Psychologie
Flausch-Wurst und Cord-Flamme: Kuschelobjekte für Erwachsene
Wir kuscheln gerne. Nicht nur mit Menschen. Auch ein Kuscheltier kann beruhigen und manchmal Trost geben. Manche Firmen bieten ganz besondere Objekte für die Bedürfnisse von Erwachsenen an.
Von Von Simone Andrea Mayer, dpa
Berlin/Ulm - Eine Fleischwurst zum Knuddeln, eine Müslischale zum Liebhaben: Es gibt Kuscheltiere für Erwachsene. Natürlich könnten das auch kindliche Teddys und Einhörner sein, keine Frage. Aber die Angebote mancher Firmen versprechen nicht nur eher ergonomisch etwas für den tendenziell im Nacken und Rücken geplagten Erwachsenen zu sein, die Motive sind auch lebensnaher, man kann sich besser mit ihnen identifizieren.
Beispiele gefällig? Da ist der Ring Kalbsleberwurst, als Nackenstütze für "den PC-Benutzer im Büro, für die Cineasten in den Kinositzen oder für den Beifahrer bei langen Autofahrten" ausgezeichnet. Sie hat einen Bezug aus goldfarbener Mikrofaser. Oder da wäre das Spiegelei in Form eines flachen Couch-Kissens oder die Salamistange aus Baumwolle und Schaumstoffkern vom Shop Aufschnitt Berlin.
Im Onlineshop der hessischen Kuscheltier.Boutique finden sich für die Zielgruppe Jugendliche und Erwachsene schmusige Gurken und Bagel, kuschelbare Müslischüsseln und Toastscheiben. Sogar graue Sturmwolken, Lagerfeuer und schneebedeckte Berge aus Plüsch. Die Marke Jellycat hat auch eine große Auswahl an Lebensmitteln zum Liebhaben: Das Grünkohlblatt, Sandwiches, Sushi - und eine Ingwerknolle, die dann ein wenig doch wie ein Teddy wirkt.
Kuscheln mit der Ingwerknolle? Als waschechter großer Mensch? Ja, Kuscheltiere und Kuschelobjekte erfüllen für Erwachsene zeitweise den gleichen Nutzen, wie es Kuscheltiere für Kinder tun, sagt Prof. Markus Kiefer von der Universität Ulm.
Es ist okay, als Erwachsener mit einem Teddy zu kuscheln
"Körperkontakt zu anderen Menschen hat beruhigenden Charakter - so ähnlich ist das mit Kuscheltieren", erklärt der Psychologe und Neurowissenschaftler. "Kuscheltiere sind flauschig, sie fühlen sich gut an. Das simuliert den Kontakt mit anderen Menschen und löst ein beruhigendes Gefühl aus, insbesondere wenn eine emotionale Unruhe vorhanden ist."
Kiefer forscht eigentlich zur Wissensspeicherung im Gedächtnis. Aber vor ein paar Jahren baten ihn Kollegen aus der Uniklinik der Frage nachzugehen, warum Patientinnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen häufig Kuscheltiere in die Klinik mitbringen. "Wir haben herausgefunden, dass Kuscheltiere die Funktion eines sogenannten Übergangsobjektes haben. Das ist für diese Patienten ganz essenziell - das Kuscheltier hilft ihnen, sich beruhigen zu können", sagt Prof. Kiefer.
Auch für Kinder sind Kuscheltiere Übergangsobjekte. Sind ihre Bezugspersonen, allen voran die Eltern, mal nicht da, kann das Angst auslösen. "Dann benutzen Kinder diese Objekte stellvertretend, um sich zu trösten", erklärt der Neurowissenschaftler.
Wenn der Nachwuchs dann stabile Bindungskonstrukte aufgebaut hat - also darauf vertraut, wer geht, kommt auch wieder zurück -, verlieren die Kuscheltiere eigentlich diese Rolle. "Für Borderline-Patienten bleibt der Gebrauch von Kuscheltieren ein Notfallmechanismus, um sich zu beruhigen."
Aber Teddy und Co. darf auch eine Rolle bei psychisch gesunden Erwachsenen spielen. "Wir Erwachsene haben immer mal wieder Bindungsängste, fühlen uns vielleicht aus diesem oder jenen Grund mal alleine, ohne dass man eine behandlungsbedürftige psychische Störung hat", sagt Kiefer. "Kuscheltiere übernehmen auch dann wieder die Stellvertreterfunktion für eine Bezugsperson, die gerade nicht da ist. Es ist dann auch vollkommen legitim, das Kuscheltier zu nutzen, um über etwa Liebeskummer hinwegzukommen."
Oder einfach ein besonderes Geschenk
Wer solche Schmuseobjekte für Erwachsene sieht, hat oft direkt eine Idee, wem er diese schenken könnte: Eine Kuschel-Kassette in Zeiten des digitalen Musikstreamings für den Flirt, ein Skateboard für Mittvierziger, die sich heute nicht mehr darauf trauen.
Und wer ganz in seinem Hobby aufgeht, bekommt eben samtigweiche Tischtennisschläger und Eishockey-Pucks als Präsent. Wer gerne wandert, das Kuschel-Lagerfeuer und schneebedeckte Berge aus Plüsch.
Silvia Walds flauschige Fleischauslage soll auch noch eine ernste Botschaft vermitteln: "Man soll ein bisschen über den Aspekt Wurst nachdenken", sagt die überzeugte Vegetarierin und studierte Bekleidungstechnikerin. Daher seien ihre Produkte gedacht für "Leute, die irgendwie im entferntesten Sinne was mit Fleisch zu tun haben oder auch Vegetarier sind".
Total in Salami vernarrt
Der Name ihrer Firma "Aufschnitt Berlin" ist daher ein Wortspiel aus dem Schnitt zur Herstellung von Bekleidung und der Auslage vom Fleischer. Trotzdem ist auch ihr klar, die meisten Kunden kauften die Salami "etwa für eine Freundin, von der man weiß, sie ist total in Salami vernarrt".
Aber Silvia Wald habe sich trotzdem gegen Augen auf den Produkten entschieden. "Weil ich finde, dadurch wird dieses doch sehr stark polarisierende und eigentlich sehr ernste Thema Fleischkonsum ein bisschen verniedlicht und ins Lächerliche oder ins Kindliche gezogen - was es ja gar nicht sein soll." Bei ihr gibt es daher etwa auch Kollektionen mit tierischen Organen – Kissen in Form von Lungen, Nieren, Magen.
Aber warum nicht auch einfach ein Herz verschenken? Und ein Kardiologe freut sich vielleicht über eine Nachbildung eines anatomisch korrekten Herzens zum Liebhaben. Solche Präsente haben nachhaltigen Effekt: "Viele etwa bekommen mal ein Kuscheltier in einer besonderen Situation geschenkt, etwa vom Freund oder der Freundin. Das Kuscheltier ist dann ein Erinnerungsstück und wird daher wertgeschätzt", erklärt Prof. Kiefer.