Experte: Kretschmanns Kürzertreten kein Wahlkampf-Nachteil

dpa/lsw Stuttgart. Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann tritt im Wahlkampf auf die Bremse, um sich um seine kranke Frau zu kümmern. Wie wird sich das auf sein Abschneiden bei der Landtagswahl auswirken?

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) bei einer Pressekonferenz. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) bei einer Pressekonferenz. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Der Rückzug von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann aus einem Teil des laufenden Wahlkampfs mindert aus Sicht des Kommunikationswissenschaftlers Frank Brettschneider nicht seine Wahlchancen. „Er ist bekannt aufgrund seiner langjähriger Tätigkeit, muss sich nicht mehr bekannt machen und hat angekündigt, seine Regierungsgeschäfte weiterzuführen“, sagte Brettschneider am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Er ist nicht weg vom Fenster, sondern weiter präsent. Das ist für ihn erstmal kein Nachteil.“ Kretschmann werde die Regierungsgeschäfte weiterführen und deshalb auch in den Medien präsent sein.

Mitleid spiele im Wahlkampf für den Wähler zudem nicht wirklich eine Rolle, sagte Brettschneider. Bei der Bewertung von Spitzenkandidaten seien vielmehr Kompetenz, Vertrauenswürdigkeit und Führungsqualitäten von Bedeutung. Die persönliche Ebene sei vergleichsweise unwichtig. „Darüber redet man bei Grillabend, aber wenn man das Kreuz macht, ist das nicht mehr ausschlaggebend.“ Problematisch werde es nur, wenn man den Eindruck erwecke, sich moralisch unangemessen zu verhalten oder den Amtsgeschäften nicht mehr nachzukommen. Danach sehe es aber in Kretschmanns Fall nicht aus.

Kretschmann zieht sich wegen einer Brustkrebserkrankung seiner Frau teilweise aus dem laufenden Wahlkampf für die Landtagswahl zurück. Der 72 Jahre alte Grünen-Politiker bleibe aber Spitzenkandidat seiner Partei für die Wahl am 14. März, hatte ein Regierungssprecher am Freitag gesagt. Auch seine Regierungsgeschäfte werde er weiterführen. „Meine Frau Gerlinde ist an Brustkrebs erkrankt“, begründete Kretschmann in einer persönlichen Erklärung seinen Schritt. „Es geht ihr den Umständen entsprechend, aber es kommen nun schwere Zeiten auf sie zu. Ich will für sie da sein, so gut es geht.“ Termine im Wahlkampf werde er nicht immer wahrnehmen können. „Ich brauche diese Zeit, um meiner Frau beizustehen“, schrieb der Regierungschef.

Gerlinde Kretschmann ist 73 Jahre alt, die beiden haben drei Kinder. Die „First Lady“ war Grundschullehrerin und Gemeinderätin für die Grünen in Sigmaringen auf der Schwäbischen Alb, wo die Kretschmanns auch wohnen. Kretschmann ist seit 2011 Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Er ist der erste von den Grünen gestellte Regierungschef eines deutschen Bundeslandes. Bei der Wahl wird Kretschmann von CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann herausgefordert. In jüngsten Umfragen führen die Grünen vor der CDU.

Wegen der Corona-Pandemie läuft der Landtagswahlkampf sowieso kaum in Präsenz, die meisten Veranstaltungen sind im Internet. Es könne sein, dass die Kritik des politischen Gegners an Kretschmann im Wahlkampf nun noch zurückhaltender ausfalle, sagte Brettschneider. Aber bislang habe es auch kaum persönliche Angriffe auf Kretschmann gegeben. „Negatives Campaigning gab es ja ohnehin nicht.“

„Er ist von sich aus an die Öffentlichkeit gegangen. Ich gehe daher davon aus, er hat sich vorher sehr genau überlegt, was das für seine politische Arbeit bedeutet“, sagt der Freiburger Politikwissenschaftler Ulrich Eith. Er schließe daraus, dass Kretschmann diese Situation mit seiner Kandidatur für vereinbar halte und er auch bereit sei, sein Amt im Falle eines Wahlsiegs weiter auszuführen - „trotz der Belastungen und Sorgen, die die Krankheit mit sich bringt.“

© dpa-infocom, dpa:210215-99-448801/3

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Erstellt:
15. Februar 2021, 12:29 Uhr

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