Erste Fahrt endet mit Unfall

Junge Backnangerin beschädigt unbemerkt anderes Auto – Gericht stellt das Verfahren ein

In der Anklageschrift klingt der Vorwurf drastisch. Die 19-jährige Frau aus Backnang habe sich als „ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs“ erwiesen. Und dann hat sie sich auch unerlaubt vom Unfallort entfernt. Am Ende wird das Verfahren aber eingestellt.

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Es war ein besonderer Tag für die Schülerin im März dieses Jahres. Am Vormittag holte sie ihren Führerschein ab. Am Abend traf sie sich mit Freundinnen in Stuttgart. Und um nach Stuttgart zu kommen, durfte sie das Familienauto benutzen. Nein, sagt sie, sie habe sich nicht unsicher gefühlt, obwohl doch die Verkehrssituation in Stuttgart eine andere ist als in Backnang. In einem Parkhaus in der Nähe des Hauptbahnhofs fand sie einen Platz. Auch die Freundinnen parkten dort.

Viel herumgealbert

und auch gehupt

Gegen 21 Uhr machte man sich wieder auf den Heimweg. Man habe viel herumgealbert. Und auch gehupt. Vor lauter Ausgelassenheit vergaß man ganz, das Parkticket zu entwerten, sodass man auf der kurvenreichen Fahrt zur Ausfahrt nochmals anhalten musste. Aber da war es schon geschehen. Die junge Frau hatte es nicht bemerkt. Beim Ausparken hatte sie ein anderes Auto gestreift. Andere Autofahrer hatten es bemerkt, eine junge Frau hatte sich die Nummer notiert. So stattete eine Polizeistreife in Backnang der Mutter zunächst einen Besuch ab. Als die Tochter, heimgekehrt, von ihrem Malheur erfuhr, fuhr sie selbst zum Backnanger Polizeiposten.

Zur Klärung des Vorfalls vor Gericht hatte man eigens eine Sachverständige beauftragt. Die trug ihre akribischen Untersuchungen vor. Eine ganze Reihe Fotos legte sie den Beteiligten vor. Die Beschädigungen an beiden Fahrzeugen waren genau vermessen, Lackschäden gründlich in Augenschein genommen worden. Eine Zeichnung hatte die Sachverständige angefertigt. Ausführlich beschrieb sie, wie der Schaden zustande gekommen sein könnte. Langsam sei die Fahrzeuglenkerin beim Ausparken vielleicht gefahren und habe dabei den anderen Wagen touchiert. Aber dies würde man als Verursacher an der Verlangsamung des Wagens erkennen. Oder die Frau am Steuer sei zügig gefahren. Da würde sich die Berührung mit dem anderen Auto durch ein Knallgeräusch äußern.

Die Angeklagte aber hatte nichts bemerkt. Vielleicht war sie abgelenkt durch das Halli-Hallo mit den Freundinnen? Oder das Knallgeräusch war zeitgleich mit dem Schlagen einer Autotür erfolgt, sodass sie es einfach überhörte? Vor einiger Zeit, so wusste die Sachverständige zu berichten, sei eigens eine Untersuchung unter Führerscheinneulingen gehalten worden. Und es stellte sich heraus, dass diese tatsächlich, aufgrund mangelnder Erfahrung, Geräusche und Bewegungen des Fahrzeugs nur schlecht zuordnen können. Sprich: Was der jungen Frau passiert war, liegt durchaus im Trend. Eine Zeugin wusste zu berichten, dass sich die junge Frau noch kurz umgeschaut habe.

Hatte sie die Sache bemerkt und fuhr dann absichtlich weiter? Schwierig, diese Kopfbewegung so auszulegen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte sie sich nach sonstigen Verkehrsteilnehmern im Parkhaus umgesehen. Weiter hatte sie der geschädigten Fahrzeughalterin einen Brief geschrieben und das Bedauern für den Schaden zum Ausdruck gebracht. Das ist Beleg für die Betroffenheit der jungen Frau über das Geschehene.

Die Unerfahrenheit

des Führerscheinneulings

Bevor weitere Zeugen gehört wurden, regte der Jugendrichter an, einen Zwischenstand zu erheben. Der Verteidiger der jungen Frau erhielt den Vortritt. Dieser meinte, man könne seiner Mandantin keinen Vorwurf machen. Die Sache sei eher, wie von der Sachverständigen dargelegt, unter Unerfahrenheit der jungen Frau und mangelnder Fahrpraxis zu subsumieren. Er regte eine Einstellung des Verfahrens an. Die Staatsanwältin zierte sich noch kurz. Die Geräusche bei der Berührung des anderen Fahrzeugs seien sicherlich wahrnehmbar gewesen. Aber dann stimmte sie – in dubio pro reo – doch der Einstellung zu.

Fast etwas eilig hatte es die junge Frau, zusammen mit ihrer Mutter, die auf den Zuhörerplätzen alles mitverfolgt hatte, aus dem Gerichtssaal zu entkommen. Es ist ihr nicht zu verdenken.

Zum Artikel

Erstellt:
16. November 2018, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen