Es geht nicht nur um Zahlen und Steine
Murrhardter Kirchenpflegerin Andrea Schreiber wird bald in Backnang wirken – Die Entscheidung ist ihr sehr schwer gefallen – Verabschiedung am 14. Oktober
Als Andrea Schreiber mit ihrer Familie 2004 von Thüringen ins baden-württembergische Korb und drei Jahre später nach Murrhardt zog, ahnte sie noch nicht, dass sie einmal für die evangelische Kirchengemeinde der Walterichstadt arbeiten würde. Seit 2009 hat sie als Kirchenpflegerin viele wichtige Projekte und Alltagsaufgaben begleitet. Nun wechselt die 40-Jährige nach Backnang, wo sie für die Gesamtkirchengemeinde und den Bezirk tätig sein wird.

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Andrea Schreiber hat ihre Arbeit als Kirchenpflegerin in Murrhardt viel Freude gemacht, es fällt ihr nicht ganz leicht, zu gehen. Foto: J. Fiedler
Von Christine Schick
MURRHARDT. Wenn Andrea Schreiber auf die nun fast zehn Jahre in der evangelischen Kirchengemeinde Murrhardt zurückblickt und von verschiedenen Etappen erzählt, ist sie – immer noch – in ihrem Element. „Ich hatte hier die Möglichkeit, viele spannende Projekte zu begleiten.“ Mit Pfarrerin Margit Bleher und dem Kirchengemeinderat – anfangs noch unter der Führung von Gisela Fleschmann-Becker – habe sie gern und gut zusammengearbeitet.
Insofern seien die Bewerbung in Backnang und der mögliche Wechsel eine echte Gewissensentscheidung gewesen. „Ich habe mich gefragt, kann ich das machen? Die Gemeinde jetzt verlassen?“, sagt sie. Als sie Vorsitzende Inge Brehmer und Friedhart Hübler vom Kirchengemeinderat darauf ansprechen wollte, wurde klar, dass auch die beiden die Stellenausschreibung in Backnang registriert hatten und sie für eine gute Weiterentwicklungsmöglichkeit hielten, erzählt Andrea Schreiber.
Die Reaktionen im Gremium waren gespalten. Die einen verstehen, dass Andrea Schreiber die Chance nutzen möchte, auch wenn der Zeitpunkt (anderthalb vakante Pfarrerstellen) für die Gemeinde nicht ganz einfach ist, andere fragten: „Muss es gerade jetzt sein?“, berichtet sie.
Ihr künftiges Amt umfasst zwei Bereiche: Zum einen wird die 40-Jährige als Kirchenpflegerin für die Gesamtkirchengemeinde Backnang tätig sein, zum anderen soll sie als Kirchenbezirksrechnerin (Wahl findet auf der Synode im November statt) die Kirchenpflege auf Bezirksebene begleiten. Damit übernimmt sie eine stärkere Leitungsfunktion und hat auch mehr Personalverantwortung als bisher.
Für sie ist dies eine Chance im doppelten Sinne – neue inhaltliche Aufgaben auf einem Gebiet, in dem sie sich gut auskennt und das sie seit 2009 mit Herzblut begleitet hat. „Ich freue mich darauf, mein Wissen einbringen und gleichzeitig vertiefen zu können.“
Mitgebracht hat Andrea Schreiber damals einen juristischen Hintergrund: Sie fing an, Rechtswissenschaften zu studieren, absolvierte später eine Ausbildung als Rechtsanwaltsfachangestellte und war dann in einer Murrhardter Anwaltskanzlei tätig. Dass sie sich beispielsweise in Miet-, Bau- und Arbeitsrecht auskennt, hat sich für sie auch in ihrer Tätigkeit als Kirchenpflegerin ausgezahlt. In das Amt, in das man vom Kirchengemeinderat gewählt wird, müsse man sich sowieso einarbeiten – unterstützt durch Fortbildungen, sagt sie.
Bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit stand ein großes Projekt an – die Dachsanierung der Walterichskirche. Andrea Schreiber erinnert sich noch gut, wie Klemens Maier, der mit seinem Kirchenkirnberger Zimmererbetrieb damals die Arbeiten übernahm, sie bat, vor Ort zu kommen, um die noch völlig intakten Dachlatten zu begutachten, und den herrlichen Ausblick genoss. Auch die Sanierung des Kindergartens Klosterhof war damals schon ein Thema.
Herzensangelegenheit Familienzentrum
Mittlerweile gehört der Neubau der Einrichtung mit Orgelneubau und Stadtkirchensanierung zu den drei anstehenden Großprojekten. Sehr gerne begleitet hat Andrea Schreiber die Entwicklung des evangelischen Familienzentrums mit den zwei Kindergärten Klosterhof und Oetingerhaus. Durch Krankheit und Weggang der geschäftsführenden Pfarrerin Margit Bleher wuchs dabei ihre Personalverantwortung in diesem Bereich als Stellvertreterin noch mal besonders, für Mesner, Reinigungskräfte und Hausmeister war sie bereits verantwortlich. Ihr Motto: Ein respektvoller Umgang und miteinander reden. Ein weiteres wichtiges Projekt für sie war die Stiftungsgründung Kirchen und Musik, die mit ihrem Kapitalstock und den Zinserträgen einen Beitrag zur Erhaltung der Kirchenmusik sowie der Gebäude leisten soll.
Wie gesagt, die Aufgaben sind nicht kleiner geworden: Der Orgelaufbau wird nun in Angriff genommen, von dem auch der Start der Stadtkirchensanierung abhängt, und die Ausschreibung der Arbeiten für den Kindergartenneubau ist in Vorbereitung. Nun nach Backnang zu gehen, hat Andrea Schreiber umgetrieben, aber sie ließ sich auch sagen, dass es in der Kirchenpflege nie einen idealen Zeitpunkt für einen Wechsel gibt, der Schreibtisch nie leer ist. Und sie freut sich, dass die Rechnungsprüfung für die Jahre 2014 bis 2017 so gut wie in trockenen Tüchern ist (geprüft mit der Empfehlung zur Entlastung). Zudem ist vereinbart, dass sie sich noch etwas Zeit für die Einarbeitung ihres Nachfolgers, Bankfachwirt Bernd Fischer, nehmen kann, der spätestens Anfang Oktober, möglicherweise auch schon Anfang September bei der Kirchengemeinde Murrhardt anfangen kann. „Es ist mir wichtig, dass ich eine gute Übergabe machen kann.“
Das Resümee von Andrea Schreiber fällt absolut positiv aus, da gibt es keinerlei Einschränkungen. „Bei meiner Arbeit hat mir alles Spaß gemacht, deshalb habe ich mich ja auch wieder in dem Bereich beworben.“ Die Aufgaben seien vielfältig, man habe nicht allein nur mit Zahlen und Steinen zu tun, sondern sei viel mit Menschen, ob Haupt- oder Ehrenamtliche, in Kontakt. Der hat sie letztlich auch dorthin gebracht – eine erste Verbindung zur Kirchengemeinde entstand durch ihre Initiative, eine Krabbelgruppe zu gründen.
Ein weitere persönliche Entscheidung war die gemeinsame Taufe der kompletten Familie 2008 in der Stadtkirche. „Zur Zeit der Wende war ich zwölf Jahre alt“, erzählt sie, damals ohne Konfession. „Meine Oma hat mir aber die biblischen Geschichten erzählt und mich auch in die Kirche mitgenommen.“ Als sie und ihr Mann ihre Tochter Sarah taufen lassen wollten, entschlossen sie sich, den Schritt als Familie auch mit ihrem Sohn Tim zu gehen.
Nun sind die beiden Kinder größer und Andrea Schreiber flexibler. Die Familie bleibt der Stadt und der Kirchengemeinde ganz persönlich aber erhalten. Auch sie selbst ist in der Walterichstadt mittlerweile verwurzelt – hat eine ganze Reihe von Ehrenämtern inne.
Kirchenpflegerin Andrea Schreiber wird am Sonntag, 14. Oktober, 9.30 Uhr im Rahmen des Gottesdienstes in der Walterichskirche verabschiedet.