Fest, Fahne und Luftballons fürs Lamm

Gemeinde Leutenbach feiert die Sanierung des 231 Jahre alten Gasthauses – Paulinenpflege eröffnet darin ein Bistro

Nach langem Ringen verkündet Bürgermeister Jürgen Kiesl frohlockend: „Das Gasthaus Lamm setzt dem Löwenplatz die Krone auf.“ Unter dieses Motto hat alles gepasst beim Fest zum Ende der Sanierung des Gebäudes.

Fest zum Sanierungsende des Wirtshauses Lamm am Löwenplatz: Bürgermeister Jürgen Kiesl hängt die Gemeindeflagge auf. Foto: B. Büttner

© Benjamin Büttner

Fest zum Sanierungsende des Wirtshauses Lamm am Löwenplatz: Bürgermeister Jürgen Kiesl hängt die Gemeindeflagge auf. Foto: B. Büttner

Von Heidrun Gehrke

LEUTENBACH. Mehr als 100 Besucher haben sich in der neuen Ortsmitte eingefunden. Viele von ihnen nutzen sie bereits seit der Einweihung des Löwenplatzes vor über drei Jahren für einen Schwatz oder treffen sich beim Einkauf auf dem Wochenmarkt. Künftig können diese Begegnungen bei einem Kaffee ausgeweitet werden: Das Gasthaus Lamm hat inzwischen den Bistrobetrieb eröffnet. Kiesl ruft die Bevölkerung auf, das Gasthaus mit neuem Leben zu erfüllen. „Nutzen Sie den Ort der Begegnung wie auch das Angebot der anderen acht örtlichen Gastwirte.“

Für den Bürgermeister ist die Eröffnung ein Jahrhundertereignis

Mit dem Gasthaus mitten im Ort werde angeknüpft an die „glanzvollen Zeiten“, als es Tanzstunden und Kirbekuchen im Lamm gab und sich die Honoratioren die Klinke in die Hand gaben. Nach neun Jahren Hoffen und Ringen, mit „teilweise vielen Enttäuschungen“, habe man „wahrhaft Grund zu feiern“, ist Kiesl erleichtert, dass das „gemeindehistorische Jahrhundertereignis“ nun nach einem „Marathonlauf“ im „Zieleinlauf“ angelangt sei. Der Fortbestand des Gebäudes und später die Nutzung als Gaststätte habe mehrmals auf der Kippe gestanden. Ein Investor habe ihm wenig Hoffnung gemacht: Ein „Fass ohne Boden“ sei die Sanierung des Gebäudes, das bis in die 1970er-Jahre von Familie Hieber als Speisegaststätte bewirtschaftet wurde.

Dass nun deren Erbe und ein Stück Ortsgeschichte erhalten bleiben, sei vielen Mitstreitern zu verdanken, die Kiesl in seine Dankesbotschaft einbezieht. Allen voran den Gemeinderat, der „Geduld und langen Atem“ bewiesen und die richtige Entscheidung getroffen habe, das Gebäude zu erwerben. „Wäre es in privater Hand geblieben, würde es heute nicht mehr stehen, weil Kriterien für den Abriss erfüllt gewesen wären.“

Kiesl begrüßt Landtagsabgeordnete, Handwerker, Planer, Bauhofmitarbeiter, Behördenvertreter, die dazu beigetragen haben, das Haus mit seinem historischen Gewölbekeller als Denkmal zu erhalten. Viel zu verdanken habe die Gemeinde dem damaligen Regierungspräsidenten Johannes Schmalzl, der 50 Prozent Landeszuschuss für die Baukosten zugesichert habe. Nachdem die Finanzierung auf sicheren Beinen stand, habe die Gemeinde bei der Ausschau nach einem Pächter neue Unbill erfahren.

Ein „Glücksfall“ sei die Firma JaKo gewesen. Der auf Baudenkmalpflege spezialisierte Familienbetrieb aus Oberschwaben habe das Potenzial und den Charme des Gebäudes erkannt und sämtliche Arbeiten „zum Festpreis“ ausgeführt, so Kiesl.

JaKo-Geschäftsführer Bernd Jäger ist ganz angetan von dem „pulsierenden Leben“, das er auf dem Löwenplatz antrifft. Bewegt sei er von der Geschichte des 231 Jahre alten Gebäudes, in das der noch ältere Gewölbekeller aus dem 15. Jahrhundert integriert wurde. „Anhand des Lamms kann man zeigen, wie Integration funktioniert“, führt er die Nachhaltigkeit des Sanierungsprojekts vor Augen. Baulich sei das Haus stimmig eingefügt in die neue Ortsmitte; die inhaltliche Integration sei durch die Nutzung gegeben, die „Vorbildcharakter“ habe. „Hier leben und arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zusammen, sie füllen es mit Leben.“ Auch Bürgermeister Kiesl weist auf die besondere Bedeutung der Paulinenpflege als Bistrobetreiber hin. Dadurch sei das „Flair, das Wirtschaften von alters her mitbringen“, zu erleben. Andreas Maurer, Hauptgeschäftsführer der Paulinenpflege, erinnert an das konstruktive Miteinander mit der Gemeinde. „Das Herzstück der Kooperation ist das Lamm“, sagt er. Für die Bewohner sei es wichtig, „eine Aufgabe zu haben, sich weiterzuentwickeln und Anerkennung zu erfahren“.

Sichtbares Fachwerk war in der Barockzeit verpönt Info Andreas Maurer, der Hauptgeschäftsführer der Paulinenpflege, stellte das Bistroteam namentlich einzeln vor und bat die Mitarbeiter, sich kurz auf der Terrasse den vielen Besuchern zu zeigen. Projektleiterin Rosemarie Walz freut sich, dass es endlich losgeht. „Wir sind vielleicht nicht die professionellsten, aber die herzlichsten und freundlichsten Gastgeber“, sagte sie auf Nachfrage. In ihrem Team arbeiten sechs Mitarbeiter der Backnanger Werkstätten und Ehrenamtliche. „Sie sagen alle: Wir rocken das.“ Beim Festakt trug der Gebärdenchor „What do I know?“ von Ed Sheeran und „Sowieso“ von Mark Forster vor. Im Zuge der Sanierung wurde Fachwerk freigelegt. Die Frage, warum es nicht sichtbar gemacht wurde, beantwortete Bernd Jäger, Geschäftsführer der Sanierungsfirma JaKo: Als das Gebäude erbaut wurde, im Jahr 1787 und damit am Ende der Barockzeit, sei es verpönt gewesen, Fachwerk zu zeigen. „Man wollte schon damals dem Löwenplatz die Krone aufsetzen mit einem prachtvollen Bau“, so Jäger. Sichtfachwerk sei zu der Zeit unüblich gewesen, es galt als Zeichen von Armut. Neue Fenster haben das Gesicht des Hauses verändert. Eines aus dem Baujahr 1787 wurde restauriert und erhalten – an der Stelle, wo die ehemalige Küche lag.

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Erstellt:
10. Juli 2018, 06:00 Uhr

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