Falsche Fuffziger aus dem Internet
Zweiter Verhandlungstag am Landgericht gegen einen mutmaßlichen Betrüger

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Von Martin Winterling
WAIBLINGEN/STUTTGART. Der 27-jährige Angeklagte hat der Kripo die Beweise auf einem Silbertablett serviert. Seine Falschgeld-Geschäfte ließen sich in den Chatverläufen seines iPhones hervorragend nachvollziehen. Die Lektüre der 4400 Seiten, auf denen die Chats dokumentiert waren, hat den Kripobeamten des Polizeipräsidiums Aalen jedoch gehörig Arbeit bereitet. Seit Mitte Dezember wird gegen den 27-Jährigen aus dem Rems-Murr-Kreis am Landgericht Stuttgart verhandelt. Es geht um Falschgeld und vielfachen Betrug. Der Mann stammt aus gutbürgerlichen Verhältnissen, seine berufliche Laufbahn war jedoch holprig. Über E-Bay soll er sich teure Mobiltelefone und hochwertiges Computerzubehör ergaunert und zum Teil mit Falschgeld bezahlt haben. Der Schaden wird auf rund 40000 Euro geschätzt.
Am zweiten Verhandlungstag beschrieb ein Kriminalhauptkommissar, wie die Falschgeld-Geschäfte liefen. Auf die Spur war ihm die Kripo im Sommer 2018 gekommen, als sie bei einer Hausdurchsuchung aufgrund des Verdachts der Betrügereien im Nachtkästchen des Angeklagten auf einen 50-Euro-Schein stießen. Der stellte sich als Fälschung heraus. Die Ausrede, der Schein sei ihm untergeschoben worden, habe zunächst plausibel geklungen. Doch dann platzte die Lüge. Der Schein stimmte mit jenen 18 falschen Fünfzigern überein, mit denen der Angeklagte im Herbst 2017 über E-Bay in Winnenden ein iPhone gekauft hatte. Ebenfalls mit 17 falschen Fünfzigern hatte der 27-Jährige in Pforzheim Computerware bezahlt, die sich bei der Durchsuchung zum Teil noch in seinem Besitz befand. Auch bei einem asiatischen Imbiss in Göppingen war ein solcher 50-Euro-Schein aufgetaucht, mit dem der Angeklagte seinen Imbiss bezahlt hatte.
Die Qualität des Falschgelds wird von der Kripo als hervorragend eingeschätzt. Auf den ersten Blick sei die Fälschung nicht zu erkennen. Der Schein fühle sich wie echt an. Nur ein Geldscheinprüfer erkenne sofort, dass es sich um Falschgeld handelt. Eine Spur des Falschgelds führte nach Norddeutschland zu einem Bekannten des Angeklagten. Mit dem hatte er am Tag nach der Hausdurchsuchung telefoniert und plauderte auch über das Falschgeld, das die Polizei bei ihm entdeckt hatte. Die Kripo hörte zu diesem Zeitpunkt bereits die Telefone des Angeklagten ab. Dieser Bekannte hatte im Laufe der Jahre mehrfach beim Angeklagten um Falschgeld gebeten. Er ist übrigens mittlerweile zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Bei seiner Überführung und Verurteilung hatte Kommissar Zufall eine große Rolle gespielt. Die Polizei war dem Betrüger auf die Schliche gekommen, weil er ein über E-Bay gekauftes und mit Falschgeld bezahltes iPhone ausgerechnet wieder an den ursprünglichen Besitzer verticken wollte.
Im Darknet gibt es alles
Die große Frage war, wie sich der Angeklagte das Falschgeld beschaffte und wie viel. Die Antwort nach dem Wie findet sich in den Chats wieder, in denen er ganz offen schilderte, wie das Geschäft im Darknet abläuft. Das Darknet, zu Deutsch „dunkles Netz“, ist ein Bereich des Internets, in dem die Kommunikation anonym abläuft und deshalb auch kriminelle Geschäfte getätigt werden können. Bezahlt wird mit der Kryptowährung Bitcoin. Ein Foto in den Chats des 27-Jährigen zeigte, wie der Angeklagte einem Freund stolz ein Kuvert mit einem Packen offensichtlich frischer 50-Euro-Scheine präsentierte. Bei der Frage, wie viel Falschgeld der Angeklagte sich beschafft hat, musste der Kripobeamte als Zeuge passen. Schätzungsweise waren es mehrere Zehntausend Euro. Mit einem Freund hatte der Angeklagte bereits 2015 überlegt, wie sie an Falschgeld kommen. Sie hatten darüber sinniert, selbst ins Fälschergeschäft einzusteigen, zumal sich im Darknet en detail Anleitungen zur Herstellung finden lassen. „Da gibts echt alles“, begeisterte sich der Freund über die unendlichen Möglichkeiten. Während der Angeklagte sein Notebook, mit dem er im Darknet unterwegs war, ausgesprochen gut und professionell gesichert hatte, war seine Kommunikation über WhatsApp völlig offen. So wies er eine Freundin an, wie sie sich zu verhalten habe, wenn sie beim Versuch ertappt wird, einen falschen Fünfziger unter die Leute zu bringen. Wichtig sei, zu behaupten, der Schein sei ihr selbst untergeschoben worden. Und sie müsse diese Lüge unbedingt durchziehen. Die Gefahr, verurteilt zu werden, sei gering. Am dritten Verhandlungstag, dem 13. Januar, soll der Kripobeamte über die rund 300 Betrugssachen aussagen, die dem 27-Jährigen zur Last gelegt werden. Mit den Betrügereien hatte er übrigens aufgehört, nachdem er eine Ausbildung zum Vermögensberater begann.