Es fehlt an Speichern in der Energieversorgung

Frank Schöller von den Stadtwerken Waiblingen liefert den Rems-Murr-Kreis-Politikern einen aufrüttelnden Sachstandsbericht.

Es fehlt an Speichern in der Energieversorgung

Von Bernhard Romanowski

Rems-Murr. Neben der Sicherheit der Netze sind aufgrund des Ukrainekrieges in den letzten Wochen auch die Versorgungssicherheit und die Kostenexplosion bei Strom- und Gaspreisen in den Fokus gerückt. Die hohe Abhängigkeit Deutschlands von Energielieferungen aus dem Ausland ist hinlänglich bekannt. „Nach der Wahrnehmung der Landkreisverwaltung wird in der breiten Öffentlichkeit noch nicht wahrgenommen, dass in den kommenden Monaten mit deutlichen, teils explosionsartigen Kostensteigerungen für Verbraucher gerechnet werden muss“, so die Auffassung im Landratsamt in Waiblingen. Auch Versorgungslücken werden demnach von der Bundesregierung derzeit nicht ausgeschlossen. Um das einmal anschaulich darzustellen, hatte sich Frank Schöller als Geschäftsführer der Stadtwerke Waiblingen bereit erklärt, im zuständigen Ausschuss des Kreistags die Lage aus regionaler Sicht und quasi aus erster Hand zu schildern.

Schöller berichtete denn auch gleich von „erschreckenden Preissteigerungen“, die seit etlichen Monaten zu verzeichnen seien. Dass sich dies Steigerungen nicht umgehend bei den Kunden der Stadtwerke bemerkbar machen, liege daran, dass diese ihr Gas normalerweise nicht am sogenannten Spotmarkt mit seinen tagesaktuellen Preisen, sondern langfristig im Vorfeld einkaufen. Genauer gesagt: drei Jahre im Voraus, wie Schöller präzisierte. Die Teuerung werde aber dennoch beim Verbraucher ankommen, und zwar sukzessive in den Jahren 2023 bis 2025. Einen „Megaausbau der Fotovoltaik“ sieht Schöller offenbar nicht als Lösung an, um den Energiehunger in Deutschland adäquat stillen zu können. „Wenn keine Sonne scheint, woher kommt dann der Strom“, so seine knappe Zuspitzung der nächtlichen Versorgungslücken im Bereich Solarenergie. Und um die tagsüber gewonnene Energie für die Engpasszeiten nutzbar zu machen, fehle es eben an Speichern und an Leitungen. Hierzu eine deutschlandweite Lösung auf den Weg zu bringen würde Jahre dauern.

Grundsätzlich seien die wichtigen energiepolitischen Fragen schon seit rund zwölf Jahren in der Diskussion. Die derzeitige Situation sei nicht über Nacht entstanden und sei letztlich politisch gewollt, denn die Krise habe sich bereits angekündigt, was man aber nicht habe sagen dürfen, klagte Schöller im Ausschuss, geriet richtig in Fahrt und bilanzierte bitter: „Wir schalten fast alles ab, setzen nur auf billigstes russisches Gas und wollen jetzt kriegsbedingt alles abschalten? Das ist mir zu viel.“ Was also ist zu tun? Auch dazu äußerte Schöller seine Meinung. Zum einen solle die Börse bei exponentiellen Anstiegen wie eben gerade im Bereich Gas ausgesetzt werden. Das sei in anderen Bereichen auch so üblich. „Das ist völlig legitim. Ich weiß gar nicht, was dagegen sprechen könnte.“ Denn seit Oktober steige der Preis quasi täglich auf ein neues Rekordhoch.

Auch ist Schöller der Meinung, dass man nicht alles dem Marktgeschehen überlassen sollte. Der abrupte Sturzflug des CO2-Preises zu Beginn des Ukrainekriegs habe deutlich vor Augen geführt, wie sich der Handel mit diesen Zertifikaten zu einem Milliardengeschäft entwickelt habe. Schöller: „Aber mit dem CO2-Preis ist es wie mit Nahrung – das sollte nicht an der Börse gehandelt werden.“ Schöller wünscht sich den Aufbau einer energetischen Notreserve, über die der Staat die Versorger zum Festpreis beliefert. Dazu müsste aber die Erteilung der notwendigen Genehmigungen ganz schnell erfolgen: „Das müsste schlagartig gehen.“ Letztlich sei hier von einer drohenden nationalen Notlage die Rede. „Alle reden davon, dass nun Opfer zu bringen seien. Aber niemand will auch nur ein Jota an Bequemlichkeit einbüßen“, so Schöllers Fazit.

Foto: Bernhard Romanowski
Stimmen aus dem Ausschuss

Nationalreserve Willi Härtner (Grüne) erläuterte, dass es einmal eine nationale Öl- und Gasreserve gegeben habe, die aber veräußert wurde: „Und zwar an Putin, der uns aus diesem Speicher beliefert. Die Politik hatte die Augen davor verschlossen. Jetzt können nur lokale Speicher und Energieträger der Weg sein.“

Speicherung Alexander Bauer (SPD) erkundigte sich, wie es mit der lokalen Speicherung von Energie aussehe. „Wir speichern zur Zeit nur über Wasser, aber das ist nicht nennenswert“, erklärte Frank Schöller. Es sei über einen Lithium-Ionen-Speicher für die Waiblinger Stadtwerke nachgedacht, aber nie einer angeschafft worden. Schöller: „Siemens wollte uns den nur ohne Rückkaufoption verkaufen. Aber Lithium hinterlässt Giftmüll.“ Bauer bekundete, ihm sei das zu wenig an Engagement in dem Bereich.

Abschaltkaskaden Andreas Hesky (Freie Wähler) fragte nach der Versorgungssicherheit. Über Notstromaggregate sei die Energieversorgung durch die Stadtwerke für ein paar Tage zu leisten, erklärte deren Geschäftsführer. Es gebe auch einen Notfallplan, in dem die sogenannten Abschaltkaskaden geregelt sind, also wann welche Bereiche im Krisenfall von der Stromversorgung abgenabelt werden.

Energiegipfel Für Ronald Borkowski (Die Linke) stehen nun Wind- und Sonnenenergie sowie Kraftwärmekopplung im Fokus. Er klagte, seine Gruppe sei mit ihren Fragen dazu immer „abgemeiert“ worden. „Aber es muss was passieren. Wir sollten einen Energiegipfel machen.“

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Erstellt:
2. Juni 2022, 06:00 Uhr

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