Fake News oder Fakten?

Anlässlich des Tags der Pressefreiheit am 3. Mai hat die Klasse 9k der Gemeinschaftsschule am Bildungszentrum Weissacher Tal die Journalisten Arthur Landwehr und Christoph Ebner geladen. Zwei Gespräche über Falschnachrichten und das Berufsbild Journalist.

Arthur Landwehr (Mitte oben) berichtet den Schülerinnen und Schülern von seiner Tätigkeit als ARD-Korrespondent in Washington. Screenshot: BKZ

© Melanie Maier

Arthur Landwehr (Mitte oben) berichtet den Schülerinnen und Schülern von seiner Tätigkeit als ARD-Korrespondent in Washington. Screenshot: BKZ

Von Melanie Maier

WEISSACH IM TAL. Was unterscheidet Fake News von einer Falschnachricht? Wie kommen Journalisten zu ihren Themen? Und wie gefährlich ist es für Medienschaffende in Deutschland – aber auch anderswo auf der Welt – zu berichten? Fragen wie diesen gingen die Schüler der Klasse 9k der Gemeinschaftsschule des Bildungszentrums Weissacher Tal (Bize) gestern bei einem Themenvormittag auf den Grund.

Im Vorfeld hatte die Klasse im Politikunterricht schon das Thema „Medien und deren Bedeutung für unsere Demokratie“ behandelt, sagte Sigmar Zidorn, stellvertretender Schulleiter der Gemeinschaftsschule am Bize.

Von 8 bis 10 Uhr nahmen die Schüler an einem Workshop zum Thema „Fakten oder Fake“ mit der Medienpädagogin Sandra Tell vom Landesmedienzentrum Baden-Württemberg teil. Eingeladen war dazu auch Christoph Ebner, Leiter des SWR-Studios in Freiburg im Breisgau. Anschließend stellten die Schüler von 11 bis kurz nach 12 Uhr Arthur Landwehr Fragen. Der ARD-Hörfunkkorrespondent war über Zoom aus Washington zugeschaltet. Als Moderator war Jörg Sadrozinski von dem Projekt „Journalismus macht Schule“ anwesend, über welches das Gespräch zustande gekommen war.

Im ersten Teil des Themenvormittags spürten die Schüler zusammen mit Tell, Ebner und Zidorn nach, was Fakten von Fake News unterscheidet, und erfuhren, wie Medien arbeiten. Bei der Suche nach Themen versuche seine Redaktion wie ein Fieberthermometer wahrzunehmen, was die Menschen in der Region bewege, berichtete Christoph Ebner. „Es ist nicht so, dass die Kanzlerin morgens anruft und mir sagt, was zu tun ist“, sagte er bezüglich der Verschwörungstheorien, die durchs Internet geistern. „Auf den Anruf warte ich seit 40 Jahren!“ Zur Themenfindung tragen stattdessen Nachrichtenagenturen und das eigene Korrespondentennetzwerk bei. Wichtig sei beim SWR das sogenannte „Vier-Augen-Prinzip“: Jeder Beitrag, so Ebner, werde vor der Veröffentlichung noch einmal von einem Kollegen kritisch überprüft. „Das hat uns schon oft vor einer Falschmeldung bewahrt.“ Und wenn doch einmal etwas nicht stimmen sollte, berichtige der SWR dies mit einer Meldung.

Medienpädagogin Sandra Tell wollte von den Schülern wissen, wo und wie sie sich informieren. Neben den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern nannten sie etwa Nachrichtensendungen auf Privatsendern, die Wochenzeitung Die Zeit, die Backnanger Kreiszeitung, aber auch soziale Medien wie Facebook, Instagram und Tiktok. Für Tell der Anlass, um auf die Unterschiede zwischen Information und Infotainment hinzuweisen. Am Beispiel eines Videos, das auf Twitter geteilt worden war, machte sie danach deutlich, wie sich Fake News von Fakten abheben.

ARD-Hörfunkkorrespondent Arthur Landwehr ging im zweiten Gespräch auf die Unterschiede zwischen den USA und Deutschland ein. Zudem erzählte er von seinem bisher schwierigsten Einsatz als Journalist. 1991 berichtete er zum Ende des Zweiten Golfkriegs zwischen Kuwait und dem Irak über die Flüchtlingslager in der Türkei. „Wenn man von Soldaten mit Maschinengewehren über die Grenze begleitet wurde, hatte man ein mulmiges Gefühl“, sagte er. Nichtsdestotrotz hatte er dabei nicht den Eindruck, selbst gefährdet zu sein – zu wichtig erschien es ihm, über die Situation zu informieren. Weitaus gefährlicher leben ihm zufolge zwei Kollegen in Neu-Delhi, die immer wieder auch aus Afghanistan berichten.

Mit Steinen beworfen, bespuckt und beschimpft: Das haben SWR-Studioleiter Christoph Ebner und seine Kollegen schon in Baden-Württemberg erlebt, bei Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen. Journalismus sei manchmal kein bequemer Job, sagte er, „trotzdem berichten wir über die Demonstrationen wie über jedes andere Thema“.

Klassenlehrer Sigmar Zidorn möchte die Gespräche im Unterricht nun noch einmal Revue passieren lassen und mit den Schülern besprechen, woran genau man Fake News erkennt und wie es um die Pressefreiheit in Deutschland steht.

Der internationale Tag der Pressefreiheit

Am 20. Dezember 1993 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf Vorschlag der Unesco den internationalen Tag der Pressefreiheit eingeführt. Seither soll er jedes Jahr am 3. Mai auf Verletzungen der Pressefreiheit sowie auf die Bedeutung
unabhängiger Berichterstattung hinweisen.

Hintergrund der Entstehung des Tages ist die Deklaration von Windhoek (Namibia). In dieser Erklärung forderten afrikanische Journalisten freie, unabhängige und pluralistische Medien auf dem afrikanischen Kontinent sowie weltweit.

In Deutschland ist die Pressefreiheit – das Recht von Einrichtungen des Rundfunks, der Presse und anderer Medien auf ungehinderte Ausübung ihrer Tätigkeit – als Grundrecht in Artikel 5 des Grundgesetzes verankert.

Organisationen wie Reporter ohne Grenzen (ROG) nutzen den 3. Mai, um auf Verbrechen und Gewalttaten gegenüber Journalisten aufmerksam zu machen. 2021 stand der Tag unter dem Motto „Informationen als öffentliches Gut“.

ROG erstellt jedes Jahr eine Rangliste, die zeigen soll, wie es um die Pressefreiheit bestellt ist. 2021 liegt Deutschland auf Platz 13 von 180 Staaten (2020: Platz 11). ROG zufolge hat die Gewalt gegen Medienschaffende hierzulande eine nie da gewesene Dimension erreicht. 2020 zählte die Organisation mindestens 65 gewalttätige Angriffe gegen Journalisten – die Mehrheit davon am Rande von Demonstration gegen Coronamaßnahmen. Im Vergleich zu 2019 (13 Übergriffe) habe sich die Zahl verfünffacht. Die Situation der Pressefreiheit in Deutschland stuft ROG nun nicht mehr als „gut“, sondern nur noch als „zufriedenstellend“ ein.

Von Einschüchterungen bis hin zu Mordanschlägen: Die Gefahren, denen sich Medienschaffende aussetzen, sind zahlreich. ROG zufolge sind 2020 weltweit mindestens 50 Journalisten in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit ums Leben gekommen. Zu den gefährlichsten Ländern zählten im vergangenen Jahr Afghanistan und Mexiko.

Am besten steht es um die Pressefreiheit nach der ROG-Auswertung in Skandinavien: Die vorderen drei Plätze belegen Norwegen, Finnland und Schweden. Die Schlusslichter der Rangliste bilden in diesem Jahr Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea.

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Erstellt:
5. Mai 2021, 11:30 Uhr

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