Angst vor Kriminalität
Erschreckende Zahlen: Fast jeder zweite Baden-Württemberger fühlt sich unsicher
Wenn es dunkel wird auf den Straßen, beschleicht viele Menschen ein mulmiges Gefühl. Eine neue Studie des Instituts für Kriminologische Forschung Baden-Württemberg fördert beunruhigende Ergebnisse zutage.
Von Markus Brauer
Fast jeder zweite Bürger im Südwesten fühlt sich nachts auf öffentlichen Straßen und Plätzen unsicher. Das ist das Ergebnis einer groß angelegten Befragung, die das Institut für Kriminologische Forschung Baden-Württemberg im Auftrag des Innenministeriums durchgeführt hat und an der sich mehr als 35.500 Bürgerinnen und Bürger beteiligten.
Es handelt sich laut Ministerium um die erste landesweite repräsentative Erhebung zum Sicherheitsempfinden und zu Kriminalitätserfahrungen im Südwesten:
- Demnach fühlen sich 47,1 Prozent der Befragten nachts ohne Begleitung im öffentlichen Raum eher unsicher oder sehr unsicher.
- Nachts alleine im öffentlichen Personennahverkehr fühlen sich sogar 54,5 Prozent eher oder sehr unsicher.
Erste landesweite Sicherheitsbefragung
Die Umfrage ist die erste landesweite Sicherheitsbefragung, die vom Institut für Kriminologische Forschung Baden-Württemberg (KriFoBW) durchgeführt worden ist.
„Die Menschen in Baden-Württemberg leben nicht nur in einem der sichersten Länder. Die überwiegende Mehrheit der Menschen im Land fühlt sich auch sicher und hat großes Vertrauen in unsere Polizei. Das ist wichtig, denn nur wer sich sicher fühlt, kann frei leben. Die Ergebnisse der Sicherheitsbefragung sind damit auch zugleich Bestätigung für die hervorragende Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten“, erklärt Innenminister Thomas Strobl zur Veröffentlichung der Umfrageergebnisse.
Das Institut für Kriminologische Forschung führte im Auftrag des Ministeriums des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen im Herbst 2023 die erste landesweite repräsentative Erhebung zum Sicherheitsempfinden und zu Kriminalitätserfahrungen durch.
Insgesamt wurden mehr als 180.000 zufällig ausgewählte Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet hatten, aus 110 Gemeinden in Baden-Württemberg zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Mehr als 35.500 Personen, also rund 20 Prozent der Angeschriebenen, nahmen teil.
Das sind die wichtigsten Ergebnisse der Studie
- Rund drei Viertel der Befragten geben an, die Polizei sei da, wenn man sie braucht.
- Fast 80 Prozent attestieren der Polizei eine gute Arbeit bei der Aufklärung von Straftaten.
- Die Sichtbarkeit der Polizei im öffentlichen Raum sieht knapp die Hälfte als ausreichend an.
- Das Gefühl der Unsicherheit ist deutlich stärker ausgeprägt, wenn die Menschen nachts im öffentlichen Raum oder im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) unterwegs sind als im eigenen Wohngebiet.
- Zudem zeigen sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wobei sich Frauen im öffentlichen Raum insgesamt unsicherer fühlen als Männer.
- Während klassische Delikte wie Körperverletzung oder Wohnungseinbruch deutlich weniger Sorge bereiten, ist insbesondere die Kriminalitätsfurcht im Bereich Kriminalität im Online-Raum und in den Sozialen Medien relativ weit verbreitet. Im Online-Raum fühlen sich circa drei Viertel der Befragten sicher, während sich fast die Hälfte der Personen bei der Nutzung Sozialer Medien unsicher fühlt.
- Am wenigsten Angst haben die Befragten vor Stalking, Nachstellung, sexuellem Missbrauch und Kriminalität aufgrund von Vorurteilen.
Die Umfrage zeigt außerdem: Nicht alle Straftaten werden auch angezeigt:
- Vollendete Betrugsdelikte per Anruf oder SMS werden der Polizei oft nicht gemeldet. Die Anzeigequote liegt hier bei nur 22 Prozent.
- Fast 20 Prozent der Befragten wurden bereits im virtuellen Raum Opfer von einer Straftat – etwa Missbrauch personenbezogener Daten oder Betrugsmaschen. Diese Fälle werden aber nur in knapp 30 Prozent auch zur Anzeige gebracht.
- Im Bereich Beleidigung/Bedrohung im Internet liegt die Anzeigequote bei sieben Prozent.
- Nur fünf Prozent der Opfer, die sexuell bedrängt wurden, zeigten das auch an – knapp 95 Prozent der Taten verbleiben also im Dunkelfeld.
Ergebnisse sollen weitere Polizeiarbeit befördern
„Die Studie ist für uns sehr wertvoll. Denn wir wollen wissen, ob und wo Unbehagen besteht. Denn nur, wenn wir auch die Dinge wissen, die nicht in der offiziellen polizeilichen Kriminalstatistik stehen, können wir unsere polizeiliche Arbeit bestmöglich ausrichten“, sagt Innenminister Thomas Strobl (mit dpa-Agenturmaterial).