Todesfahrer von Mannheim

Fakenews sollten Verdacht auf einen Mann mit arabischer Herkunft lenken

Das Amtsgericht Mannheim hat nach der Amokfahrt am Dienstag Haftbefehl gegen den 40-jährigen Tatverdächtigen erlassen. Das Landeskriminalamt sieht sich derweil mit offenbar professionell erzeugten Fakenews konfrontiert.

Polizeibeamte durchsuchten am Montagabend in Ludwigshafen die Wohnung des Verdächtigen.

© dpa/Ferdinand Merzbach

Polizeibeamte durchsuchten am Montagabend in Ludwigshafen die Wohnung des Verdächtigen.

Von Wolf-Dieter Obst

Er soll Landschaftsgärtner gewesen sein, Einzelgänger, psychisch auffällig, vorbestraft, mit wirrer rechtsgerichteter Ideologie: Gegen den 40-Jährigen aus Ludwigshafen, der mit seinem schwarzen Ford Fiesta in der Mannheimer Innenstadt zwei Menschen getötet und elf zum Teil schwer verletzt haben soll, ist am Dienstag wegen Mordes und versuchten Mordes sowie gefährlicher Körperverletzung Haftbefehl erlassen worden. „Der Vorwurf lautet auf Mord in zwei Fällen, versuchten Mordes in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung in elf Fällen“, so Sprecherin Valerie Schweppe. Zuvor hatten Beamte des Landeskriminalamts (LKA) noch versucht, von ihm Aussagen zum Motiv zu bekommen. Er machte allerdings keine Angaben.

Dass er nicht einfach fahrlässig in die Fußgängerzone eingefahren ist, hatte der Präsident des Landeskriminalamts, Andreas Stenger, bereits am Montagabend angedeutet. Angeblich sollen entsprechende Notizen im Tatfahrzeug gefunden worden sein. Auch in der Ludwigshafener Wohnung des 40-Jährigen wurden Beweismittel sichergestellt. In der Vergangenheit des Mannes, Deutscher, ledig, keine Kinder, keine Partnerin, Lebensraum im Rhein-Neckar-Kreis, zuletzt in Ludwigshafen gemeldet, findet sich eine kurze Haftstrafe wegen Körperverletzung, eine Trunkenheitsfahrt – und mancher Hinweis auf psychische Vorerkrankungen.

Magdeburg, Aschaffenburg, München, Mannheim

Das Landeskriminalamt hatte bereits am Montag die weiteren Ermittlungen übernommen – „vor allem wegen der Dimension des Falles, zuletzt nach den Anschlägen in Magdeburg, Aschaffenburg und München“, sagt LKA-Sprecher Jürgen Glodek. Eine 83-jährige Frau und ein 54-Jähriger sind die Opfer des Anschlags, außerdem gibt es elf teils schwer Verletzte. Sie waren am Montag kurz vor 12.15 Uhr von dem Autofahrer mit hoher Geschwindigkeit in der Einkaufsstraße Planken auf Höhe der Stadtbahn-Haltestelle Strohmarkt ins Visier genommen worden.

Der Tatverdächtige wurde wenig später gefasst – auch dank eines mutigen Taxifahrers, der ihn an der Weiterfahrt hinderte. Laut Polizei flüchtete er zu Fuß, soll sich vor seiner Festnahme mit einer Schreckschusswaffe in den Mund geschossen haben. Die Verletzungen erwiesen sich indes als nicht so gravierend, sodass er mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen und in Gewahrsam genommen werden konnte. Die Staatsanwaltschaft beantragte einen Haftbefehl, im Laufe des Dienstags kam der Mann vor einen Richter des Amtsgerichts Mannheim.

Fake News zum Verdächtigen „von außen“

Der Fall zeigt aber auch, dass der Begriff „mutmaßlich“ bei Tatverdächtigen keine Floskel ist. Wie das Landeskriminalamt auf Nachfrage bestätigt, gibt es einen weiteren Ermittlungsstrang, der vornehmlich die Abteilung Cybercrime beschäftigt. „Eine unbekannte Quelle von außen“, so LKA-Sprecher Glodek, hatte in den sozialen Netzwerken eine falsche Person als Tatverdächtigen ins Spiel gebracht. Gezeigt wurden ein deutscher Personalausweis und ein deutscher Führerschein eines Mannes aus Heidelberg, dessen Name eindeutig arabischer Herkunft ist. Offenkundig sollte über rechte Netzwerke ein islamistischer Hintergrund verbreitet werden.

Tatsächlich ging die Personalie dann auch in polizeiinterne Systeme ein. Es musste geklärt werden, ob der angeblich 33-Jährige etwas mit dem festgenommenen 40-jährigen Deutschen aus Ludwigshafen zu tun haben könnte. Hatte er zwar nicht – doch die Ausbreitung in den sozialen Netzwerken war kaum mehr aufzuhalten. Nach ersten Erkenntnissen soll das Foto vom falschen Verdächtigen von einem X-Account verbreitet worden sein, der mit einer Wegwerfmailadresse am Montag angelegt und wieder gelöscht wurde.

Missbrauch oder Totalfälschung?

Wie die Unbekannten an die Daten des Mannes gelangt sind, ist vorerst unklar. Wurden die Personalien missbräuchlich verwendet oder sind sie eine Totalfälschung? Für Glodek ist am Dienstagmittag „noch nicht einmal sicher, ob es die Person überhaupt gibt“. Die Mannheimer Polizei reagierte erst sechs Stunden nach der Todesfahrt, um 18.18 Uhr, auf die seit Stunden kursierenden „Fake News im Umlauf“ auf der Plattform X. „Wir fordern dazu auf, diese Falschinfos nicht weiter zu teilen“, heißt es. Man habe während laufender Ermittlungen aus gutem Grund keine Angaben zum Tatverdächtigen gemacht, sagt der Mannheimer Polizeisprecher Michael Klump.

Offenbar werden teils gesteuerte Hassbotschaften in sozialen Netzwerken zu einem zunehmenden Problem. Auffällig wurde dies erstmals im Januar 2022, als ein Wilderer im Landkreis Kusel in Rheinland-Pfalz bei einer Kontrolle zwei Polizeibeamte erschoss. Auch bei dem tödlichen Angriff auf den Polizeibeamten Rouven Laur im Mai 2024 registrierte das Landeskriminalamt ähnliche sogenannte Hate Speeches. Der tatverdächtige 40-Jährige im aktuellen Fall soll sich laut Staatsanwaltschaft 2018 mit einer Hassrede hervorgetan haben – und der Verwendung rechter verfassungsfeindlicher Symbole.

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Erstellt:
4. März 2025, 15:17 Uhr
Aktualisiert:
4. März 2025, 20:08 Uhr

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