Franz Matyas aus Auenwald ist ein Freund der klaren Worte

Franz Matyas engagierte sich fast drei Jahrzehnte im Auenwalder Gemeinderat, viele Jahre als Sprecher der Unabhängigen Wählergemeinschaft. Mit Herzblut pflegt der 70-Jährige seine Rebstöcke am Ebersberg und beginnt jetzt eine Ausbildung zur staatlich geprüften Fachkraft für Weinbau.

Ein Glas Rotling von eigenen Trauben im eigenen Weinberg. Ein Traum geht für Franz Matyas in Erfüllung. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Ein Glas Rotling von eigenen Trauben im eigenen Weinberg. Ein Traum geht für Franz Matyas in Erfüllung. Foto: Tobias Sellmaier

Von Florian Muhl

Auenwald. „Eine Ära geht zu Ende“ stand über der Dokumentation „Firmengeschichte Gerberstraße“, die seine Kolleginnen und Kollegen als Abschiedsgeschenk für ihn zusammengestellt hatten, als Franz Matyas vor gut acht Jahren bei Tesat in den Ruhestand verabschiedet wurde. „Eine Ära geht zu Ende“ würde auch über das ehrenamtliche Engagement im Gemeinderat passen, dem der jeweils zweifache Familienvater und -opa jetzt nach fast 30-jähriger Mitarbeit Ade sagte.

Doch mit seinen 70 Jahren fühlt er sich längst nicht zu alt, um noch einmal durchzustarten, etwas ganz Neues anzufangen. Alt genug ist er, um erkannt zu haben, dass der Spaß im Leben im Vordergrund steht, nicht der Frust. Und sein Herzblut hängt nun mal am Wein, an der Reaktivierung und dem Erhalt des Weinbaus am Ebersberg. Knapp zwei Jahre dauert die Ausbildung zur staatlich geprüften Fachkraft für Weinbau. Die Schulbank drückt er montags, wenn seine ehemaligen Ratskolleginnen und -kollegen sich die Köpfe heiß reden.

Als Matyas zusammen mit seiner Frau und den Zwillingen in Hohnweiler sein Haus gebaut hat, war sein Anspruch, einen freien Blick zum Ebersberg zu haben. Jetzt sitzt er in seinem Wohnzimmer, genießt ein Gläschen Rotling aus eigenen Trauben und blickt auf den Berg, auf dem er aufgewachsen ist und wo er die Schulbank drückte.

Die Schule hatte acht Klassenstufen, aber nur zwei Räume und einen Lehrer

Er gehörte zum letzten Jahrgang, der die achtjährige Volksschule in Ebersberg besuchte. Jetzt residiert dort der Bürgerverein. Damals hatte die Schule nur zwei Klassenzimmer; vier Klassenstufen wurden jeweils zusammen in einem Raum unterrichtet. „Und nur ein Lehrer – heute unvorstellbar“, sagt der 70-Jährige. Der Lehrer ist zwischen den beiden Klassenräumen hin- und hergependelt und hat alle Fächer unterrichtet.

Matyas nippt an seinem Rotling und sinniert: „Wenn ich so zurückdenke, kam in meinem Leben immer eins zum anderen. Wenn irgendwas kommt, muss man auch bereit dafür sein.“ Beispiel Berufswahl: Mehr durch Zufall ist Matyas nach der Handelsschule bei AEG-Telefunken in Backnang gelandet. Infrage kam für ihn damals auch die Volksbank. Von beiden Arbeitgebern hatte er bereits den Ausbildungsvertrag auf dem Tisch liegen.

Seine Entscheidung hat er nie bereut

Sein Vetter hatte ihm damals geraten: „Geh zur Industrie und nicht ins Bankwesen, weil dort deine Aufstiegsmöglichkeiten besser sind.“ Matyas lacht: „Wie das im Leben so ist, da steht man vor einer Abzweigung – gehe ich links oder gehe ich rechts.“ Er hatte damals den Rat seines Vetters befolgt. Seine Entscheidung hat er nie bereut. 40 Jahre war er in derselben Firma, die immer wieder ihren Namen geändert hat.

Als sich die Bosch Telecom GmbH im Jahr 2000 von ihrem Geschäftszweig Raumfahrt getrennt hatte, musste im neu entstandenen Unternehmen Bosch Satcom (heute Tesat) der Betriebsrat neu gewählt werden. Matyas lässt sich aufstellen, wird gewählt und wird gleich freigestellter Vorsitzender. „Von null auf 100“, sagt er und muss wieder lachen. Zuvor hatte er mit Betriebsrat nix am Hut. „Ich hatte keine Ahnung, ich war auf der Betriebsversammlung, hab das genossen, wie sie sich da gefetzt haben, war aber nicht dran beteiligt.“ Für den Betriebswirt beginnen die besten Jahre: „Für mich persönlich das Highlight meines Berufslebens.“ Weil er auch im europäischen Betriebsrat von Airbus (damals EADS) gewesen ist, war er viel auf Reisen.

Gleich 14 Tage nach dem Start die erste Betriebsversammlung. „Da bin ich richtig ins Schwitzen gekommen. Hinterher war ich fix und fertig.“ Aber dieses Erlebnis habe ihm gezeigt, dass er sich weiterbilden müsse. „Das hältst du sonst nicht durch.“ Zahlreiche Schulungen folgten. Das ist typisch für Matyas. Wenn ihn etwas interessiert, er auch Spaß an der Sache hat, gräbt er sich tief in die Materie hinein. Er drückt es so aus: „Ich bin losgelaufen mit einem leeren Rucksack und hab den gefüllt, mit Dingen, die mich interessieren, und hab mich so weitergebildet.“

„Ich hab’ nur Argumente gehört, warum’s nicht geht“

Zur Kommunalpolitik ist Matyas eigentlich durch Eigeninteresse gekommen. Als Zuschauer hatte er zu der Zeit, als seine Jungs noch klein waren, in einer Gemeinderatssitzung die Frage gestellt, ob es eine Möglichkeit gebe, aus der Brunnengasse in Ebersberg eine Spielstraße zu machen. „Ich hab’ nur fragende Gesichter gesehen und nur Argumente gehört, warum’s nicht geht.“ Und mit scharfem Ton fügt er an: „Das ist das, was ich gehasst habe, wie die Pest.“ Er mag die Art Menschen nicht, die neuen Ideen immer erst kritisch gegenüber stehen. „Das war mir auch schon im Betriebsrat zuwider.“ Die Brunnengasse ist keine Spielstraße geworden. Allerdings haben die Gemeinderäte doch reagiert. Der damalige Vorsitzende der UWA, Rudolf Weiß, hatte Matyas gefragt, ob er nicht für den Gemeinderat kandieren wolle, was dieser sofort bejahte. 14 Tage später hätte ihn auch die BWA gefragt. Da musste Matyas ablehnen. Bei der UWA dann ein Déjà-vu-Erlebnis. „Ich bin gleich in der ersten Sitzung Fraktionssprecher geworden.“ Rudolf Weiß hatte gesagt, er wolle nicht mehr. „Von Null auf 100 bin ich da hinein gestolpert.“

„Jetzt, mit zunehmendem Alter, werde ich einfach ungeduldiger“

Als Fraktionssprecher hatte Matyas stets einen Grundsatz: Es gibt keinen Fraktionszwang, jeder stimmt ab, wie er will. Aber in der Fraktion wollte er vorher wissen, wer sich anders verhält. „Weil ich mich als Fraktionssprecher nicht für eine Sache verkämpfe, wo die Fraktion nicht dahinter steht.“ Heute sieht sich Matyas als ein Mensch, der sich über viele Dinge Gedanken macht und seine Schlüsse daraus zieht. „Wenn ich mir eine Meinung gebildet habe, dann möchte ich auch, dass diese Gedanken Realität werden“, sagt er. Im Gemeinderat war ihm zu wenig Bewegung. „Ich bin es einfach leid, Sachen fünfmal zu diskutieren, und es vergehen Jahre, und es passiert nichts.“ Der Freund der klaren Worte, wie er sich selbst einmal bezeichnet hat, fügt an: „Früher hat mir das nichts ausgemacht, aber jetzt, mit zunehmendem Alter, werde ich einfach ungeduldiger.“

Der Ruheständler im Unruhestand hat schon viel gemacht. Matyas erinnert sich an ein Jahr, das schon eine Weile zurückliegt. „In dem Jahr war ich Familienvater, Musiker und Kassier beim Bürgerverein, Gemeinderat, Abteilungsleiter und Trainer bei der TSG Backnang Judo. Das war wirklich eine heiße Zeit.“ Matyas ist auch dankbar: „Ich hätte das alles nicht machen können, wenn meine Frau das nicht mitgetragen hätte“, blickt der 70-Jährige zurück. Und er fügt an: Wenn die Ehefrau nicht dahinter steht, ist das nicht möglich.“

Zur Person

1952 ist Franz K. (Karl) Matyas in Backnang geboren und in Ebersberg aufgewachsen. Nach Volks- und Handelsschule beginnt er bei AEG-Telefunken 1967 eine Ausbildung zum Industriekaufmann. 1969 wird er als kaufmännischer Angestellter übernommen, verlässt das Unternehmen kurze Zeit später wegen der Weiterbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt. 1978 kehrt er zurück. 2000 wurde er erster Betriebsratsvorsitzender der Bosch Satcom (heute Tesat) und bleibt im Amt bis zu seinem Abschied 2014.

Gemeinderat Matyas war insgesamt rund 26 Jahre Mitglied im Auenwalder Gremium. Erstmals wurde er im Oktober 1989 ins Gremium gewählt und 1994, 1999 und 2004 jeweils mit hohem Stimmenanteil wiedergewählt. Er pausierte ab 2007. Bei den Kommunalwahlen 2014 war seine Kandidatur erfolgreich und 2019 wurde wiedergewählt.

Familie Matyas ist seit 1977 mit seiner Frau Ingrid (71) verheiratet. Zusammen haben sie zwei Jungs. Die Zwillinge sind jetzt 43 Jahre alt und haben jeweils ein Kind, ein Junge und ein Mädchen, ein und drei Jahre alt.

Zum Artikel

Erstellt:
28. Oktober 2022, 11:30 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen