Ausbruch aus geschlossener Einrichtung
Geflohener Straftäter gefasst - Drei weitere auf der Flucht
Fünf Tage dauerte die Flucht: Einer von vier aus dem Bezirkskrankenhaus Straubing geflohenen Straftätern ist gefasst. Die Suche nach den drei weiteren Männern läuft.
Von red/dpa/lby
Seine Flucht ist beendet: Ein in Niederbayern aus einer geschlossenen Einrichtung geflohener Straftäter ist von der Polizei in Österreich gefasst worden. Österreichische Einsatzkräfte hätten den Mann am Donnerstagabend bei einer Polizeikontrolle in der Nähe von Graz in der Steiermark festgenommen, teilte die Polizei mit.
Bei seiner Festnahme habe der Mann keinen Widerstand geleistet, er befinde sich in einer österreichischen Justizvollzugsanstalt. Nähere Angaben zu dem Einsatz machte der Polizeisprecher aus ermittlungstaktischen Gründen zunächst nicht. Die Staatsanwaltschaft Regensburg habe eine Überstellung des Beschuldigten nach Deutschland beantragt.
Täglich neue Zeugenhinweise
Der 28-Jährige war zusammen mit drei weiteren Insassen am 17. August aus dem Bezirkskrankenhaus Straubing (BKH) entkommen. Nach den drei anderen Männern wird weiter per europäischem Haftbefehl gefahndet. Es gingen täglich Hinweise aus der Bevölkerung ein, die geprüft würden, teilte die Polizei mit.
Darüber hinaus würden Vernehmungen durchgeführt, Videomaterial ausgewertet und mögliche Kontakt- und Anlaufadressen der Männer - auch im familiären Umfeld - abgearbeitet, erläuterte die Polizei.
Gewaltsame Flucht
Den Erkenntnissen nach überwältigten die vier Männer vergangenen Samstagabend einen Mitarbeiter der Klinik. Sie sollen den Mann festgehalten, geschlagen und mit dem Tode bedroht haben, um die Öffnung der Pforte zu erzwingen.
Aufgrund der „akut lebensbedrohlichen Situation“ habe ein Sicherheitsmitarbeiter die Schleuse geöffnet, teilte der Bezirk Niederbayern als Träger der Einrichtung mit. Die vier Insassen hätten den Klinikmitarbeiter verletzt zurückgelassen und seien zu Fuß geflüchtet.
Vorwurf: Geiselnahme und gefährliche Körperverletzung
Aufgrund des Vorgehens bei der Flucht und der Gruppendynamik stuften die Behörden die Männer als gefährlich ein. Gegen sie wurde Haftbefehl erlassen. Staatsanwaltschaft und Kripo ermitteln wegen Verdachts auf Geiselnahme und gefährliche Körperverletzung. Laut Polizei befanden sich die Männer aufgrund von Eigentums- und Betäubungsmitteldelikten im Maßregelvollzug des BKH.
Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, sich verdächtigen Personen nicht zu nähern. Stattdessen sollten sie den Polizeinotruf 110 wählen.
Blick in die Statistik
Bayernweit sind seit 2016 39 Personen aus Maßregelvollzugseinrichtungen entkommen, wie aus einer Statistik des Amtes für Maßregelvollzug hervorgeht. Dieses erfasse seit 2016 die sogenannten Entweichungen, teilte das Sozialministerium mit. Von den 39 entwichenen Personen seien 34 wieder aufgegriffen worden - inklusive dem nun in Österreich festgenommenen Mann aus dem BKH Straubing. Den Angaben nach ist der Vorfall mit den vier Männern vom vergangenen Wochenende die einzige Entweichung aus dem BKH Straubing seit Beginn der Statistik 2016.
Sozialministerin kündigt Aufklärung an
Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) dankte nach der Festnahme des 28-Jährigen der Polizei, den Sicherheitsbehörden sowie den Bürgerinnen und Bürgern. Sicherheit und Schutz der Bevölkerung und der Mitarbeiter in den Einrichtungen hätten oberste Priorität, betonte sie.
„Beide Vorfälle in den bayerischen Maßregelvollzugsanstalten werden konsequent aufgearbeitet. Die gesetzlichen Bestimmungen, Sicherheitsvorkehrungen und Schutzkonzepte werden bereits intensiv auf Verbesserungen geprüft und Verschärfungen getroffen“, sagte Scharf weiter.
Bereits am 8. August war ein Insasse des Bezirksklinikums in Deggendorf entkommen. Der wegen Totschlags verurteilte und wegen einer psychischen Erkrankung als schuldunfähig eingestufte Mann flüchtete während eines begleiteten Freiganges aus einem Kino in Plattling. Er wurde etwa acht Stunden später wieder gefasst.
Kritik von SPD und ÖDP
Die Flucht der Männer löste eine politische Debatte um den Maßregelvollzug und die Sicherheit der Einrichtungen aus. Die SPD-Fraktion im Landtag verlangt von der Staatsregierung mit einem Fragenkatalog Aufklärung. „Wir müssen den Menschen wieder ein Gefühl von Sicherheit vermitteln“, sagte Horst Arnold, Sprecher für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen. Die Staatsregierung müsse die Umstände der Fluchten genau darlegen und wirksame Maßnahmen erlassen.
ÖDP-Sprecher Urban Mangold forderte den niederbayerischen Bezirkstag auf, die Regularien in der forensischen Klinik in Deggendorf sowie die Sicherheitsvorkehrungen im BKH Straubing zu überprüfen. „Wir brauchen jetzt klare Regeln, die sicherstellen, dass sich so etwas nicht wiederholt.“