in der Umgebung berichten von unterschiedlichen Erfahrungen. Einig ist man sich in der fehlenden Anerkennung der Autorität von Mitarbeitern.

Diese Kinder im Murrhardter Freibad sind sehr froh über die Möglichkeit, sich abkühlen zu können. Archivfoto: Elisabeth Klaper

© E. Klaper

Diese Kinder im Murrhardter Freibad sind sehr froh über die Möglichkeit, sich abkühlen zu können. Archivfoto: Elisabeth Klaper

Von Carolin Aichholz

Rems-Murr. Meldungen wie die aus Berliner Freibädern, in denen Prügeleien in den vergangenen Wochen gehäuft vorkommen, schlagen momentan hohe Wellen. Viele Freibäder beschäftigen Sicherheitskräfte und in Berlin musste die Polizei bereits Bäder räumen, weswegen nun mancherorts Ausweiskontrollen an den Eingängen vorgenommen werden. Auch in Baden-Württemberg setzen einige Freibäder mittlerweile schon auf die Unterstützung privater Sicherheitsfirmen.

Alexander Happold, seit dem 1. Januar Leiter der Wonnemar-Bäder in Backnang, kann diesen Eindruck nicht bestätigen. In großen Städten sei das sicher ein ernst zu nehmendes Problem, in den Bädern in Backnang kam es jedoch nicht zu Gewalt gegenüber Mitarbeitern der Badetriebe oder gar gegen andere Badegäste. Nur ein einziges Mal wurde in diesem Jahr die Hilfe der Polizei benötigt, um ein Hausverbot durchzusetzen.

Bei immerhin 300000 Besuchern in den Backnanger Bädern ist es auch nicht verwunderlich, dass es immer mal wieder einen unbelehrbaren Gast gebe, das seien jedoch Einzelfälle, betont Happold. „Was jedoch immer häufiger vorkommt, ist fehlender Respekt vor unseren Schwimmmeistern und dem Badpersonal. Man muss die Gäste auch drei- oder viermal ermahnen, bis sie einer Anweisung Folge leisten.“

Doch nicht immer sind wie vielleicht vermutet die übermütigen Jugendlichen das Hauptproblem. „Viele Erwachsene erkennen uns nicht als Autorität an. Wenn Eltern mit ihren kleinen Kindern im tiefsten Wasser herumpaddeln und wir sie darauf hinweisen, aus Sicherheitsgründen in den Nichtschwimmerbereich zu gehen, wird das nicht angenommen“, sagt Peter Wagner. Er hilft gelegentlich im Murrhardter Freibad als Bademeister aus und kennt solch frustrierenden Szenarien nur zu gut. Alle Befragten in den Bädern in Erbstetten, Oppenweiler, Backnang und Murrhardt bestätigten diesen Eindruck.

Immer wieder geraten Mitarbeiter in Auseinandersetzungen mit Badegästen

Vor drei Wochen blieb es in Murrhardt dann auch nicht mehr bei einer verbalen Diskussion. Wie Rainer Braulik, Geschäftsführer der Stadtwerke Murrhardt, die auch das Freibad betreiben, berichtet, sei es zwischen einem Gast und dem Bademeister zu einer Auseinandersetzung gekommen. Der Gast griff den Mitarbeiter an und würgte ihn, ein zweiter Mitarbeiter musste eingreifen. Zudem wurde die Polizei gerufen, die dann ein Ermittlungsverfahren einleitete.

Situationen wie diese sind auch für Rainer Braulik Neuland. „Das war eine Situation, die wir so auch nicht kennen, denn allgemein ist die Stimmung in den Bädern in diesem Jahr toll und wir haben eine sehr gut besuchte Badesaison.“ Wegen des anhaltend heißen Wetters kommen die Leute oft und verbringen gerne viel Zeit im Freibad, so der Eindruck von Rainer Braulik. „Unsere Gäste verhalten sich in der Regel auch so, wie wir es uns wünschen. Zwei Drittel der 30000 bis 50000 Besucher im Jahr sind Dauerkartenbesitzer. Wir sind ein kleines Bad und jeder kennt hier jeden, da kann man nicht einfach unerkannt eine Straftat begehen.“

In Oppenweiler wird über Sicherheitsdienst nachgedacht

Diese Meinung teilt man im Freibad in Erbstetten. Bademeister Uwe Meyners ist sehr zufrieden mit der Entwicklung der Besucherzahlen und ist überzeugt davon, dass die Freibäder der Umgebung künftig noch mehr Zulauf erleben werden.

Die Größe des Bads ist jedoch nicht immer ausschlaggebend für die Sicherheitslage. Claudia Kurz, Kämmerin in Oppenweiler und zuständig fürs Freibad, findet dazu deutliche Worte: „Wir spüren, dass es kleinere Gruppen gibt, die sich nicht an Regeln halten wollen oder auch die Grenzen austesten. Es kam zu Pöbeleien gegenüber anderen Gästen und unserem Personal.“ Vereinzelt mussten auch schon Hausverbote ausgesprochen werden und in Zeiten mit hohen Besucherzahlen sind nun mehr Mitarbeiter im Dienst. Es wird bereits über den Einsatz von Sicherheitskräften im Freibad nachgedacht, eine finale Entscheidung wurde jedoch noch nicht getroffen. In den restlichen Freibädern denkt man noch nicht über das Hinzuziehen externer Sicherheitskräfte nach; in Murrhardt sind an den Wochenenden jedoch immer zwei Bademeister im Dienst.

Sexuelle Belästigung in Bädern der Umgebung kein Problem

Im Stuttgarter Raum kommen sexuelle Übergriffe immer mal wieder vor, einige Bäder beschäftigen ausschließlich aus diesem Grund Sicherheitskräfte, die im Ernstfall schnell reagieren und Verdächtige bis zum Eintreffen der Polizei festhalten können.

Im Freibad in Murrhardt gab es lediglich im vergangenen Jahr einen Fall, in dem ein Gast mit seinem Handy Videoaufnahmen von Besucherinnen gemacht haben soll. Aufnahmen anderer Gäste sind natürlich in den Badeordnungen verboten, die Überprüfung im Verdachtsfall gestalte sich jedoch schwierig. Das Badepersonal sprach den Verdächtigen darauf an, dieser Badegast bestritt die Tat jedoch. „Wir können ihn nicht zur Herausgabe des Handys zwingen, aber wenn die vermeintlich Gefilmte darauf besteht, wird natürlich die Polizei eingeschaltet“, sagt Rainer Braulik von den Stadtwerken Murrhardt zu diesem Fall.

In der laufenden Freibadsaison musste die Polizei im Reviergebiet Backnang nur ein einziges Mal wegen des Verdachts auf einen sexuellen Übergriff im Freibad anrücken. In Erbstetten griff ein Mann unter die Kabine, in der sich ein 14-jähriges Mädchen umzog. Bademeister Uwe Meyners rief in diesem Fall lieber die Polizei. Die Beamten nahmen die Personalien des Mannes auf, mehr ist jedoch nicht passiert. Der Badegast gab an, er habe lediglich etwas vom Boden aufheben wollen, das ihm zuvor heruntergefallen sei.

Vorträge für Beschäftigte in Schwimmbädern

Wie man in problematischen Situationen korrekt reagiert, wisse das Personal am besten. „Bei uns arbeiten ausgebildete Fachangestellte für Bäderbetriebe, die unter anderem auch Schulungen im Bereich Gewaltprävention besucht haben“, sagt Alexander Happold vom Backnanger Wonnemar. Solche Vorträge für Beschäftigte in Schwimmbädern bietet die Polizei an. „Sollte es in Zukunft öfter zu solchen Problemen kommen, sprechen wir auch in Teamsitzungen im größeren Kreis darüber und suchen nach geeigneten Lösungen.“

Die Polizei möchte die Bevölkerung ebenfalls dafür sensibilisieren, in brenzligen Situationen unterstützend einzugreifen, ohne sich selbst jedoch in Gefahr zu bringen. Dazu wurde die Aktion „Tu was“ ins Leben gerufen. Um speziell Straftaten in Schwimmbädern und Badeseen zu verhindern, sind in den Bädern Flyer und Plakate zu sehen, die für mehr Zivilcourage bei den Badegästen sorgen sollen. Darauf stehen Tipps zum korrekten Verhalten in brenzligen Situationen.

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Erstellt:
20. Juli 2023, 06:00 Uhr

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