EU-Kompromiss rettet Nord Stream 2
Brüssel hat künftig mehr Einfluss auf die Gas-Pipeline von Russland, doch das Milliardenprojekt kann nun zu Ende gebaut werden
In dem erbitterten Streit über die russisch-deutschen Erdgaspipeline Nord Stream 2 haben sich die EU-Staatenauf einen Kompromiss verständigt,der den Weiterbau ermöglicht.
Brüssel Die EU-Staaten wissen nun, wie sie mit der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland umgehen wollen. Die Debatte darüber drohte die deutsch-französischen Beziehungen in Mitleidenschaft zu ziehen. Am Ende gelang ein Kompromiss zur Reform der Gas-Richtlinie.
Frage: Wie sieht der Kompromiss aus?
Antwort: Diplomaten berichten, dass sich die EU-Mitgliedstaaten darauf verständigt haben, strengere Auflagen für die Pipeline zu erlassen. So soll etwa die Bundesnetzagentur als Regulierer für denjenigen Abschnitt der Röhre zuständig sein, der durch deutsche Hoheitsgewässer führt. Die Behörde muss dann gewährleisten, dass in diesem Teil EU-Recht Anwendung findet. Deutschland war besonders wichtig, dass das Projekt insgesamt durch eine Änderung der europäischen Gas-Richtlinie nicht in Gefahr gerät. Das scheint nun der Fall zu sein. Eigentlich wollte Berlin die 2017 von der EU-Kommission vorgeschlagene Änderung sogar ganz verhindern. Dies war aber nicht mehr möglich, nachdem sich Frankreich ins Lager der Befürworter einer Reform geschlagen hatte.
Frage: Was will die EU erreichen?
Antwort: Die EU-Kommission wollte mit ihrem Vorschlag unter anderem erreichen, dass ein und dasselbe Unternehmen nicht zugleich Gaslieferant und Betreiber einer Pipeline sein darf. Bei Rohrleitungen, die über das EU-Territorium verlaufen, ist das bereits der Fall – nicht aber bei Röhren, die von außen ins Unionsgebiet führen. Brüssel will überdies, dass Pipelines auch für Drittanbieter zugänglich sind.
Frage: Wer steht hinter Nord Stream 2?
Antwort: Der russische Gaskonzern Gazprom, der der größte Gasproduzent der Welt ist. Das Unternehmen ist eng mit dem Kreml verbunden und gilt als zentrales Instrument der Außenpolitik des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Fünf westliche Energiekonzerne sind als Finanziers an Bord: Uniper und BASF/Wintershall aus Deutschland, Engie aus Frankreich, die österreichische OMV sowie die britisch-niederländische Shell. Putin hat zwei enge Vertraute aus Deutschland mit der Projektleitung beauftragt: Geschäftsführer ist der einstige Stasi-Offizier Matthias Warnig, als Präsident des Verwaltungsrats fungiert Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD).
Frage: Wie weit ist Nord Stream 2?
Antwort: Die Bauarbeiten sind voll im Gang. Ende 2018 waren 370 Kilometer der 1200 Kilometer langen Röhre verlegt. Sie soll eines Tages bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren. Die Investitionskosten sollen bei knapp zehn Milliarden Euro liegen, die Inbetriebnahme ist für Ende 2019 geplant.
Frage: Warum ist das Projekt umstritten?
Antwort: Eigentlich hat sich die Europäische Union vorgenommen, unabhängiger von russischer Energie zu werden. Das ist eine politische Lehre aus der Ukraine-Krise und der Annexion der Krim. Ziel der EU ist es nicht, die Russen grundsätzlich auszusperren, sondern die Zahl der Gas-Bezugsquellen zu erhöhen. Aufgrund der Trassenführung durch die Ostsee können Polen und die Ukraine keine Transitgebühren beanspruchen. Insbesondere die klamme Ukraine, durch die bisher die Gaslieferungen laufen, befürchtet massive Einnahmeausfälle. Hinzu kommt: Die osteuropäischen Staaten, allen voran Polen, reagieren sehr empfindlich, wenn sich Deutschland und Russland über ihre Köpfe hinweg verständigen.
Frage: Welche Rolle spielen die USA?
Antwort: Die Regierung von US-Präsident Trump will das Projekt mit aller Macht verhindern. Auch aus dem US-Kongress kommt Gegenwind. Die USA warnen vor neuen Abhängigkeiten. Sie haben aber auch ökonomische Interessen: US-Konzerne wollen gern große Mengen von verflüssigtem Erdgas (LNG) nach Europa verkaufen. Dies muss mit russischem Pipeline-Gas konkurrieren.