Folgt eine Nichtschwimmergeneration?

Mehr als die Hälfte aller Kinder in Deutschland gelten als unsichere Schwimmer – Wonnemar kämpft mit Aktion gegen Trend an

Laut einer Forsa-Studie können immer weniger Kinder schwimmen. Das Wonnemar Backnang möchte dieser Entwicklung mit der Aktion „1000 Seepferdchen für Deutschland“ entgegenwirken. Vielen Grundschulen fehlt der Zugang zu Schwimmbädern.

Fehlender Schwimmunterricht in Schulen führt zu ausgebuchten Schwimmkursen. Foto: Imago

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Fehlender Schwimmunterricht in Schulen führt zu ausgebuchten Schwimmkursen. Foto: Imago

Von Philip Kearney

BACKNANG. Sommer, Sonne, Badezeit. So lautete das Motto vieler deutscher Urlauber in den vergangenen Monaten. Ob Mittelmeer oder Gardasee, Hauptsache Badeurlaub. So schien die Devise zu sein. Doch trotz der Popularität von Badeurlauben nimmt die Zahl an Kindern, die schwimmen können, kontinuierlich ab.

So lautet das Ergebnis einer Forsa-Umfrage der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) zum Thema Schwimmfähigkeit aus dem vergangenen Jahr. Bei der Umfrage aus dem Jahr 2017 wurden 2001 Menschen zu ihren Schwimmfähigkeiten befragt. Dabei stellte sich heraus, dass fast 60 Prozent aller Zehnjährigen keine sicheren Schwimmer sind.

Jede vierte Grundschule in Deutschland hat keinen Badezugang

Als sicherer Schwimmer gilt, wer mindestens das Jugendschwimmabzeichen Bronze besitzt. Daran ändert auch der Fakt nichts, dass 77 Prozent aller Grundschüler nach Angaben ihrer Eltern das Schwimmabzeichen Seepferdchen besitzen. „Die Prüfungsanforderungen des Seepferdchens sind zu gering“, kritisiert DLRG-Vizepräsident Achim Haag. Grund für die hohe Zahl an schwimmunfähigen oder beschränkt schwimmfähigen Kindern ist unter anderem der Rückgang an Bädern. Denn jede vierte Grundschule in Deutschland verfügt über keinen Zugang zu einem Bad, sodass auch kein Schwimmunterricht angeboten werden kann. „In der Grundschule ist die Schwimmausbildung offenbar aus der Mode gekommen, und geht die Entwicklung so weiter, gibt es die dort bald gar nicht mehr“, äußert sich Haag empört. Während bei den Befragten über 60 Jahren noch 56 Prozent angaben, Schwimmen in der Grundschule gelernt zu haben, waren es bei den 14- bis 29-Jährigen nur noch 36 Prozent. Der Trend trägt dazu bei, dass immer mehr Kinder das Schwimmen bereits vor der Einschulung lernen. Folge des fehlenden Schwimmunterrichts: 52 Prozent aller Befragten gaben an, unsichere Schwimmer oder gar Nichtschwimmer zu sein.

Vergleicht man die Zahlen der Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2017 mit denen von 2010, so fällt auf, dass die Zahl an Kindern, deren Eltern sie als sichere Schwimmer bezeichnen, um fünf Prozent zurückgegangen ist. Sinkendes Interesse der Kinder am Schwimmen sei laut Carina Neumann vom Backnanger Wonnemar aber nicht festzustellen. Im Gegenteil: „Wir versuchen, so viele Schwimmkursplätze wie möglich anzubieten. Bisher haben wir unser Angebot jedes Jahr erweitern können“, sagt Wonnemar-Betriebsleiter Ricardo Haas. Während das Wonnemar vergangenes Jahr 70 Schwimmkurse anbot, sind es in diesem Jahr über 100. Die Teilnehmerzahlen sind daher auch gestiegen. Dabei seien jedoch der Platz im Becken und die vorhandenen Personalkapazitäten begrenzende Faktoren.

Die meisten Kinder lernen bereits im Alter von fünf oder sechs Jahren zu schwimmen. „Wenn die Eltern die Wahl hätten, würden sie ihre Kinder auch schon im Alter von vier Jahren zum Schwimmkurs anmelden“, sagt Neumann. Allerdings beträgt das Mindestalter für die Kurse fünf Jahre. Um den Kursteilnehmern genug Aufmerksamkeit zu schenken und deren Sicherheit zu garantieren, umfassen die Gruppen maximal sechs Personen. „Wenn man mit Nichtschwimmern im Wasser ist, kann man die Kinder nicht für eine Sekunde aus den Augen lassen“, sagt Wonnemar-Schwimmlehrerin Stefanie Guthardt.

Ricardo Haas: „Das Seepferdchen ist keine Garantie gegen Badeunfälle“

Die langjährige Schwimmlehrerin Karin Kosch beobachtet, dass Eltern immer häufiger der Überzeugung sind, dass mit der Buchung eines Schwimmkurses die Sache erledigt ist. „Manchmal haben wir Kinder im Schwimmkurs, die offensichtlich vorher nie oder nur ganz selten baden waren. Diese Kinder haben dann häufig noch Angst vorm Wasser. In diesen Fällen reichen zehn Kurstermine dann nicht aus, um das Seepferdchen zu schaffen“, sagt die Schwimmlehrerin.

Auf die sinkende Zahl an schwimmfähigen Kindern und die Häufung von Badeunfällen antwortet die Stiftung des Backnanger Mineralbades mit dem Projekt „1000 Seepferdchen für Deutschland“. Dabei werden Seepferdchen-Prüfungen, Abzeichen und Urkunden im Rahmen der Aktion in den Wonnemar-Bädern kostenlos angeboten. Interessierte Eltern können ihr Kind online anmelden. Auf dieser Webseite wird auch erklärt, wie eine solche Prüfung abläuft und was Eltern wissen müssen. Aktionsende ist, wenn die 1000. Anmeldung eingegangen ist.

Bei erfolgreicher Anmeldung muss am Prüfungstag lediglich die Bestätigungsmail in gedruckter Form mitgebracht sowie der Eintrittstarif bezahlt werden. Besteht das Kind dann die Schwimmprüfung, winkt ihm neben dem Schwimmabzeichen Seepferdchen eine Freikarte für einen weiteren Besuch des Wonnemars.

Um das Schwimmabzeichen Seepferdchen zu bekommen, muss man eine Distanz von 25 Metern schwimmen, einen Sprung vom Beckenrand zeigen und einen Gegenstand aus schultertiefem Wasser herausholen. Pro Jahr werden im Wonnemar zwischen 300 und 350 Seepferdchen abgelegt. Um eine Prüfung abzulegen, ist keine Voranmeldung erforderlich, je nach Badebetrieb ist allerdings etwas Geduld gefragt.

Von einer Seepferdchen-Pflicht hält man im Wonnemar nichts. „Das Seepferdchen ist keine Garantie gegen Badeunfälle“, betont Haas. „Viele Eltern glauben, wenn ihr Kind das Abzeichen geschafft hat, können sie es bedenkenlos ins Wasser lassen. Das Seepferdchen ist aber nur der erste Schritt, danach muss regelmäßig weitergeübt werden, bis die Kenntnisse so weit vertieft und verbessert wurden, dass das Kind unbeaufsichtigt Schwimmen gehen kann“, fügt der Betriebsleiter hinzu.

Wichtig ist das Seepferdchen trotzdem, findet zumindest Guthardt: „Es ist für die Kinder ein tolles Erfolgserlebnis, wenn sie ihr Seepferdchen erreicht haben und dann stolz ihr Abzeichen vorzeigen können. Das sorgt für ein positives Gefühl und gibt Selbstvertrauen.“ Das Abzeichen kann von den Kindern zudem als Eintrittskarte für die zweimal im Jahr stattfindende Seepferdchenparty verwendet werden. Die nächste Party dieser Art findet am 2. Oktober statt. Kontakt: www.seepferdchen-fuer-deutschland.de.

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Erstellt:
6. September 2018, 06:00 Uhr

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